Die Polizei im Visier
NEURUPPIN Weil mindestens ein Polizeibeamter am Sonnabend bei der großen Demonstration in Neuruppin gegen den Naziaufmarsch mit Reizgas mehrere Demonstranten verletzt hat, ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft. “Uns liegen sechs Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt vor”, sagte gestern Gerd Schnittcher, Leitender Oberstaatsanwaltschaft. Im Mittelpunkt der Ermittlungen stehe die Frage, ob der Einsatz des Pfeffersprays gerechtfertigt gewesen sei, so Schnittcher.
Polizeichef Dieter Kahler, der am Sonnabend den Einsatz der 200 Polizisten geleitet hatte, übergab dem Staatsanwalt zudem Videobänder von den Demonstrationen und dem Polizeieinsatz. Die Aufnahmen hatten Beamte gemacht. Die Staatsanwaltschaft will in zwei bis drei Wochen klären, ob der Reizgaseinsatz notwendig war. Eine konkrete Order dafür gab es von Polizeichef Kahler nicht, hieß es gestern. Allerdings ist eine extra Anweisung auch nicht nötig. Laut Polizeigesetz kann jeder Polizist selbst entscheiden, wann er ein “polizeiliches Hilfsmittel wie Handschellen, Schlagstock oder Reizgas” einsetzt. “Jeder Kollege hat diese Hilfsmittel dabei”, sagte Polizeisprecher Olaf Pokorny.
Indes wächst die Kritik am harten Vorgehen der Polizei. “Ich erwarte, dass die Umstände des völlig überzogenen Einsatzes aufgeklärt werden”, betonte Kirsten Tackmann. Die Bundestagsabgeordnete (Die Linke) aus Tornow war durch das Reizgas an den Augen verletzt worden (die MAZ berichtete). Laut Tackmann hatte ein Beamter “unmotiviert und wahllos” mit Reizgas in die Demonstranten gesprüht. “Es gab keine Bedrohung für die Polizei.” Die Abgeordnete kritisierte zudem, dass die Polizei nicht gegen vermummte Neonazis vorgegangen sei – trotz Hinweisen.
Auch in der Bevölkerung stößt der harte Einsatz gegen die Gegendemonstranten auf Unverständnis “Es kann doch nicht sein, dass die Bevölkerung Dresche kriegt, wenn sie gegen Neonazis demonstriert”, sagte Carelo Pfefferlein. Der 52-Jährige hat gesehen, wie Beamte einen älteren Mann in den Schwitzkasten genommen und einen Jugendlichen geschlagen haben.