(LR, 10.7.) Im November 1938 erschoss ein 17-jähriger Jude einen Nazidiplomaten in
Paris, um sich wegen der Behandlung seiner Angehörigen in Deutschland zu
rächen. Die Nazis benutzten dies als Anlass, in der «Kristallnacht» vom 9.
auf den 10. November 1938 Juden heimzusuchen.
Auch in Senftenberg wurden jüdische Bürger misshandelt, getötet, ausgeraubt
und verschleppt. Eines der prominenten Opfer war Dr. Rudolf Martin
Reyersbach.
Der hochangesehene jüdische Notar und Rechtsanwalt war als hilfsbereit
bekannt, vertrat mittellose Arbeiter, ohne Honorar zu nehmen. Er hatte einen
großen Kundenkreis und ein gutes Verhältnis zu den Bürgern. In der
Kristallnacht vernahm Reyersbach ein stürmisches Klingeln an seiner Tür. Im
Morgenmantel öffnete er die Tür. SS- und SA-Männer packten den 41-Jährigen,
warfen ihn die Treppe hinunter, schleiften ihn durch die Bahnhofstraße zum
Markt, wo sie auf ihn eintraten. Reyersbach starb auf der Polizeiwache.
Eine Augenzeugin erzählt: «Ich werde diesen Anblick nie vergessen. Herr
Reyersbach sah aus wie in Blut gebadet» .
Frau Rosenzweig erinnert sich: «Ich denke oft an den schwärzesten Tag meines
Lebens. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. SA- und SS-Leute waren
betrunken. Sie durften morden und plündern. Sie legten Feuer im
Textilgeschäft von Natan Klein. Seiner Nichte legten sie johlend eine
Drahtschlinge um den Hals und zogen sie mit dem Auto bis auf den Markt. Dann
holten sie Dr. Reyersbach. Ich warnte ihn zwei Tage vorher. Er solle
abreisen. Er sagte mir, man könne ihm nichts anhaben.
Seine Tochter Astrid Zöllner besuchte die Hindenburg-Schule. Die 13-Jährige
wurde bespuckt, mit Steinen beworfen. Sie musste die Schule verlassen, weil
sie Halbjüdin war.
Die Horden machten nicht Halt vor einem schwer kranken Menschen, trieben ihn
mit Fußtritten zum Markt, in Oranienburg verstarb er an den Folgen.
Familie Markus hatte man das Schuhgeschäft geplündert. Auf dem Markt unter
dem Kandelaber musste Herr Markus auf den Knien tanzen und singen. Die
70-jährige Frau Singermann zogen die Nazis in einem Handwagen durch die
Stadt, den sie laufend umwarfen, unter Schlägen musste sie wieder
hineinkriechen.
In den schwarzen Baracken in der Forststraße wurden jüdische Menschen
untergebracht, nur mit Lumpen durften sie sich zudecken. In den Baracken
wimmelte es von Ungeziefer. Andere ältere jüdische Bürger wurden in das
Wildschweingehege des Tierparks eingesperrt, einige sind, wie Saul
Rosenzweig, in das KZ Buchenwald verschleppt worden.»