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Die Justizministerin wird zur Getriebenen

Bar­bara Rich­stein lässt sog­ar Vor­würfe über­prüfen, die noch gar nicht erhoben wurden

(Berlin­er Zeitung, Andrea Bey­er­lein) POTSDAM. Dies­mal wollte es Jus­tizmin­is­terin Bar­bara Rich­stein bess­er machen.
Sie informierte schon am Don­ner­stag­mor­gen den Recht­sauss­chuss des Land­tages, dass aber­mals mit Schreck­ens­meldun­gen aus der Vollzugsanstalt
Brandenburg/Havel zu rech­nen sei. Nur mit was für welchen, das kon­nte die 38-jährige CDU-Poli­tik­erin nicht sagen. Möglicher­weise gehe es um einen mys­ter­iösen Todes­fall. Ungeachtet der Ergeb­nisse ver­set­zen mittlerweile
schon bloße Berichts-Ankündi­gun­gen ein­er RBB-Repor­terin zu mut­maßlichen Gefan­genen­mis­shand­lun­gen Jus­tizmin­is­teri­um und Staat­san­waltschaft in Alarm­stim­mung. Rich­stein ist zur Getriebe­nen geworden. 

Auch alle Todes­fälle in der Jus­tizvol­lzugsanstalt (JVA) Bran­den­burg seit 1995 sollen jet­zt noch ein­mal aufgerollt wer­den, teilte Rich­stein dem Recht­sauss­chuss am Don­ner­stag mit. 20 an der Zahl. In zwölf Fällen habe es sich um eine natür­liche Todesur­sache gehan­delt, acht Mal um Selbstmord.
Hin­weise auf Fremd­ver­schulden gibt die Akten­lage nicht her. Rou­tinemäßig leit­et die Staat­san­waltschaft bei jedem Todes­fall in Haft ein Tode­ser­mit­tlungsver­fahren ein. Doch von einem verdächti­gen Todes­fall ist in
dem Bericht des ARD-Mag­a­zins “Kon­traste”, der am Abend aus­ges­trahlt wurde, gar nicht die Rede. Vielmehr wurde nun bun­desweit noch ein­mal aus­ges­trahlt, wovon die Autorin Gabi Prob­st vorige Woche schon in dem Mag­a­zin “Klar­text”
im Berlin-Bran­den­burg­er Ver­bre­itungs­ge­bi­et berichtet hat­te: Dass in der JVA Rol­lkom­man­dos mask­iert­er Wärter sys­tem­a­tisch ran­dalierende Gefan­gene mis­shan­del­ten und in akuten Not­fällen ärztliche Hil­fe ver­weigert wor­den sei. 

Vor dem Recht­sauss­chuss war es Rich­stein allerd­ings schon am Mon­tag gelun­gen, diese nun wieder­holten Vor­würfe zu entkräften. Die Exis­tenz von Rol­lkom­man­dos hat­te vor den Par­la­men­tari­ern auch der Vor­sitzende des
Gefäng­nis­beirates, Kuno Ragel, in Abrede gestellt. Ein­räu­men musste die Min­is­terin allein, dass einem herzkranken, in der Nacht vom 13. auf den 14. Jan­u­ar ran­dalieren­den Häftling ärztliche Hil­fe ver­weigert wor­den war. Der Recht­sauss­chuss ent­lastete Rich­stein am Mon­tag ein­hel­lig. Allerd­ings wirft
der PDS-Recht­sex­perte Ste­fan Sar­rach Rich­stein mit­tler­weile vor, dem Auss­chuss Infor­ma­tio­nen voren­thal­ten zu haben. Er hat Aktenein­sicht beantragt. “Bizarr” sei die Aufre­gung. “Die Affäre um den Strafvol­lzug scheint der Min­is­terin zu entgleiten.” 

Auch die SPD hat­te zunächst moniert, dass Rich­stein viel zu spät über den Fall informiert wor­den sei und den Auss­chuss nicht in Ken­nt­nis geset­zt habe. Zweifel an der Dien­stauf­sicht ste­hen im Raum. Schon im vorigen Jahr wurden
aus dem größten Gefäng­nis des Lan­des Skan­dale pub­lik. Die Führung der Vol­lzugsabteilung jedoch ist nach einem dreivier­tel Jahr ger­ade erst wieder kom­mis­sarisch beset­zt. Dass Wärter sich in Bran­den­burg bei Einsätzen
mask­ierten, hat­te Rich­stein erst durch den RRB-Beitrag erfahren — und die Stur­m­masken ver­boten. Am Don­ner­stag musste sie ein­räu­men, was sie zunächst bestrit­ten hat­te: Solche Masken gab es auch in den anderen Anstal­ten des
Lan­des. Sie seien aber nicht benutzt worden. 

Wie sehr die Min­is­terin trotz gegen­teiliger Behaup­tun­gen dem eige­nen Appa­rat mis­straut, zeigt sich in ihrer ersten Reak­tion auf den mut­maßlichen Skan­dal: Bere­its vorige Woche leit­ete sie gegen sieben Bedi­en­stete Diszi­pli­narver­fahren ein. Fünf wur­den vom Dienst sus­pendiert. Am Montag
löste sie den JVA-Leit­er ab. Die Staat­san­waltschaft ist angewiesen, alle seit 1994 von Häftlin­gen gegen Bedi­en­stete erstat­teten Anzeigen von einem einge­set­zten Son­der­prüfer noch ein­mal aufrol­len zu lassen. Auch in der Union
nehmen die Zweifel zu, ob die Min­is­terin dem Umgang mit der Affäre gewach­sen ist. 

Min­is­terin auf der Flucht nach vorn

Gefäng­nis-Skan­dal: Kri­tik an Richtstein

(MAZ, Igor Göld­ner) POTSDAM Viel Mit­ge­fühl mit der vom Gefäng­nis­skan­dal geplagten Jus­tizmin­is­terin Bar­bara Rich­stein (CDU) hat SPD-Urgestein Edwin Zimmermann
offen­bar nicht. “Jet­zt ist auch mal ein ander­er dran”, sagt er und grinst, als er gestern zufäl­lig dazu kam, wie Rich­stein im Land­tag von Jour­nal­is­ten und Kam­eras umlagert war. Rich­stein nahms mit Humor: “Ja, das hat Alwin
Ziel auch schon zu mir gesagt.” Bei­de Ex-Min­is­ter hat­ten vor Jahren ihre Affären: der eine die Back­ofen-Affäre, der andere den Fall Schmökel. 

Rich­stein ver­suchte sich gestern in der Flucht nach vorn. Recherchen des RBB
über mögliche neue Enthül­lun­gen hat­ten für Unruhe in der Jus­tiz geführt.
Hinzu kom­men jede Menge Ver­mu­tun­gen. Die Gerüchteküche brodelt. Also
informierte die Min­is­terin am Mor­gen den Recht­sauss­chuss des Landtags -
obgle­ich sie im Grunde gar nicht wusste, was ihr Neues vorge­wor­fen wird. 

Sie lis­tete die Todes­fälle in der Jus­tizvol­lzugsanstalt Brandenburg/Havel
seit 1995 auf. Danach star­ben in dieser Zeit 20 Gefan­gene — nach den
Ermit­tlun­gen der Staat­san­waltschaft ohne Fremdein­wirkung. Darunter sind acht
Suizide. Elf Gefan­gene star­ben eines natür­lichen Todes, ein Gefan­gener nach
Dro­gen­miss­brauch. Die Fälle sollen erneut über­prüft wer­den, kündigte
Rich­stein an. 

Die PDS sieht die hohe Zahl der Todes­fälle als “klärungs­bedürftig” an. Der
Abge­ord­nete Ste­fan Sar­rach bekräftigte gestern seine Forderung nach
Aktenein­sicht. Er will Ein­blick in die Anzeigen und Beschw­er­den von
Gefan­genen nehmen. Zu klären sei auch, seit wann das Min­is­teri­um und die
Min­is­terin von den unhalt­baren Zustän­den in der JVA wussten. 

Aus der SPD kamen gestern uner­wartet kri­tis­che Töne in Rich­tung Richstein.
Deren jet­zige “Betrieb­samkeit” — Rich­stein war nach eige­nen Angaben über die
ersten Vor­würfe gegen die JVA nicht informiert wor­den — zeige, dass das
Jus­tizmin­is­teri­um offen­bar nicht den “erforder­lichen Durch­blick” habe. Dem
Jus­tizmin­is­teri­um sei die Kon­trolle der Gefäng­nisse “in Teilen aus dem Ruder
gelaufen”, erk­lärte gestern der recht­spoli­tis­che Sprech­er der SPD-Fraktion,
Peter Muschal­la. Hier habe in der Ver­gan­gen­heit eine gewisse Laxheit
geherrscht, was Infor­ma­tion, Bericht­spflicht­en und Kon­trolle angehe.
Jus­tizmin­is­terin Rich­stein habe noch sehr viel Arbeit vor sich, damit der
Strafvol­lzug in Bran­den­burg aus den bun­des­deutschen Negativschlagzeilen
her­auskomme, fügte der SPD-Poli­tik­er hinzu.

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