(Inforiot) Im folgenden der zweite Teil der Recherche des Angermünder Vereins Pfeffer und Salz zu den rechtsextremen Strukturen in der Uckermark. Wie im ersten Teil gezeigt wurde, besteht eine enge Verbindung der Uckermärker rechten Szene zu den Attentatsplanern von München.
Wie sehr Geschichte eine Region prägen kann, haben wir bei unseren Recherchetouren im Norden der Uckermark spüren können. Noch einmal haben wir uns in den letzten Tagen auf den Weg gemacht, um den Spuren der geplanten Terroranschläge von München in die Uckermark zu folgen.
Um es kurz zu sagen: Wir sind fündig geworden!
Mit unserem 2. Recherchebericht wollen wir diese Spuren darstellen, aber auch nach Ursachen forschen und die Situation in einer Region darstellen, die nicht zufällig zum Ausgangspunkt für rechten Terror geworden ist.
Als erstes sind uns die vielen Geschichten aufgefallen, die Bezüge zu den heutigen Ereignissen aufweisen. Da ist die Erinnerung daran, dass Brüssow eines der ersten Sturmlokale der SA hatte, da wissen heute noch Viele, dass der hoch dekorierte Feldmarschall August von Mackensen, im ersten Weltkrieg auch als „Serbenschlächter“ bekannt geworden, 1935 von Göring und Hitler persönlich das Rittergut Brüssow übertragen bekommen hat, da sieht man noch überall die Spuren einer der letzten Frontlinien des 2. Weltkrieges quer durch die Region Brüssow, Menkin, Löcknitz, da kennt jeder die alte Munitionsfabrik (MUNA) in Löcknitz.
Es hat uns daher weder verwundert zu hören, dass es in Brüssow schon in DDR- Zeiten eine rechtsextreme Gruppierung gab, noch, dass das Sammeln von Munition, Sprengstoff, Waffen und anderen Militariadingen quasi zum Volkssport gehört. Die Geschichte von dem Jugendlichen, der mit Motorrad und einem alten Wehrmachtshelm auf dem Kopf durch die Dörfer gerast ist und dabei von alten Leuten mit dem hochgerissenen rechten Arm gegrüßt wurde, ist fast schon lustig, wenn sie nicht so sinnbildlich wäre.
Zum Zweiten bleibt mit aller Deutlichkeit festzustellen, dass die gesamte Region schon seit langer Zeit einen Schwerpunkt rechtsextremer Aktivitäten darstellt. Den Ausführungen im ersten Recherchebericht ist inzwischen Einiges anzufügen. So sollte der personelle und strukturelle Bezug nach Schwedt nicht außer Acht gelassen werden. Marcel K. zum Beispiel hat in Schwedt gelernt und hat dort seine Sozialisation zum Rechtsextremisten erfahren. Die Schwedter Szene war bei Konzerten und Veranstaltungen immer präsent. Wie schon vermutet, hält sich die Szene nicht im Geringsten an Ländergrenzen. Seit vielen Jahren gibt es grenzüberschreitende Kontakte. Stefan Z. kommt eigentlich aus Löcknitz, grenznahe Orte wie Penkun, Sommerfeld oder Fahrenwalde (alles M/ V) sind Zentren rechtsextremer Aktivitäten und Gesinnung. Die Kontakte nach Eggesin, Ückermünde, Pasewalk und eben Anklam sind seit langer Zeit bekannt. Bei Konzerten, Dorffesten, Demonstrationen und Wehrsportübungen agieren Nazis aus beiden Ländern gemeinsam, schon früher und noch heute. Erst am letzten Wochenende (20.09.2003) war in Pasewalk anlässlich einer Leistungsschau von Unternehmen große NDR- Party- und Treffpunkt der rechtsextremen Szene aus Brüssow, Menkin, Wallmow, Prenzlau (alles Brandenburg) und Anklam, Ückermünde, Löcknitz und Pasewalk (M/ V). Und als im Januar 2003 (siehe ersten Recherchebericht) ein Nazis aus Klockow (Brandenburg) Durst und Hass verspürte, überfiel er mit seinen Kameraden aus Viereck, Fahrenwalde und Anklam (alles M/ V) den örtlichen und als eher „links“ bekannten Jugendklub. Der Weg in den Norden ist auch heute noch aufschlussreich. Ganz Brüssow ist mit R. Hess- Aufklebern gepflastert und in der Bushaltestelle genau vor dem Gasthof in Menkin prangen zwei Aufkleber rechtsextremen Inhalts mit Postfachadresse in Wolgast.
Die inzwischen bekannten, konkreten Bezüge zwischen Martin Wiese, den Hauptverdächtigen Wahlmünchner aus Anklam und den drei Männern aus der Uckermark sind deshalb überhaupt nicht zufällig. Andreas J. (Menkin) und Wiese kannten sich schon seit 1997. Die großen Konzerte und Feiern am 20. April zum Hitlergeburtstag und aus Anlass des Hess- Todestages im August führten beide im Gasthof „An der Chaussee“ zusammen. Eigentlich sind nur noch die Teilnehmerzahlen unklar. Die Region Menkin- Wollschow war jedenfalls dicht mit Autos und gut von der Polizei abgeriegelt.
Nachdem Wiese vor drei Jahren nach München ging, sind die Kontakte offensichtlich nicht abgerissen. Anfang Mai 2003 jedenfalls war er wieder mal in Menkin- sein Freund J. wurde 37. Bei der lauten und allseits bekannten Party traf er auch die beiden anderen Gesinnungsgenossen: Stefan Z. und Marcel K. — beide bekannte Rechtsextremisten der Region, beteiligt an Überfällen auf Linke und Jugendeinrichtungen, Letzterer auch NPD-Mitglied. Die sollten den Sprengstoff besorgen.
Dass Wiese damit die Richtigen beauftragt hatte, ist ebenfalls kein Zufall. Das Sammeln von Sprengstoff und Munition ist kaum irgendwo in Deutschland so leicht und normal wie in dieser Region. Die Quellen sind schier unerschöpflich: Die alten Kampflinien der letzten Schlacht, die Truppenübungsplätze der Region bis Eggesin, der Schwarzmarkt in Polen und nicht zu vergessen, die alte Munitionsfabrik der Wehrmacht und Staatsreserve der DDR in Löcknitz. Es ist Alltagswissen, dass sich da viele Leute da bedient haben- auch Nazis. Diese prahlten schon vor Jahren mit ihren Besitztümern. Marcel K. hat seine Leidenschaft schon mit 16 eine Hand gekostet und die Polizei hat gegen ihn und andere Rechte ermittelt. Das Wissen über Fundplätze und Methoden der Freilegung von TNT aus Granaten wird wohl von Generation zu Generation weiter gegeben. Die Alten lernen die neuen (Nazis) an, so unsere Gesprächspartner.
Die Grenzregion zwischen Brandenburg und Mecklenburg/ Vorpommern ist für die rechtsextreme Szene ein nahezu idealer Raum. Die Polizei beider Länder hat niemals richtig eingegriffen. Der Brandenburger Polizei waren die Konzerte, die Sprengstoffsuche, die Strukturen und auch die Namen sehr wohl bekannt- ohne Konsequenzen oder Öffentlichkeit. Irgendeine Form zivilgesellschaftlichen Engagements sucht man dort vergeblich. Stattdessen findet man Eltern, die nichts wissen oder alles dulden, Gaststättenbesitzer, die ihre Räume zur Verfügung stellen und Lokalpolitiker, die alles tolerieren. „Das mit dem Terror könne man nun aber nicht mehr tolerieren“ meinte der Ortsbürgermeister von Menkin- Wollschow jüngst. Übersetzt heißt das schlicht, Nazikonzerte, rechtsextreme Gesinnungen und das Sammeln von Waffen wurden die ganze Zeit toleriert. Nur das mit dem Terror geht wohl doch ein wenig zu weit. Dorf- und Stadtfeste sind seit Jahr und Tag beliebte Treff- und Partyorte der rechtsextremen Szene, ohne, dass sich daran irgendwer störte. Potentielle Opfer bleiben diesen sowieso fern: Ausländer gibt es so gut wie nicht, die wenigen nicht- rechten Jugendlichen wissen genau, wo sie sich lieber nicht aufhalten- zum Beispiel nicht beim Parkfest in Brüssow, nicht beim Schützenfest in Löcknitz oder nicht beim Pflaumenfest in Trampe. Das die lokalen Zeitungen noch nie über diese Situation berichtet haben, ist dann kaum noch hervorzuheben.
Nun war das Attentatsziel von Wiese und Kameraden ein geplantes jüdisches Gemeindehaus. Juden gibt es in der Region, wo sie herkommen, schon lange nicht mehr. „Die Juden rühren sich wieder“ meinte Wiese zu seinen Sprengstoffexperten aus der Uckermark als Begründung für seinen Plan.
Vielleicht sind wir da wieder in der Geschichte und bei August
von Mackensen. Der war nämlich bekannt für seine extrem antijüdische Einstellung.
Recherchegruppe Pfeffer & SalZ Angermünde