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Die Vergangenheit wach halten

(REINHARD BUTZEK; MAZ) LUDWIGSFELDE “Wie standen Sie zu Adolf Hitler?” — “Er war für uns eine untadelige Fig­ur, er war der Größte, ein­fach unnah­bar. Für uns machte er keine Fehler. Wir fin­gen erst an zu denken, als uns die Bomben auf den Kopf fie­len. Da gab es erste kri­tis­che Stim­men”, erzählte Man­fred Leopold (70). Die Fra­gen woll­ten an diesem Dien­stagabend im Marie-Curie-Gym­na­si­um von Lud­wigs­felde kein Ende nehmen. Geschicht­slehrerin Irene Ahrens hat­te zu einem Gespräch mit Zeitzeu­gen geladen, das sich dank der Offen­heit und Unverkrampftheit zu ein­er hochin­ter­es­san­ten Runde entwickelte. 

Die Vor­sitzende des Lud­wigs­felder Geschichtsvere­ins Vera Gärt­ner (70) war mit Man­fred Leopold gekom­men, außer­dem erschienen Gün­ter Gehrmann (77) und Albert Wun­der­lich (82). Dazu Schüler der 10. und 11. Klasse des Gym­na­si­ums — aber auch Schüler ander­er Schulen. Primär ging es darum, Ereignisse während und nach dem Krieg aufzuhellen, sich bericht­en zu lassen, wie es damals war. 

“Hier sitzen 17-Jährige, dort 70-Jährige. Was tren­nt sie: die Kriegs- und Nachkriegser­leb­nisse. Lasst uns darüber reden”, so die ein­lei­t­en­den Worte von Lehrerin Irene Ahrens. Nach ein­er kurzen Ein­führung durch die Schüler stellte jed­er der vier älteren Lud­wigs­felder Erleb­nisse und Ein­drücke von damals dar. Die waren zutief­st unter­schiedlich, alters­be­d­ingt, aber auch auf Grund der Schick­sale und Weltan­schau­un­gen völ­lig abweichend. 

Die Schüler indes druck­sten nicht lange herum, son­dern stell­ten Fra­gen über Fra­gen. Und viele blieben noch lange nach dem offiziellen Schluss ste­hen, um weit­eres zu erfahren. Dabei ging es den Schülern zwar auch um The­men wie: “Wie lief der Kriegsall­t­ag ab”. Vor allem aber ging es um Hal­tun­gen, um Anschau­un­gen, wie die dama­li­gen Gen­er­a­tio­nen zur Entwick­lung der Nation­al­sozial­is­ten oder zum aus­brechen­den Zweit­en Weltkrieg standen. 

“Es gibt nicht nur ein Schwarz und Weiß, es gibt sehr viele Grautöne”, betonte Gün­ter Gehrmann. Albert Wun­der­lich hob den Fin­ger: “Ich warne davor, die dama­lige Zeit mit dem Wis­sen von heute zu ver­gle­ichen und zu urteilen”. 

“Natür­lich woll­ten wir damals siegen, bis zum Schluss. Wir hat­ten doch noch die Wun­der­waffe”, sagte Gün­ter Gehrmann. Dann berichtete er von einem trüb­seli­gen Wei­h­nachts­fest, bei dem kein Geld in der Fam­i­lienkasse war und es kein­er­lei Geschenke geben kon­nte. Doch da klopfte es an die Tür und ein prall­ge­fülltes Paket mit Süßigkeit­en vom Bäck­er­meis­ter wurde abgegeben. Von den Nazis organ­isiert. Wen wundert′s da, dass alle mit­zo­gen. “Die Stim­mung war für Hitler”, sprach Man­fred Leopold nicht lange drum herum. 

Von der Angst vor den Russen wurde erzählt, wie es war, als sie in Lud­wigs­felde ein­rück­ten, von Verge­wal­ti­gun­gen auch, eben­so von Geschenken, vom Hunger, vom Typhus oder von heim­lich­er Hil­fe für Zwangsar­beit­er­frauen. Die Vielschichtigkeit der Geschichte, der Ereignisse und Geschehnisse kam zum Vorschein. Ein Zeitraum von Anfang der 30er bis weit in die 50er Jahre wurde beleuchtet. 

“Die Zeit jet­zt und hier reicht wirk­lich nicht, um über ein ganzes Men­schen­leben zu bericht­en”, resümierte Gün­ter Gehrmann. Albert Wun­der­lich gab den Jugendlichen mit auf den Weg: “Ich halte es mit dem Bun­de­spräsi­den­ten, der da jet­zt sagte, unter die Geschichte darf kein Schlussstrich gezo­gen wer­den. Die Ver­gan­gen­heit muss lebendig bleiben. Wir unter­stützten euch. Aber zuständig für das Wach­hal­ten seid ihr.”

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