Die Potsdamer Antifaschistin Julia S. ist am Donnerstag aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Ein bestehender Haftbefehl gegen die 21jährige wurde gegen Meldeauflagen ausgesetzt. Dreimal pro Woche muß sich Julia S. nun zukünftig bei der Potsdamer Polizei melden.
Die junge Frau hatte bereits seit dem 20. Juni dieses Jahres in der Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben in Untersuchungshaft eingesessen. Polizei und Justiz werfen ihr vor, in der Nacht zum 19. Juni gemeinsam mit drei weiteren Linken an einer Auseinandersetzung mit dem stadtbekannten Neonazi Benjamin Ö. in Potsdam beteiligt gewesen zu sein (jW berichtete). Weil im Rahmen der Tätlichkeiten auch ein Teleskopschlagstock durch die Linken zum Einsatz gekommen sein soll, hatte die Potsdamer Polizei die Antifaschisten aufgrund des Verdachtes des »gemeinschaftlichen versuchten Mordes« festgenommen. Dies, obwohl der Neonazi einzig eine Platz- und einige Schürfwunden im Rahmen der Auseinandersetzung davontrug. Von den insgesamt vier beschuldigten Antifaschisten blieb nur Julia S. in Untersuchungshaft, da sie als einzige Beteiligte zum Zeitpunkt der Tat volljährig war.
Die Inhaftierung der 21jährigen hatte unterdessen bundesweit für Aufsehen gesorgt. Diverse Gruppen und Personen hatten sich für die umgehende Freilassung von Julia S. engagiert, darunter auch der Brandenburger Flüchtlingsrat, verschiedene Potsdamer Hochschulprofessoren und der Filmemacher Rosa von Praunheim.
Bereits einige Monaten vor der Auseinandersetzung war es in der brandenburgischen Landeshauptstadt vermehrt zu Übergriffen von Neonazis auf Antifaschisten gekommen. Die Polizei habe jedoch einzig gegen die Opfer und nie gegen die aus der organisierten Neonaziszene stammenden Täter ermittelt, lautet der Vorwurf von linken Aktivisten an die Justiz. Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres war es im Raum Potsdam zu knapp 20 Übergriffen von gewalttätigen Neonazis gekommen, wie eine Chronologie neofaschistischer Übergriffe der Gruppe »Jugend engagiert in Potsdam« (www.jep-ev.de) belegt.
Wie Steffen Sauer, Rechtsanwalt von Julia S., gegenüber junge Welt mitteilte, wird der Prozeß gegen die Antifaschisten wahrscheinlich im April vor dem Landgericht Potsdam beginnen.