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Die Kehrseite des Denkmals

Der Sprem­berg­er Haup­tauss­chuss hat gesprochen: Mit sieben Ja- zu drei
Nein­stim­men emp­fahl er am Mon­tag der Stadtverord­neten­ver­samm­lung die
“Erweiterung der Denkmal­san­lage unter­halb des Bis­mar­ck­turmes” nach einem
Vorschlag des Sprem­berg­er Geor­gen­bergvere­ins. Danach soll am Sock­el des
heuti­gen Denkmals für die Opfer des Faschis­mus nun auch eine Tafel für
namentlich aus­gewählte Opfer des Stal­in­is­mus ange­bracht wer­den, darunter
zwei Mit­glieder der NSDAP. Ihre Biogra­phien aber und die Hin­ter­gründe, warum
ger­ade diesen elf Men­schen ein ehren­des Gedenken zuteil wer­den soll, bleiben
bis­lang weit­ge­hend im Dunkeln. 

Egon Wochatz, der erste und langjährige Nach­wende-Bürg­er­meis­ter von
Sprem­berg, ist ein Mann, der auf preußis­che Tugen­den schwört. Beharrlichkeit
ist eine davon. Und so bringt er — den Sprem­berg­er Geor­gen­bergvere­in im
Rück­en, dessen Vor­sitzen­der er ist — seit 1998 immer wieder das eine Thema
auf den Tisch der Sprem­berg­er Stadtverord­neten und ihrer Auss­chüsse: die vom
Geor­gen­bergvere­in angestrebte Umgestal­tung des Gedenkkom­plex­es für die Opfer
des Faschis­mus auf dem Sprem­berg­er Georgenberg. 

Am Mon­tag scheint ihm der Durch­bruch gelun­gen zu sein. Die von ihm als
CDU-Abge­ord­neter einge­brachte Beschlussvor­lage fand eine zustimmende
Mehrheit bei den Vertretern der CDU-Frak­tion und der Frak­tion Spremberg-Land
/ Pro Sprem­berg /Brandschutz, zu der auch der SPD-Mann Har­ry Wag­n­er gehört.
Dage­gen stimmten die PDS-Abge­ord­neten Bir­git Wöllert und Elke Franke sowie
die Frak­tionsvor­sitzende der Vere­in­ten Sozial­ge­mein­schaft, Gudrun Geisler. 

In der drei­seit­i­gen Beschlussvor­lage ist nun allerd­ings kompromisshalber
nicht mehr von ein­er Umgestal­tung, son­dern von ein­er Erweiterung der
Denkmal­san­lage die Rede. Da die Denkmalschutzbe­hörde einen direkten
gestal­ter­ischen Ein­griff in das beste­hende Denkmal, das in den 50er Jahren
von Heinz Mamat mit dem poli­tis­chen Auf­trag mah­nen­den Gedenkens gestaltet
wor­den war, bere­its ein­mal abgelehnt hat, hofft Egon Wochatz nun mit einer
geschick­teren Wort­wahl die Genehmi­gung für ein im Grunde gle­ich­es Ziel zu
erreichen. 

An die Stütz­mauer zum Geor­gen­berg hin sollen fünf Tafeln ange­bracht werden,
die fol­gende Auf­schriften tra­gen: “Die Stadt Sprem­berg gedenkt aller Opfer
von Krieg und Gewalt im 20. Jahrhun­dert”, “Zum Gedenken an die Gefallenen
und Ver­mis­sten des 1. Weltkrieges”, “Zum Gedenken an die Gefal­l­enen und
Ver­mis­sten des 2. Weltkrieges”, “Zum Gedenken an die Opfer unter der
Zivil­bevölkerung”, “Zum Gedenken an die Flüchtlinge und Ver­triebe­nen, die
Heimat­land und Leben verloren”. 

Über diese Tafeln beste­ht mit­tler­weile ein parteiüber­greifend­er Konsens.
Nach wie vor auf Kri­tik, vor allem bei der PDS, stößt aber die Absicht des
Geor­gen­berg-Vere­ins, direkt am zen­tralen Denkmal für die Opfer des
Faschis­mus zusät­zlich eine Bronzetafel zur Erin­nerung an die Opfer des
Stal­in­is­mus anzubrin­gen. Stel­lvertre­tend für alle sollen hier auf der
Rück­seite des Denkmalssock­els elf Namen aufge­führt wer­den. Das sind eErnst
Tschick­ert, Hans Bertko, Paul Jerosch, Ger­hard Klausch, Johannes Kulke, Kurt
Leopold, Klaus Mold­en­hauer, Wern­er Moser, Adolf Niedrig, Karl-Heinz-Richter,
Eugen Wirth. Der Vere­in hat nach eige­nen Recherchen und Gesprächen mit
Zeitzeu­gen die Auswahl getrof­fen. Er will auch die Kosten für die Platte
(etwa 12 000 Euro) selb­st aufbringen. 

Auf Wider­stand der PDS stößt dabei zum einen der Ein­griff in ein Denkmal,
das heute aus­drück­lich (und auch hier namentlich) Men­schen gewid­met ist, die
Opfer des Naziter­rors gewor­den oder im aktiv­en Wider­stand gegen den
Nation­al­sozial­is­mus ums Leben gekom­men sind. Diese Men­schen, so Birgit
Wöllert, hät­ten die Alle­in­stel­lung ver­di­ent, weil sie zu den weni­gen gehört
hät­ten, die schon zeit­ig gegen Hitlers Dik­tatur einge­treten seien. Eine
Ver­men­gung mit ein­er anderen Opfer­gruppe sei schon wegen des
unver­gle­ich­baren Aus­maßes der nation­al­sozial­is­tis­chen Gewaltherrschaft
unangebracht. 

Zum anderen aber beun­ruhi­gen Bir­git Wöllert, Elke Franke und Gudrun Geisler
die zum Teil dürfti­gen Angaben zu jenen Namen, die nun zusät­zlich am Denkmal
verewigt wer­den sollen. “Ob einge­meißelt oder auf ein­er Bronzetafel”, warnt
Bir­git Wöllert, “wer sagt denn, dass nicht Opfer und Täter auf einem Denkmal
verewigt werden?” 

Diese Bauch­schmerzen hat sie nicht grund­los. Bere­its im Mai vorigen Jahres
war eine Namensliste für eine Gedenk­tafel für die Opfer des Stal­in­is­mus mit
gle­ich­er Mehrheit vom Haup­tauss­chuss abge­seg­net wor­den. Erst auf den Hinweis
der PDS hin wurde die Liste noch ein­mal über­prüft und tatsächlich
fest­gestellt, dass sich sich unter den elf Vorschlä­gen die Namen von vier
NSDAP-Mit­gliedern befanden. 

Inzwis­chen ist die Liste über­ar­beit­et. Zwei Mit­glieder der
Nation­al­sozial­is­ten­partei sind aber immer noch dabei. Egon Wochatz steht
dazu, dass auch diese bei­den — der Direk­tor des Trat­ten­dor­fer Kraftwerkes,
Kurt Leopold, und der damals noch sehr junge Kurt Mold­en­hauer — mit gutem
Recht zu den Opfern der stal­in­is­tis­chen Dik­tatur zu zählen seien und die
Ehre der Erin­nerung ver­di­en­ten. Allein die Zuge­hörigkeit zur NSDAP — hier
ver­weist Wochatz auch auf das Pots­damer Abkom­men — sei noch kein
Auss­chlussgrund für öffentlich­es Gedenken. 

In Sprem­berg sei der Anteil der nach dem Krieg vom sow­jetis­chen Militär
ver­hafteten Jugendlichen sehr groß, erin­nert Wochatz. Allein im Stadtteil
Kochs­dorf seien nach ein­er Denun­zierung durch eine junge Frau 19 Jugendliche
in NKWD-Lager ver­schleppt wor­den, von denen nur vier die Haftzeit
überlebten. 

Unter den elf Opfer­na­men befind­en sich auch drei von Mitar­beit­ern des
Kraftwerkes Trat­ten­dorf. Nicht nur Kurt Leopold, son­dern 25 Mitar­beit­er des
Kraftwerkes, die eigentlich nur recht bald nach dem Krieg die
Stromver­sorgung wieder aufrechter­hal­ten woll­ten, waren ver­haftet worden.
Ins­ge­samt, so Wochatz, gehe der Geor­gen­bergvere­in von etwa 200 Opfern des
Stal­in­is­mus im Altkreis Sprem­berg aus. 

Das bekan­nteste unter ihnen ist für Sprem­berg der Sozialdemokrat Ernst
Tschick­ert, der dem Nazi-Zuchthaus zwar entrin­nen kon­nte, auf­grund einer
Denun­zi­a­tion aber schließlich in ein NKWD-Lager ver­schleppt wurde und nicht
mehr wiederkehrte. Zu den Biografien der übri­gen zehn vorgeschlagenen
Per­so­n­en wollte Egon Wochatz sich am Mon­tag öffentlich nicht näher äußern -
mit Rück­sicht auf die heute noch leben­den Ange­höri­gen, denen man eine
etwaige Diskus­sion in der Presse ers­paren wolle. 

Im nichtöf­fentlichen Teil des Haup­tauss­chuss­es scheint man sich schließlich
doch darauf geeinigt zu haben, das Ein­ver­ständ­nis der Angehörigen
einzu­holen, um biografis­che Dat­en öffentlich zu machen. Darüber informierte
Wochatz gestern in einem Tele­fonat mit der RUNDSCHAU und ver­sicherte: “Wer
wie ich Gespräche mit Hin­terbliebe­nen und mit Insassen der elf Lager, die es
hier nach 1945 gegeben hat, geführt hat, der weiß, es gab auch dort Greuel
und Mis­shand­lung in einem nicht gekan­nten Ausmaß.” 

Die Sprem­berg­er Stadtverord­neten­ver­samm­lung entschei­det am 23. Feb­ru­ar zur
Erweiterung des Gedenkkomplexes. 

«Für NKWD-Opfer nicht den Katzentisch»

Eine Mehrheit will die Gedenkstätte für alle

Dass die heutige Gedenkstätte für die Opfer des Faschis­mus auf dem
Geor­gen­berg kün­ftig ein Ort des gle­ich­sam neu­tralen Gedenkens an alle Opfer
von Krieg und Gewaltherrschaft im 20. Jahrhun­dert wer­den soll, scheint
Kon­sens in Sprem­berg zu sein, auch von der PDS mitgetragen. 

Nun aber geht es auch darum, die Son­der­stel­lung jen­er zu rel­a­tivieren, die
im Wider­stand gegen die Nation­al­sozial­is­ten ermordet wor­den sind, und sie
mit den Opfern des frühen Nachkriegsstal­in­is­mus gle­ichzuset­zen. Dagegen
laufen die Sprem­berg­er die PDS Sturm, weil, obwo
hl bei­de mit Schrecken
behaftet, diese zwei dik­ta­torischen Sys­teme nicht miteinan­der zu vergleichen
sind. «Ich bitte Sie, in ein­er Zeit, wo Neon­azis wieder zu Hochform
auflaufen, in unser­er Stadt ein Zeichen zu set­zen, dass wir nicht das eine
mit dem anderen ver­men­gen» , appel­lierte die Spremberger
PDS-Frak­tionsvor­sitzende Bir­git Wöllert im Haup­tauss­chuss. «Dass der
Nation­al­sozial­is­mus ein sin­guläres Ereig­nis ist, das mit keinem anderen zu
ver­gle­ichen ist, das soll­ten wir 60 Jahre danach akzeptieren.» 

Es sei ihr im Übri­gen auch nicht wohl bei der Vorstel­lung, so Birgit
Wöllert, dass das Gedenken ein­er Stadt und ihrer Bürg­er davon abhängen
solle, welch­er Vere­in die Erin­nerungstafel bezahlt. In der
Haup­tauss­chuss-Sitzung hat­te immer­hin auch Bürg­er­meis­ter Dr. Klaus-Peter
Schulze (CDU) der Gedenkstät­ten­er­weiterung ohne Nach­fra­gen zugestimmt,
obwohl er, wie er später zugab, nähere biographis­che Dat­en zu den
vorgeschla­ge­nen Namen bish­er nicht ken­nt und weit­ere Infor­ma­tio­nen bis zur
Stadtverord­neten­ver­samm­lung erwartet. 

Frank-Michael Schober (CDU) set­zte sich am Mon­tag zum wieder­holten Male für
die Her­stel­lung eines Gle­ichgewichts an der Gedenkstätte ein. Man dürfe die
Opfer des Stal­in­is­mus nicht länger an den Katzen­tisch ver­ban­nen: «Ich kann
mir nicht vorstellen, dass auf der einen Seite Namen genan­nt wer­den, und auf
der anderen Seite Namen pein­lich ver­schwiegen wer­den. Das ist Feigheit.»
Schober erin­nerte an den Ursprung des Denkmals auf dem Geor­gen­berg, das
zunächst den Gefal­l­enen des Ersten Weltkrieges gewid­met gewe­sen war. In den
fün­fziger Jahren wurde es dann zum per­son­ifizierten Mah­n­mal für die Opfer
des Faschis­mus. Und auch hier, meint Schober, habe ein einseitiger
poli­tis­ch­er Blick Pate ges­tanden. Auf der Namensliste von damals seien zwar
Kom­mu­nis­ten und Sozialdemokrat­en, aber kein einziger jüdis­ch­er Mit­bürg­er aus
Sprem­berg erwähnt. 

Indessen find­et sich die Erin­nerung an jüdis­che Sprem­berg­er auch nicht auf
der Liste des Geor­gen­bergvere­ins. Man habe nach solchen gesucht, die
möglicher­weise später Opfer von Stal­ins Anti­semitismus gewor­den sein
kön­nten, aber keine Anhalt­spunk­te mehr gefunden. 

Der CDU-Frak­tionsvor­sitzende Hart­mut Höh­na erk­lärte, warum man in seiner
Frak­tion zur Auf­fas­sung gekom­men sei, dass der Vorschlag des Geor
gen­bergvere­ins ein tragfähiger Kom­pro­miss sei. Man habe sich gefragt, ob
eine solche Zusam­men­fas­sung von Opfer­grup­pen polar­isierend wirken könne. Das
Gegen­teil scheine aber der Fall: «Wenn ich Polar­isierung ver­hin­dern will,
darf ich nicht ver­schiedene Denkmäler haben wo man sich getren­nt trifft.» 

Erschla­gen, hin­gerichtet, spur­los verschollen

17 Namen sind in die Vorder­seite des Denkmals für die Opfer des Faschis­mus eingemeißelt

Zur Gedenkstätte für die Opfer des Faschis­mus war das Denkmal auf dem
Geor­gen­berg in den 50er Jahren vom Kün­stler Heinz Mamat umgestal­tet worden. 

Ein Bronz­ere­lief an der Stütz­mauer zeigt den «Lei­densweg von Antifaschisten»
in drei Sequen­zen, die die Häftlinge bei der Zwangsar­beit darstellen;
Häftlinge, die von ihren Auf­se­hern gefoltert und erhängt und von ihren
Mithäftlin­gen begraben wer­den, und Häftlinge, die ver­suchen, sich gegen ihre
Peiniger zur Wehr zu setzen. 

Die Skulp­tur «Stürzen­der» zeigt einen Men­schen, der im Fall ver­sucht, sich
aufzustützen. 

Die 17 Ange­höri­gen des Wider­standes, deren Namen in den Sock­el eingemeißelt
sind, waren: 

Albert Zim­mer­mann, KPD-Mit­glied, hin­gerichtet am 27. Novem­ber 1944; Paul
Thomas, SPD-Mit­glied, 1942 im KZ Sach­sen­hausen getötet; Ewald Borowitzki,
wegen «Verächtlich­machung» des Hit­ler­grußes ver­haftet, im Gefäng­nis Cottbus
ver­stor­ben; Alfred Balo, SPD-Mit­glied, von SA-Mit­gliedern am 11. März 1943
erschla­gen; Wal­ter Lehmann, in der Unter­suchung­shaft in Berlin-Moabit
ver­stor­ben; Michael Wal­ter, KPD-Mit­glied, 1942 im Zuchthaus Bremen
ver­stor­ben; Erich Block, Ange­höriger der Inter­na­tionalen Brigaden in
Spanien, im KZ Sach­sen­hausen ermordet; Rein­holdt Grein­er, KPD-Mit­glied und
eben­falls Spanienkämpfer, im KZ Mau­thausen ermordet; Gus­tav Schnei­der, als
Par­ti­san in der Tsche­choslowakei gefall­en; Richard Kühring, am 5. September
1941 im KZ Sach­sen­hausen ermordet; Alfred Scholz, 1928 von SA-Angehörigen
erschla­gen; Franz Lint­ner, am 19. Jan­u­ar 1940 im KZ Mau­thausen ermordet;
Josef Sper­lich, eben­falls in Mau­thausen ermordet; Max Keller, 1935 von der
SA ver­schleppt und ver­schollen; Mag­dale­na Richter (keine näheren Angaben);
Alfred Krüger, am 6. Okto­ber 1944 von einem Feldgericht erschossen; Fritz
Schulz, am 6. Feb­ru­ar 1945 im Zuchthaus Bran­den­burg hingerichtet.

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