POTSDAM Der Begriff “Heimat” löst unterschiedliche Assoziationen aus:
Pionierlieder oder Jodelfilme der 50er-Jahre. Häufig bekommt die “Heimat”
einen negativen Beiklang — wenn sie in der kruden Rhetorik rechtsextremer
Hetzer auftaucht. Doch jetzt soll der Begriff “Heimat” wieder positiv
besetzt werden. Das ist zumindest Ziel des Projekts “Zeitsprünge”, das
gestern von Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) in Potsdam vorgestellt
wurde.
“Zeitsprünge” fächert sich in 26 Unterprojekte auf. Ab dem kommenden
Mittwoch werden jeweils zehn bis 20 Jugendliche im Alter zwischen zwölf und
18 Jahren die Geschichte ihrer Heimatorte erforschen. Sie werden in Kirchen
oder Gemeindehäusern recherchieren und mit Zeitzeugen sprechen — und so
unter anderem dem jüdischen Leben in Zossen oder dem christlichen Widerstand
in Brandenburg/Havel zur Zeit des Nationalsozialismus nachspüren.
Insgesamt 40 000 Euro stehen für die “Zeitsprünge” zur Verfügung, jeweils
zur Hälfte gedeckt durch die Staatskanzlei und die Stiftung Demokratische
Jugend. Die Stiftung setzt das Projekt zusammen mit dem Landesjugendring
Brandenburg um und verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Die Abwanderung junger
Menschen aus Brandenburg soll durch die Stärkung ihrer Heimatbindung
eingedämmt werden.
“Es ist nicht altmodisch, in Zeiten, in denen die Wirtschaft von jungen
Menschen größtmögliche Mobilität einfordert, ein Heimatgefühl stärken zu
wollen”, verteidigt Bildungsminister Rupprecht das “Zeitsprünge”-Projekt. Er
habe Verständnis dafür, wenn Jugendliche auf Arbeitsplatzsuche Brandenburg
verlassen. “Ich möchte aber nicht, dass junge Brandenburger ihre Heimat
generell aus ihren Zukunftsplänen ausklammern”, ergänzt der Minister. Die
“Zeitsprünge”-Initiative fördere den Dialog zwischen den Menschen gerade in
ländlichen Gebieten und sorge so für eine bessere Stimmung. Auch dadurch
könne eine stärkere Bindung an die Heimat entstehen.
Das sieht Andreas Pautzke genauso. Der Geschäftsführer der Stiftung
Demokratische Jugend gibt allerdings zu, dass sich der Erfolg vergleichbarer
Projekte auf Bundesebene schwer belegen lässt. Es gibt keine gesicherten
Erkenntnisse, ob die Steigerung des Heimatgefühls bei jungen Menschen auch
zu einem Abwanderungsrückgang führt.
Messbar bleibt so allenfalls die Stimmung vor Ort: “Die Dorfjugend war
begeistert, als sie zum ersten Mal ihren selbst gepressten Apfelsaft
probiert hat”, sagt Claudia Günther von der Naturschutzjugend. Sie wird im
Rahmen der “Zeitsprünge” ein schon begonnenes Projekt weiterführen — die
Wiederbelebung einer Schlossgärtnerei im uckermärkischen Gerswalde.