In Potsdam leben mehr als 6500 Menschen aus aller Welt: Sie sind Studenten, Ehepartner, Kinder, Firmengründer und Flüchtlinge. Zum 1. Januar 2005 trat das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft. Was sich für die Menschen mit der neuen Gesetzgebung verändert, dazu befragten die PNN Brigitte Löwning, Leiterin der Ausländerbehörde, und Magdolna Grasnick, Ausländerbeauftragte der Stadt.
Das neue Gesetz bietet für einen Teil der ausländischen Mitbürger bessere Chancen zur Integration.
Grasnick: Viele haben erwartet, dass sich Deutschland mit der neuen Gesetzgebung als Zuwanderungsland erklärt und ähnlich wie andere Zuwanderungsländer Menschen nach bestimmten Kriterien hereinlässt. So ist es zwar nicht geworden. Doch ein Anfang ist gemacht.
Löwning: Beispielsweise können sich nun ausländische Studenten direkt im Anschluss an ihre Ausbildung eine Arbeit suchen. Früher mussten sie erst noch einmal in die Heimat zurück. Nun kann ein Aufenthaltswechsel ohne großen Aufwand durchgeführt werden. Auch für hoch qualifizierte Menschen und Selbstständige ist das neue Gesetz gut. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, erhalten sie sofort eine Niederlassungserlaubnis.
Eine Voraussetzung für ein offizielles Leben in Deutschland, das neben den Studenten und Selbstständigen auch Migranten oder Familien von Spätaussiedlern anstreben, sind gute Deutschkenntnisse. In der Vergangenheit gab es entsprechende Angebote. Mit dem neuen Gesetz wurden die Deutschkurs-Stunden von 900 auf 600 gekürzt und jeder Teilnehmer muss jetzt pro Stunde einen Euro selbst bezahlen.
Grasnick: Im Gesetz ist verankert, dass der Ausländer einen gewissen Anfang zur Integration hat, das ist neu. 600 Stunden Sprachkurs sind nicht viel. Allerdings dürfen pro Woche nur 25 Stunden gegeben werden. Vorher waren es 40 und das war oft uneffektiv.
Die Behörde verpflichtet die ausländischen Menschen zur Teilnahme an diesen Kursen.
Löwning: Wer nach einer bestimmten Anzahl von Jahren, die für die jeweiligen Personenkreise unterschiedlich ist, die Niederlassung beantragen möchte, muss ausreichende Sprachkenntnisse vorweisen. Wenn jemand den Deutschkurs mit ‚Sehr Gut” besteht, kann er die Einbürgerung ein Jahr früher beantragen, beispielsweise bei den jüdischen Migranten würde sich die Zeit von acht auf sieben Jahre verkürzen.
Die Kurse werden nicht nur neu ankommenden Menschen gewährt. Künftig können alle Ausländer sie besuchen.
Löwning: Zumindest, wenn es genügend Plätze gibt. Antragsformulare erhalten sie bei uns in der Ausländerbehörde oder bei Frau Grasnick. Wer die finanziellen Mittel für die Eigenbeteiligung nicht hat, kann Zuschüsse beantragen.
Welche Perspektiven bringt das neue Zuwanderungsgesetz für die Flüchtlinge und Asylsuchende, die teilweise über sechs, gar zehn Jahre hier leben?
Löwning: Keine. Eigentlich ist es so, dass wenn das Asylverfahren beendet ist, die Menschen ausreisepflichtig sind. Eine Duldung wird aus tatsächlichen Gründen erteilt, wenn zum Beispiel kein Pass vorhanden ist oder es ein Rückübernahmeabkommen wie mit Vietnam gibt, wo das Verfahren manchmal bis zu zwei Jahren dauert.
Die Idee von Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl ist es, lange in Deutschland lebenden Menschen mit einem Bleiberecht eine Perspektive zu geben. Doch das sieht das neue Zuwanderungsgesetz offensichtlich nicht vor?
Löwning: Dass dieser Personenkreis in einen anderen Titel hereinrutscht und somit seinen Status festigt, ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Es gibt lediglich die Möglichkeit eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, um die ständige Verlängerung von Duldungen auszuschließen. Dafür muss genau geprüft werden, ob der Ausländer selbstständig in der Lage ist auszureisen oder woran liegt es, dass er das nicht kann. In der Regel könnte man bei dem Personenkreis, der derzeit in Potsdam lebt sagen, dass er ausreisen kann, wenn er wollte.
Welche Personengruppe betrifft das?
Löwning: Die Ausreiseverpflichtung besteht grundsätzlich. Egal, ob die Menschen aus einem afrikanischen Land, Vietnam oder dem Kosovo kommen.
Gibt es derzeit in Potsdam Menschen, die von der akuten Abschiebung bedroht sind?
Löwning: Nein. Es sind bei einigen Menschen noch Verfahren anhängig. Doch wir versuchen so auf die Menschen einzuwirken, dass sie freiwillig zurückkehren. Mit einer Abschiebung verbauen sie sich außerdem die Möglichkeit nach Deutschland zurückzukehren, um ihre Freunde und Verwandte zu besuchen.
Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz gibt es die Möglichkeit eine Härtefallkommission einzusetzen, um über Einzelschicksale noch einmal unabhängig vom Gesetzgeber und auf einer humanitären Ebene zu beraten. Wer darf in Potsdam Fälle empfehlen?
Grasnick: Künftig wird es wohl so sein, dass die Betroffenen von den Flüchtlingsberatungsstellen an die Personen, die im Gremium vertreten sind, weitergeleitet werden. In Potsdam wäre das die Ausländerbeauftragte des Landes, Almuth Berger – allerdings hat sie in der Kommission keine Stimme – und ein Mitglied des Flüchtlingsrates Brandenburg.
In das Gesetz wurden neue Kriterien für die Anerkennung als Flüchtling aufgenommen. So kann die Bundesrepublik nun Menschen Schutz gewähren, die verfolgt wurden, weil sie einer sozialen Gruppe angehören, beispielsweise den Roma, oder aus geschlechtsspezifischen Gründen wie der Beschneidung der Frau. Ist es für Schutzsuchende, deren Asylantrag abgelehnt wurde, auf Grund der neuen Gesetzgebung möglich, die Anerkennung als Flüchtling zu beantragen?
Löwning: Jeder hat das Recht einen neuen Antrag zu stellen. Letztendlich entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ob Asyl gewährt wird oder nicht.
Grasnick: Allerdings ist auf die Frist zu achten. Drei Monate nach Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung ist eine Neubeantragung möglich.
Derzeit gehen rund sechs Prozent der in Potsdam lebenden Asylsuchenden und geduldeten Menschen arbeiten.
Grasnick: Die Arbeitssuche war für diesen Personenkreis schwer, da bei einer Bewerbung auf einen Arbeitsplatz zunächst Deutsche und EU-Bürger das Vorrecht auf einen Arbeitsplatz hatten. Nun wird die Situation noch schwerer, bedingt durch die Arbeitsmarktreform Hartz IV. Arbeitnehmer werden kaum noch eine Tätigkeit ablehnen.
Anders sieht es für die jüdischen Migranten aus.
Grasnick: Ich habe die Hoffnung, dass sich durch Hartz IV die Situation für diesen Personenkreis verbessert. Menschen, die hier noch kein Jahr gearbeitet und keine Arbeitslosenversicherung gehabt haben, hatten bisher keine Möglichkeit, mit Hilfe des Arbeitsamtes gefördert zu werden. Nun ist es so, dass diejenigen, die drei Stunden am Tag arbeiten können, als erwerbsfähig gelten und für sie die Pflicht besteht, in den Arbeitsprozess zu kommen. Hartz IV nimmt Ausländer relevante Themen auf, beispielsweise die Sprachförderung. Ich hoffe, dass beispielsweise eine erfolgreiche Teilnahme am Deutschkurs den Menschen eine Arbeitsaufnahme erleichtert. Außerdem wäre es wünschenswert, dass sich im Bereich der mitgebrachten Berufspraxis und deren Anerkennung etwas tun.
Das Gespräch führte Ulrike Strube.