Die Frage nach der künftigen Nutzung des der Sowjetarmee über Jahrzehnte als Bombenabwurfplatz dienenden Militärareals in der Kyritz-Ruppiner Heide in Nordbrandenburg wird nun auch den Bundestag beschäftigen. Am heutigen Donnerstag befaßt sich das Parlament in erster Lesung mit einem Gruppenantrag von 65 Abgeordneten der SPD- und der Grünen-Fraktion. Sie fordern darin, »auf einen künftigen Luft/Boden-Schießplatz Wittstock zu verzichten und eine zivile Nutzung der Liegenschaft zu ermöglichen«. Volle Unterstützung hat auch die PDS signalisiert. Mit einer Entscheidung per Parlamentsbeschluß ist nicht vor Juli zu rechnen. Auf den Antrag richten sich weitreichende Hoffnungen der an den Schießplatzgrenzen liegenden Gemeinden, zahlreicher Bürgerinitiativen und Umweltgruppen, daß ihren jahrelangen Protesten und dem vor diversen Gerichten ausgefochtenen Kampf für eine »freie Heide« ohne Militär mit einer politischen Lösung endlich Rechnung getragen wird.
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Andernfalls drohe ein bis möglicherweise ins nächste Jahrzehnt reichender Rechtsstreit zwischen den klagenden Parteien und der Bundeswehr mit offenem Ausgang, warnte Rechtsanwalt Remo Klinger im Gespräch mit jW, der die Gemeinden Rossow und Schweinrich gemeinsam mit Reiner Geulen vor Gericht vertritt.
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Erste Schritte, das 144 Quadratkilometer große Areal im Herzen der Kyritz-Ruppiner Heide einer zivilen Nutzung zuzuführen, wurden bereits 1990 unternommen. Nach ausdrücklicher Ermutigung der Bundeswehr begann die ansässige Bevölkerung nach Abzug der russischen Armee die Umgebung touristisch zu erschließen und ein Wegenetz zu konzipieren. Die Bestrebungen fanden 1993 ein jähes Ende, als sich die Hardthöhe das Gelände auf Beschluß des Bundesvermögensamtes zur weiteren militärischen Nutzung unter den Nagel riß. Nach den Plänen der Bundeswehr sollten hier jährlich bis zu 3000 Übungsflüge, auch im Tiefflug, absolviert werden.
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In der Folge entbrannte ein jahrelanger Rechtsstreit, dessen vorläufigen Höhepunkt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000 markierte. Darin wurde der Bundeswehr die militärische Nutzung des Geländes vorerst bis zur Vorlage eines konkreten Planungskonzepts untersagt. Wer nun geglaubt hatte, die Militärs ließen sich von einer höchstrichterlichen Entscheidung beeindrucken, sah sich getäuscht. Das Urteil wurde ignoriert, das Areal auch weiterhin wie ein Truppenübungsplatz geführt und ausgeschildert. Selbst Übungsflüge fanden weiterhin statt.
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Was die Bundeswehr mit dem Gelände vorhat, bleibt im dunkeln. Eine entsprechende »dünne Akte«, die Rechtsanwalt Klinger in die Hände gelangte, reiche seiner Meinung nach nicht einmal dazu aus, »eine Garage genehmigen zu lassen«. Überdies brandmarkte er Versuche der Bundeswehr, das vom Bundesverwaltungsgericht verlangte Planungs- und Anhörungsverfahren als »Propagandaveranstaltung« zu mißbrauchen. In dem am 25. Januar ausgelaufenen Anhörungsverfahren seien zudem diverse Vertreter der direkt an das Gelände angrenzenden Gemeinden nicht angehört worden, kritisierte Klinger Bundeswehrpraktiken. Sinn und Zweck eines Truppenübungsplatzes Wittstock stellt auch der auf Initiative des Grünen-Abgeordneten Winfried Nachtwei ins Parlament eingebrachte Gruppenantrag in Frage. Angesichts der im Rahmen der Bundeswehrreform »geplanten Reduzierung der Luftangriffsverbände der Bundeswehr um 20 Prozent (…), kann auf einen Luft/Boden-Schießplatz Wittstock verzichtet werden, ohne daß dadurch die Einsatzbereitschaft der Luftwaffe geschmälert würde«, heißt es in dem Antrag. Am Mittwoch stellte der Abgeordnete gegenüber jW erneut die »sicherheitspolitische Notwendigkeit« dieses Übungsplatzes in Frage. Es sei ein Gebot politischer Klugheit, sich von dem Areal endlich zu verabschieden. Er frage sich allerdings, ob diese Klugheit im Verteidigungsministerium regiere.