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Die Russen sind da”

Kienitz — Ohne den Panz­er wäre Kienitz ein ganz gewöhn­lich­es Dorf im Oder­bruch. Eine Haupt­straße, auf­fal­l­end viele ver­fal­l­ene Gehöfte und längst aufgegebene Häuser, wenige her­aus­geputzte Eigen­heime, eine schlichte Kirche, Reste ein­er einst alles bes­tim­menden LPG und die oblig­a­torischen fün­fgeschos­si­gen Neubaut­en in der Dorfmitte. 

Die Mieter in den Blöck­en schauen genau auf den Panz­er. Der Koloss vom sow­jetis­chen Typ “T 34” erin­nert an ein entschei­den­des Ereig­nis, das sich heute, am 31. Jan­u­ar 2005, zum 60. Mal jährt: der erste Brück­enkopf der Roten Armee am west­lichen Oderufer und die Ein­nahme von Kienitz. 

Wie Ein­wohn­er später berichteten, kam der Vorstoß eines Vorauskom­man­dos der sow­jetis­chen Trup­pen völig über­raschend. Die eigentliche Front ver­lief damals noch einige Hun­dert Kilo­me­ter östlich der Oder. Deshalb trafen die Sol­dat­en bei der Über­querung des vereis­ten Flusses auch auf keinen Wider­stand. Erst die aus Kienitz im Laufe des Tages geflüchteten Ein­wohn­er bracht­en die Nachricht ins Oder­bruch: “Die Russen sind da.” 

Der Panz­er in der Straße der Befreiung weist kein­er­lei Kampf­spuren auf. “Der ist noch fahrbere­it”, ver­sichert ein Anwohn­er, der von seinem hin­ter dem “T‑34” liegen­den Haus die frem­den Besuch­er beobachtet. “Treib­stoff rein und ab geht“s vom Sock­el.” Vom Alter her kön­nte der Mann zu den Augen­zeu­gen der Schlacht­en gehören. Doch er teilte das Schick­sal viel­er Bewohn­er des Oder­bruchs. Seine Fam­i­lie wurde erst nach Kriegsende aus Pom­mern ver­trieben. Am Oderufer warteten sie auf eine Rück­kehr in ihre Heimat. Doch dazu kam es nicht. Er blieb in Kienitz. 

Der Sock­el des Panz­ers trägt eine Inschrift aus DDR-Zeit­en: “31. Jan­u­ar 1945 – KIENITZ. Erster vom Faschis­mus befre­it­er Ort auf unserem Staats­ge­bi­et. Ruhm und Ehre den Kämpfern der 5. Stoßarmee und der 2. Garde­panz­er­armee”. Hier find­et mor­gen eine Kranznieder­legung statt. 

Vor 60 Jahren herrscht­en bis zu 25 Grad minus. Der Schnee lag einen hal­ben Meter hoch. Doch es lag nicht am Wet­ter, dass die Rote Armee ihren entschei­den­den Vorstoß auf das 80 Kilo­me­ter ent­fer­nte Berlin erst Mitte April startete. Aufk­lärung erhält der Besuch­er des Muse­ums in der Gedenkstätte Seelow­er Höhen. Hier ist doku­men­tiert, wie dem Kien­itzer Brück­enkopf rasch weit­ere Übergänge über den heuti­gen Gren­zfluss folgten. 

Anfang März befand sich das Oder­vor­land bis auf einen schmalen Kor­ri­dor vor der Stadt Küstrin unter Kon­trolle der sow­jetis­chen und pol­nis­chen Ein­heit­en. Die Wehrma­cht ver­suchte zwar ver­bis­sen, die Oderde­iche zurück­zuer­obern, doch die meis­ten Ver­suche scheit­erten. Tausende deutsche Sol­dat­en ver­loren ihr Leben. Allein bei der Vertei­di­gung des zur Fes­tung erk­lärten Küstrin wur­den rund 2000 Vertei­di­ger getötet. Die Stadt fiel am 29. März an die Rote Armee. 

In den frühen Mor­gen­stun­den des 16. April begann die entschei­dende Schlacht um die Seelow­er Höhen. Dabei han­delt es sich um einen rund 40 Meter hohen Höhen­zug, von dem aus das ganze Oder­bruch überblickt wer­den kann. Hier hat­ten sich die deutschen Trup­pen strate­gisch gün­stig fest­ge­set­zt. Doch seit dem Kien­itzer Brück­enkopf hat­ten die sow­jetis­chen Ver­bände eine riesige Über­ma­cht vor den Seelow­er Höhen zusam­menge­zo­gen: 900 000 Sol­dat­en, 3000 Panz­er, 18 000 Geschütze und 4000 Flugzeuge. Die 9. Deutsche Armee bestand aus 130 000 Mann. Auf den Seelow­er Höhen star­ben 33 000 sow­jetis­che, 5000 pol­nis­che und 12 000 deutsche Sol­dat­en. Nach drei Tagen gewann der sow­jetis­che Marschall Shukow die Schlacht. Der Weg nach Berlin war frei.

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