NEURUPPIN Der Landkreis hat die Abschiebung der kurdischen Familie Kutlu, die seit 1996 mit ihren vier Söhnen in Neuruppin lebt, vorerst ausgesetzt. Landrat Christian Gilde folgt damit einer Bitte des Potsdamer Verwaltungsgerichtes. Dort liegt ein Eilantrag des Anwaltes der Familie Kutlu vor. Anwalt Rolf Stahmann verweist darauf, dass der Kreis einen Paragrafen des Aufenthaltsgesetzes falsch auslegt.
Das glaubt Landrat Gilde zwar nicht. Doch räumte der Verwaltungschef gestern bei einer Kundgebung vor der Ausländerbehörde erstmals ein, dass durchaus unterschiedliche Interpretationen der Paragrafen möglich seien. “Das Gesetz gilt erst seit Januar und es gibt noch keinerlei Rechtssprechung dazu”, sagte Gilde zu den rund 100 Demonstranten. Diese hatten sich gegen 14 Uhr mit Transparenten, Trillerpfeifen und lautstarker Musik von der Fußgängerzone in der Karl-Marx-Straße aus auf den Weg zur Ausländerbehörde gemacht. Zu den Demonstranten gehörten sowohl Familienvater Celal Kutlu und sein Sohn Muhittin (20) als auch Marlies Grunst, Ausländerbeauftragte des Kreises. Grunst wertete die Demonstration als “gutes Zeichen für Neuruppin”. Die Neuruppiner CDU-Frau Rosswieta Funk ging noch einen Schritt weiter und forderte vom Kreis eine “Entscheidung mit Herz”.
“Bei öffentlichem Interesse kann eine Abschiebung ausgesetzt werden”, sagte Peter Lenz. Der private Arbeitsvermittler und CDU-Mann verwies auf die 2600 Unterschriften, die bereits gegen die Abschiebung der Familie gesammelt wurden. Das seien knapp zehn Prozent der Neuruppiner Bevölkerung. “Die Familie arbeitet, ist fleißig, die Kinder gehen zur Schule. Wir sollten es uns leisten können, Flüchtlinge aufzunehmen”, stimmte Dorothea Schorisch (78) zu und griff ebenfalls zum Stift. Schorisch weiß, wovon sie redet. “Ich komme aus Danzig und bin auch eine Hergezogene.” Nur dass das bereits gut 50 Jahre zurückliegt.
“Ich würde alles machen, um eine Ausbildung zu bekommen”, betonte Muhittin Kutlu. Der zweitälteste Sohn der Kutlus, der gern Maler oder Lackierer werden würde, sieht aber kaum eine Chance für sich. “Wer bildet jemanden aus, der womöglich bald abgeschoben wird?”
Unzufrieden war ebenfalls Ronny Kretschmar vom überparteilichen Unterstützerkreis. “Der Landrat versteckt sich hinter dem Gericht. Dabei hätte er den Entscheidungsspielraum, das Bleiberecht der Familie Kutlu aus humanitären Gründen zu verlängern.”