Infoabend
Referent: Michael Sturm, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig
Organisation: Utopia e.V.
Datum: 02.10.2005
Uhrzeit: 20 Uhr
Mit der Geschichte wurde schon immer Politik gemacht. Während die „alte“
Bundesrepublik ihre Distanz zur NS-Vergangenheit im Verschweigen und der Integration
der Täter suchte, spielte die rot-grüne Geschichtspolitik seit 1998 auf einer
anderen Klaviatur: Gerade weil man aus der Geschichte gelernt und diese
aufgearbeitet habe, müsse Deutschland nun wieder “Verantwortung“ in der Welt
übernehmen. So diente im Frühjahr 1999 der Verweis auf Auschwitz zur Legitimation
des Kosovo-Krieges. Die angeblich erfolgreich vollzogene „Vergangenheitsbewältigung“
avanciert zu einem der zentralen Referenzpunkte für das neue deutsche
Selbstbewusstsein. Diese Entwicklung spiegelte sich nicht zuletzt in den offiziellen
erinnerungs- und geschichtspolitischen Inszenierungen im Kontext des 8. Mai wider.
Daneben gewinnen seit einigen Jahren Diskurse an Bedeutung, die die Deutschen zu den
eigentlichen Opfern des Zweiten Weltkrieges stilisieren. Ob im Bombenkrieg oder
durch Flucht und Vertreibung: gelitten haben auch – und vor allem – die Deutschen,
so lautet die Botschaft zahlloser Publikationen, Fernsehdokumentationen und
Politikerreden.
Der Vortrag zieht zum einen eine kritische Bilanz der geschichtspolitischen Umbrüche
der vergangenen Jahre. Zum anderen sollen mögliche Entwicklungslinien künftiger
Erinnerungskulturen skizziert werden.