Ein Brandenburger Gericht verurteilt einen 27-Jährigen wegen versuchten Mordes. Er hatte Brandsätze auf einen türkischen Imbiss geschleudert
(WELT.de/dpa) Neuruppin — Fünf Monate nach dem ausländerfeindlichen Brandanschlag auf einen türkischen Imbiss in Hennigsdorf im Land Brandenburg ist ein 27-jähriger Rechtsextremist zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Der Mann ist des versuchten Mordes und versuchter schwerer Brandstiftung schuldig.
Dies erklärte der Vorsitzende Richter der ersten Strafkammer am Landgericht Neuruppin am Dienstag. Ein Motiv sei Ausländerfeindlichkeit gewesen. Der ehemalige Vorsitzende der rechtsextremen Kameradschaft Oberhavel, die später verboten wurde, hatte vor Gericht zugegeben, Brandsätze aus Rache auf den Imbiss geschleudert zu haben.
In dem Lokal hatten sich nach Erkenntnissen des Gerichts zur Tatzeit sechs Menschen aufgehalten. Ein Angestellter konnte die Tür des Lokals geschlossen halten – niemand wurde verletzt. Das Feuer breitete sich an der Fassade des Hauses aus und wurde dann gelöscht.
Angeklagter wollte sich rächen
Der gelernte Bürokaufmann hatte vor Gericht erklärt, er habe den Betreibern einen Denkzettel für vorherige Prügel verpassen wollen. Das sei unglaubwürdig, erklärte der Richter.
Der Verurteilte hatte das Lokal bereits Stunden vor der Tat aufgesucht und einen 48-jährigen Türken aufgefordert, eine Strafanzeige wegen Beleidigung gegen einen seiner Freunde zurückzuziehen. Kurz nach dieser Absprache kam es zu einer Schlägerei.
Die Polizei brachte den 27-Jährigen zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus. Anschließend fuhr er eigenen Angaben zufolge nach Berlin, um sich die Brandsätze zu besorgen.
Sechs Jahre haft für Karsten G.
Urteil im Hennigsdorfer Brandanschlag
NEURUPPIN Sichtlich geknickt nahm Karsten G. gestern das Urteil entgegen: Für den Brandanschlag auf den türkischen Imbiss in Hennigsdorf vom September 2003 mit zwei Molotow-Cocktails soll er sechs Jahre ins Gefängnis.
Damit folgte das Gericht der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage-Vertretung, die von einem versuchten Mord, versuchten schwerer Brandstiftung und einem Verstoß gegen das Waffengesetz ausgegangen waren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er nicht nur sauer auf den Imbissbesitzer A. wegen einer Niederlage in einer Schlägerei vom Nachmittag jenes Tages war. Zugleich habe der 27-Jährige auch seine Ausländerfeindlichkeit ausgelebt, die sich in der Abneigung gegen Türken zeige.
Brandanschlag – Verharmlosung verurteilt
Hennigsdorf: Bewusster Angriff auf Menschen mit „gemeingefährlichem Mittel“ und keine lasche Alkoholtat
NEURUPPIN/HENNIGSDORF Gegen die Verharmlosung der Tat vom 3.September durch Karsten G. in Hennigsdorf wandten sich gestern die Anklage- und die Nebenklagevertreter, die beide weiter auf versuchten Mord beharrten. Das Gericht folgte ihnen.
Die verharmlosende Darstellung der Tätigkeit „Kameradschaft Oberhavel“ sei ein Spiegelbild der politischen Ansichten des Angeklagten. Denn einen einfachen Denkzettel verpasse man einem türkischen Imbissarbeiter nicht mit Molotow-Cocktails. „Herr G. hat in Kauf genommen, dass Menschen sterben können“, so die Anwältin des Nebenklägers.
Ähnlich hatte zuvor die Staatsanwaltschaft plädiert. Die Flammen hätten den dort beschäftigten Y. erfassen können, der die Tür von innen zuhielt, als er die nahende Gefahr durch G. erkannte – der immerhin vom Streit am Nachmittag bekannt war. Das klare Ziel der Tat war gewesen, das Bistro in Brand zu setzen. Ein Molotow-Cocktail sei als „gemeingefährliches Mittel“ einzuschätzen.
Die Angaben des Angeklagten, er habe sowohl von der Hintertür gewusst als auch von dem Sicherheitsglas im Imbiss, sah die Anklage als wiederlegt an. Denn in dem abgehörten Telefongespräch gab er an, nichts von dem Doppelglas gewusst zu haben, das den Brandsätzen standgehalten hatte. Die Anklage sah es als gegeben an, dass G. eine abneigung gegen Ausländer habe – in seinen Schriften für die „Kameradschaft Oberhavel“ habe er dies bekundet.
Der Verteidiger Peter Stöckicht spielte die Sache herunter. Er meinte, dass es sich um „eine törichte, eine dumme Tat“ handle. G. habe damit rechnen müssen, erkannt und verfolgt zu werden. „Dümmer kann man es gar nicht anfangen“, wollte er G. als unterbelichtet in jener Stunde hinstellen. Er sah außerdem wegen des konsumierten Alkohols durchaus eine verminderte Schuldfähigkeit gegeben.
Das Gericht schätzte jedoch ein, dass G. „der Neonazi-Szene zuzurechnen ist“. Der Antrieb zur Tat stehe „auf niedrigster Stufe“ und müsse entsprechend geahndet werden. Die Absicht, das Bistro in Brand zu setzen und „Menschen durch unkontrolliertes Feuer an Leib und Leben zu verletzten“, sah die Kammer als gegeben an.
Sieben Tage haben die Beteiligten nun Zeit gegen das Urteil in Revision zu gehen.