RATHENOW Das Verfahren gegen zwei Asylbewerber des Wohnheimes im Birkenweg
Rathenow wurde gestern fortgesetzt.
Die beiden Flüchtlinge Abdel Amine und Mohamed Mahmoud wurden von der
Arbeiterwohlfahrt (Awo) Havelland wegen Urkundenfälschung, Verleumdung und
übler Nachrede angezeigt. Die beiden Asylbewerber hatten in einem
öffentlichen Brief vom Juli 2002 Missstände im Zusammenhang mit der
Heimleitung bekannt gemacht (MAZ berichtete).
Schwerpunkt der Zeugenbefragungen war am Donnerstag der Vorwurf, die
Heimleitung habe unbefugt die Zimmer der Bewohner betreten. Zum anderen soll
die Heimleitung Briefe der Bewohner haben. Auch die Vorgeschichte des
Memorandums wurde nochmals thematisiert. Andere Zeugen wurden am Donnerstag
vor allem zu ihren Erfahrungen im Rathenower Wohnheim vernommen.
Ein bedeutender Punkt der Anklage ist, dass einige der Bewohner erklärten,
über den Inhalt des Memorandums falsch informiert gewesen zu sein. Einer der
Zeugen konnte diese Aussagen nicht nachvollziehen: “In Deutschland
unterschreibt man nicht einfach, ohne vorher zu lesen.” Das würde man auch
im Heim wissen. Zwar habe er es nicht selbst erlebt, dass seine Briefe
geöffnet wurden oder jemand sein Zimmer unbefugt betreten habe, doch er
vertraute den Mitbewohnern, die ihm davon erzählt hatten. Er hatte an den
Diskussionen teilgenommen, die im Vorfeld des Memorandums im Heim
stattgefunden hatten. Also unterschrieb er.
Andere Zeugen die gestern vernommen wurden, bestätigten die Vorwürfe der
Asylbewerber. Manche von ihnen lebten eine Zeit lang in dem Wohnheim. Sie
hätten es erlebt, dass die Türen zu ihren Zimmern ohne ein vorhergehendes
Anklopfen aufgeschlossen wurden.
Viele von ihnen hätten auch erlebt, dass die Briefe, die sie in Empfang
nahmen, schon geöffnet waren. Dabei fiel auf, dass insbesondere Post von
Fernsehanstalten betroffen war, in einem Fall ein Brief mit einer
VHS-Kassette vom Norddeutschen Rundfunk aber auch ein Schreiben des
Ostdeutschen Rundfunks (heute Rundfunk Berlin Brandenburg, RBB).
Heimleiterin Bärbel Pagel versicherte in ihrer Zeugenaussage am Dienstag,
dass keine ihrer Mitarbeiterinnen oder sie selbst Briefe öffnen würde. Wenn
offene Post zugestellt wurde, habe sie diese nicht angenommen. Ebenso
versicherte sie, dass die Zimmer niemals — außer im Notfall — unbefugt
betreten werden würden. Als Abdul Amine, einem der Angeklagten, nachfragte,
erinnerte sie sich dann aber doch noch an einen Vorfall. Grundsätzlich
jedoch, so Pagel, seien die Vorwürfe nicht wahr.
Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt. Ob er dann bereits zu Ende
geht, stand nach der Verhandlung am Donnerstag noch nicht fest.