In Brandenburg hat ein Kreisverband der NPD Lebewohl gesagt. Weil hunderte Kilometer entfernt ein junger Bosnier auf die Europaliste der Nationalistenpartei gerutscht war. Bei den Rechtsnationalen will jeder gern Führer sein
(TAZ, 9.2.) BERLIN taz Was hunderte Kilometer entfernt in ihrer Partei geschieht, ist
den NPDlern in der Prignitz nicht egal. Der Brandenburger Landesvorsitzende
der Nationaldemokraten, Mario Schulz, schaut jedenfalls voller Wut nach
Trier. Dort rutschte ein 22-jähriger Bosnier auf die Europaliste der
Rechtsnationalen. “Da sich die NPD offenbar vom Grundsatz Deutscher ist,
wer deutschen Blutes ist verabschiedet”, wetterte Schulz danach gegen seine
eigene Partei, “hat sie ihr Existenzrecht verloren.”
Schulzens eigener Kreisverband folgte seinem Anführer. Die NPD-Filiale
Prignitz-Ruppin hat sich wegen des Bosniers kurzerhand selbst aufgelöst. 22
von 24 Mitgliedern des NPD-Kreises fassten den Beschluss kürzlich. Damit ist
die Partei nicht nur Landeschef Schulz los — sie hat Konkurrenz bekommen.
Schulz nämlich gründete mit Getreuen eine “Bewegung für Nationale Ordnung”
(BNO). Bei den “Feinden unseres Volkes”, so Schulz, wolle er sich nicht
einreihen.
Dennoch wurde die Ausreihung nur verzögert durchgesetzt. Die NPD hatte sich
schon im Oktober 2003 auf dem Bundesparteitag entschieden, Safet Babic auf
Platz 21 der Europawahlliste zu nominieren. Der 22-jährige Bosnier studiert
Jura an der Universität Trier. Er ist schon seit Jahren in rechten Gruppen
und der NPD aktiv und schreibt für die Parteizeitung Deutsche Stimme. Der
NPD-Beschluss war kein Zufall. Der Vorstand wollte so die Öffnung der Partei
für Ausländer einleiten.
“Der Grund Babic ist vorgeschoben”, sagt NPD-Bundessprecher Klaus Beier. Er
war bisher stellvertretender Landeschef der Rechten und ist nun in die
Position von Schulz aufgestiegen. “Schulz wollte einfach seine eigene kleine
Sekte”, sagt Beier, “sein Parteidienst war schon länger schwach ausgeprägt.”
Die Nominierung des Bosniers auf die nach Nationalistengeschmack blutreine
Wahlliste verstärkt nur das Glaubwürdigkeitsproblem der NPD in der rechten
Szene. Der Verbotsantrag gegen die NPD ist zwar vor dem Verfassungsgericht
in Karlsruhe gescheitert. Aber “einer Partei, in der so viele V‑Leute sind,
vertraut niemand”, sagt der Rechtsextremismusforscher Henning Flad von der
Europauniversität “Viadrina” in Frankfurt (Oder). “Daraus ist ein beliebtes
Spielchen geworden. Wenn ein NPDler den anderen ausbooten möchte, sagte er
einfach, der sei ein V‑Mann.” Die Folgen: Die einst 6.100 Mann starke Partei
hat inzwischen noch 5.000 Mitglieder. Allein in Berlin traten 60
Nationaldemokraten aus, jetzt gibt es dort wie in Brandenburg noch 200
rechte Parteigänger.
Die NPD Brandenburgs weint ihrem Exchef Schulz und den an den BNO verlorenen
Kameraden angeblich keine Träne nach. Thomas Salomon, der Sprecher des
Landesverbands, nannte den Abgang als Klärungsprozess. Für “Schädelvermesser
und Blutkontrolleure” sei kein Platz in der NPD, sagte Salomon der taz.
Der Politologe Henning Flad glaubt, dass die Motive für die Prignitzer
Abspaltung von der NPD ganz andere sind. “Jedes Jahr spaltet sich bei der
NPD jemand ab”, sagt Flad, “weil im rechten Spektrum jeder gern der Anführer
sein möchte.”
Der Landesvorsitzende Klaus Beier sieht das ähnlich. “Unsere Partei wird im
März 40 Jahre alt”, erzählt er. In dieser Zeit habe die Partei ungefähr 180
Abspaltungen erlebt. Beier weiß auch, wie man das Problem behandeln muss -
durch Neuaufbau. Der regionale NPD-Chef will praktisch nicht mehr existente
Kreisverbände wie Prignitz-Ruppin und andere einfach wieder neu etablieren.