Kontroverse Diskussionen löste der Dokumentarfilm “No Exit” am Freitagabend bei seinem bundesweiten Kinostart im Ufa-Palast aus. Regisseurin Franziska Tenner hatte von Ende 2001 bis Ende 2002 die rechtsextreme “Freie Kameradschaft Frankfurt (Oder)” mit der Kamera beobachtet. Die mehr als 250 Premierenbesucher begleiteten die Vorstellung mit lautem Gelächter und konfrontierten die Regisseurin bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit kritischen Fragen. Hauptvorwürfe: Der Film sei flach, führe die Jugendlichen
vor und verharmlose damit das Problem Rechtsextremismus.
Was erwartet man als “normaler” Zuschauer von einem Dokumentarfilm über rechtsextreme Jugendliche? Der Streifen muss Entsetzen auslösen, muss betroffen machen und man muss sich nach dem Anschauen fragen: Wer hat Schuld und wie konnte es bloß soweit kommen? Und vor allem muss politisch korrekt die “schreckliche Fratze des Faschismus” schonungslos bloßgestellt werden.
Zugegeben, das alles klingt sehr überspitzt. Frei nach dem Motto: “Weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf.” Und der Film “No Exit” (zu deutsch: “Kein Ausgang”), der bereits Ende vergangenen Jahres in der Europa-Universität gezeigt und diskutiert worden war, will auch gar nicht
kommentieren. Doch dass das Kino-Publikum sich köstlich amüsiert in der Vorstellung, herzlich lacht über die Mitglieder der “Freien Kameradschaft Frankfurt (Oder)”, über deren Unfähigkeit, sich zu artikulieren und zur
Schau gestellte scheinbare geistige Defizite, war wohl mit Sicherheit nicht die Reaktion, die sich das Filmteam erhofft hatte. Der Rechtsextremismus — eine Lachnummer unserer Gesellschaft?
Und dabei waren die Frankfurter Zuschauer offenbar noch zurückhaltend. “Mich hat die Reaktion gewundert”, sagte ein Gast während der Diskussion, “in Berlin hat das Publikum regelrecht gefeiert.” Bei den wöchentlichen Polit-Schulungen etwa, die Kameradschafts-Chef Nico Schiemann jede Woche in seiner Wohnung abhält. Das Muster kommt einem bekannt vor: Einer liest das vorgedruckte Material vor, die anderen hören gelangweilt zu und irgendwann nörgelt einer: “Nu hör doch mal uff mit die NPD-Scheiße.”
Gelacht wurde auch über Vater Schiemann, der sich damit abgefunden hat, “dass Nico ein kleiner Nazi ist” und mault: “Der Klimperheini, singt von seiner Heimat. Son Quatsch, der is in Frankfurt jeborn und singt von
Schlesien, da is der doch noch nie jewesen!” Und als Nico den Bewohnern des Seniorenheims Gubener Straße mit schiefem Gesang und Gitarre erzählt von den toten Soldaten, die in der Heiligen Nacht die Wacht verlassen, sollte einem
das Lachen eigentlich im Halse stecken bleiben. Oder was ist lustig daran, dass Schiemann sich am Telefon mit “Heile” verabschiedet?
“Das alles ist traurig, aber die sind einfach nur blöd”, fasste eine junge Frau nach der Vorstellung ihre Gedanken zusammen. “Warum haben Sie ausgerechnet diese fünf hilflosen Würstchen begleit hat, warum nicht die richtigen Nazis?”, hakte einer ihrer Begleiter nach. “Politisch ist der Film doch eine Lachnummer, der zeigt doch nicht den wirklichen Rechtsextremismus.” Man habe keinesfalls einen politischen Film drehen wollen, entgegnete Regisseurin Franziska Tenner. “Wir haben einfach zugehört, ohne dass wir uns positionieren mussten.”
Der Film sei “sehr flach, ich habe mir mehr versprochen”, betonte ein Besucher, der nach eigener Aussage als Sozialarbeiter mit rechten Jugendlichen arbeitet. “Schon der Titel zeigt nach hinten: Kein Ausgang, und das wars. Mir fehlen die Perspektiven.” Sie sei Regisseurin und keine
Politikerin, verteidigte sich Franziska Tenner. “Ich will Zustände beschreiben und sie der Öffentlichkeit nahe bringen, damit eine Diskussion entsteht.” Dafür, so ergänzte Produzentin Cooky Ziesche vom RBB, wolle man
den Film zur Vorführung auch an die Schulen bringen.
Peter Staffa, Lehrer am Friedrichsgymnasium, brachte die Kritik auf den Punkt: “Ich mache der Regisseurin zwei Vorwürfe. Die Jugendlichen werden regelrecht vorgeführt, werden lächerlich gemacht. Und damit wird das Problem
Rechtsextremismus verharmlost”, sagte er gegenüber dem Stadtboten. Da ging die Diskussion längst im Foyer vor dem Kinosaal weiter. “Ich wollte ihnen nie ihre Würde nehmen”, reagierte Franziska Tenner auf gleich lautende Bemerkungen. “Sie selbst empfinden ihre geistige Verarmung gar nicht — auch nicht, wenn sie es selbst im Film sehen.”