Scham beim Einkaufen, Untätigkeit in den sogenannten Sammelunterkünften und Angst vor rechtsradikalen Übergriffen — so schildern Flüchtlinge in dem Dokumentarfilm “Leben in der Fremde” ihren Alltag. Obwohl die Videogruppe Colour den Film in Mecklenburg-Vorpommern drehte, lässt er sich nach Meinung der Initiative für Begegnung auf die Brandenburgischen Verhältnisse übertragen. Daher stellte sie ihn am Mittwochabend einer Podiumsdiskussion im Filmmuseum voran, in deren Mittelpunkt das auch in Brandenburg herrschende Sachleistungsprinzip stand. Danach erhalten Asylbewerber zum Einkauf von Lebensmitteln Gutscheine statt Bargeld.
“Eine diskriminierende Behandlung”, findet Juliane Lang von der Volkinitiative zur Überwindung des Sachleistungsprinzips. Die Initiative hat eine Unterschriftenliste angeregt, mit der eine Änderung der landesgesetzlich vorgeschriebenen Gutscheinvergabe gefordert wird. Gründe hierfür gebe es genug: Da Wechselgeld nur bis zu einem bestimmten Betrag ausbezahlt würde, müsste jeder Einkauf genau geplant werden. Spontaneinkäufe sind so gut wie nicht möglich, da nur bestimmte Geschäfte die Gutscheine akzeptieren. Die Sonderbehandlung an den Kasse sei zudem nicht gerade integrationsfördernd.
Beate Blechinger, Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag, nahm in der Podiumsdiskussion einen anderen Standpunkt ein: “Es ist nicht menschenunwürdig, Sachleistungen zu erhalten”. Sie hält das Prinzip für geeignet, den wirtschaftlichen Anreiz einer Flucht nach Deutschland zu mindern. Annette Flade, Ausländerseelsorgerin der evangelischen Kirche, konnte diesen Aspekt nicht nachvollziehen: “Ich habe jeden Tag mit diesen Menschen zu tun und kann es emotional nicht mehr aushalten, wie ihnen immer wieder Leid zugefügt wird.” Durch die lange Verfahrensdauer bei Klagen gegen abgelehnte Asylbescheide müssten die Betroffenen zudem jahrelang mit Gutscheinen leben.
Die Stadtverordnetenversammlung hat sich längst gegen das Sachleistungsprinzip entschieden. Sollte es nicht allzu viel Aufwand machen, werden die Unterschriftenzettel der Volksinitiative daher demnächst im Bürgerservice der Stadtverwaltung ausliegen, so der amtierende Oberbürgermeister Jann Jakobs.