In dem Artikel „Sturm 27 macht weiter“ der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 25. November 2005 behauptet die Leiterein des Polizeischutzbereiches, Cerstin Petersen – Schäfer, das „mit Blick auf die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken im Westhavelland (…) der linken Szene die Hauptverantwortung“ zu zuweisen ist. „Provokationen, die zu Gruppenauseinandersetzungen führten, gebe es eher von links als von rechts“ so die Schutzbereichsleiterein weiter.
Diese Behauptung, ist nach unserer Beobachtung deutlich zurückzuweisen. Seit geraumer Zeit nehmen wir eine Gruppierung jugendlicher Rechtsextremisten aus Rathenow und Premnitz war, die seit Anfang 2005 versucht sich in der festen rechtsextremen Szene zu profilieren. Als vorläufiger Höhepunkt muss diesbezüglich der versuchte Brandanschlag auf den Jugendclub Premnitz im Juni gesehen werden, der im letzten Moment vereitelt wurde.
Schnell machte sich auch hier das Gerücht breit, dass es sich bei der Aktion um einen von „Linken“ provozierten Racheakt für eine zu Ungunsten von Premnitzer Rechtsextremisten verlaufende Schlägerei im Nachbardorf Milow handelte. Die Initiative ging jedoch, nach unserer Recherche, auch bei dieser Auseinandersetzung von Rechts aus. Da ein Großteil der Jungnazis vermutlich noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten ist und sich bei ihrer ersten angezettelten Schlägerei sogleich heftig die Finger verbrannten wird offenbar automatisch als negativ für die beteiligten Linksorientierten ausgelegt.
Gleiches gilt übrigens auch für das von Petersen – Schäfer genannten Beispiel Stadtfest. Da zieht eine 15 köpfige Jungnazitruppe, verbotene Naziparolen grölend, „zufällig“ an einer Gruppe von 50 Linksorientierten vorbei und die Reaktion in dieser Situation – unserer Beobachtung zufolge in erster Linie „Nazis raus“ Rufe – wird von der Polizei als Provokation empfunden, wogegen die Blockade einer angemeldeten und gerichtlich abgesegneten (Nazi)demonstration im November 2005 als „Tag der Demokraten“ gefeiert wird.
Verkehrte Welt offenbar auch bei den jüngsten Zwischenfällen im Rathenower Stadtzentrum. An drei Wochenende Anfang November suchten kleinere Gruppen von Jungnazis immer wieder die Treffpunkte junger Linksorientierter auf um dann mit „Sieg Heil“ Rufen und Flaschenwürfen eine Großauseinandersetzung zu provozieren. Setzten sich dann die Linksorientierten zu Wehr hatte das in der Regel zwei Konsequenzen.
Erstens mobilisierten die Jungnazis einschlägige Rechtsextremisten aus der verbotenen Kameradschaft „Sturm 27“ sowie dem NPD Ortsverband Rathenow um ihre Unterlegenheit auszugleichen und zweitens erhöhte die Polizei die Repressalien gegen Linksorientierte, weil diese ja als vermeintliche Provokateure angesehen werden.
Als besonders Ärgerlich ist in erster Linie letzter Punkt zu werten, weil er bei den jungen Leuten ein Misstrauen in den Staat und seine Institutionen bewirkt, dass sie im Endeffekt wieder selber trifft. So kommt es häufig vor das nach rechten Übergriffen oder dem Skandieren von Naziparolen keine Anzeigen mehr erstattet werden.
Das es auch anders geht, zeigen die polizeilichen Verbote der beiden Kameradschaften „Hauptvolk“ und „Sturm 27“, die ohne die konkrete Recherchearbeit von AntifaschistInnen vor Ort so nicht möglich wären. Auch die jüngste Polizeiaktion gegen Mitglieder des verbotenen „Sturm 27“ zum so genannten „Heldengedenktag“ kann auf die jahrelange antifaschistische Beobachtung zu diesem Anlass zurückgeführt werden.