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Antifaschismus

Dissziplin: Rap für die Volksgemeinschaft

Der deutsche Rap­per Dis­szi­plin ist selb­sterk­lärter Patri­ot Deutsch­lands. Er will das Land vor dem “Volk­stod” und “Knebelung” durch die Medi­en und das böse Geld bewahren. Ein Nazi sei er nicht, beteuert er immer wieder. Sein 2012 erschienenes Album “Volksmusik” spricht eine andere Sprache. Seine Lieder gel­ten als Hymenen der “Iden­titären” — auch für Organ­i­sa­tio­nen wie die “Spreelichter” macht sich Dis­szi­plin mit solchen Zeilen anschlussfähig:

 

Die Ver­gan­gen­heit ist nur eine Fack­el im Wind.
Die langsam erlis­cht, doch bald neu erleuchtet
.” (Ich bin Deutsch­land)

 

Ich bin kein Nazi, nur ein Deutsch­er mit Identität“ — 

Dis­szi­plin: Rap für die Volksgemeinschaft

 

Der Cot­tbuser Ben Arnold ist unter dem Namen Dis­szi­plin seit vie­len Jahren in der deutschen Rapp­szene bekan­nt und aktiv. Der gebür­tige Cot­tbuser ist mit sein­er Gruppe Ost­mob und Tracks wie „Patri­ot“ oder „Plat­ten­baut­en“ vielle­icht eini­gen Hip-Hop-Intere­sierten noch ein Begriff. Unter dem Namen Dis­szi­plin veröf­fentlichte er 2007 sein erstes Soloal­bum „Plat­ten­baut­en“. Auf diesem Album geht es – wie schon bei Ost­mob – vor allem darum, Ost­deutsch­land aufzuw­erten: „Ost­deutsch­land mein Stolz, du wirst niemals unterge­hen“ (Patri­ot, 2006). Wie der Song „Patri­ot“ selb­st benen­nt, wird auf diesem ersten Album Dis­szi­plins der (ost)deutsche Patri­o­tismus hem­mungs­los gefeiert. Es geht ihm darum, einen ost­deutschen Stolz (wieder) zu entwick­eln, wieder Ehre und Liebe für seine Heimat empfind­en zu dür­fen. Patri­o­tismus sei, so Ben Arnold selb­st, keineswegs rechts oder hätte gar was mit „Nazi-Sein“ zu tun. Dass Patri­o­tismus jedoch den frucht­baren Nährbo­den für bes­timmte Ide­olo­gien bildet, spart er aus in seinem Narrativ.

 

Einen ein­fachen Vor­wurf, er sei ein Nazi, kon­nte er bish­er immer wenig begrün­det zurück­weisen. Wird er nach der recht­en Ten­denz sein­er Texte gefragt, ver­fahren seine Antworten meist nach dem Modus, alle Deutschen wür­den doch so denken, wür­den gern wieder deutsche Fah­nen schwin­gen, die Hymne lau­thals grölen. Er sei ja nur der­jenige, der das ausspreche und als Sprachrohr fungiere: „Ich bin die Stimme die erklingt wenn das Volk trauert“ (Ich bin Deutsch­land, 2009). Das eine solche Stimme aber nie ein­fach nur wiedergibt, was sie meint im „Volk“ zu hören, son­dern auch per­for­ma­tiv, das heißt in prak­tis­ch­er Tätigkeit Stim­mungen, Mei­n­un­gen und Tat­en pro­duziert und plan­mäßig an der Ver­bre­itung dieser Mei­n­un­gen mitar­beit­et, ist Ben Arnold sich­er klar. Dass seine Songs, selb­st diejeni­gen, die sich ver­meintlich nur um den „Stolz des Ostens“ küm­merten, jedoch von Anfang an nation­al­is­tisch („Ich liebe das Land auch wenn andere es has­sen“), patri­o­tisch (der Preuße­nadler als sein Sym­bol), mil­litäraf­fin („Adler steige hoch der Admi­ral ist unter dir. Salu­tiert der Machtwech­sel ist nun passiert“), geschichtsver­drossen („Scheiß auf dein Hak­enkreuz. Ich bin die Jugend von heute“) und anti-amerikanis­tisch („Ich bin Europäer, mein Kon­ti­nent. Du siehst aus wie ein Ami, das ist kein Kom­pli­ment“) sind, lässt sich unter keinen Umstän­den leug­nen. Die Texte hat er geschrieben, ger­appt und in ein­er Art in seinen Videos insze­niert, die – auch wenn er selb­st nicht wüsste was er da eigentlich tut – nicht ohne Grund ein Unbe­ha­gen bei all jenen her­vor­rufen, die bedin­gungslose Liebe zum soge­nan­nten Vater­land, vor allem in Deutsch­land, nicht vertret­bar finden.

 

Während sich die ersten Songs von Dis­szi­plin beson­ders auf den Kult Ost­deutsch­lands beschränk­ten, erweit­erte sich seine Per­spek­tive spätestens mit dem zweit­en Album „Platz an der Sonne“ (2009) auf ganz Deutsch­land, bzw. auf einen Kult der deutschen Volks­ge­mein­schaft. Mit dem drit­ten Album „Volksmusik“ (2012) und der Sin­gle „Ich bin Deutsch­land (2009), wurde Dis­szi­plin auch in die Com­mu­ni­ty ehe­ma­liger „Aggro-Berlin“-Rapper aufgenom­men. Die Inter­net­plat­tform „AggroTV“ brachte mehrere sein­er Songs bei youtube her­aus. Zu der Crew von Aggro Berlin zählten unter anderem Rap­per wie Sido, Bushi­do, Fler, B‑Tigh und Tony D, die alle­samt weniger für cle­vere Punch­lines bekan­nt sind, als vielmehr für ihren reak­tionären „Arsch-Fick-Ganstar-Rap“. Der Rap­per Fler, in dessen Nach­folge die Autor*innen von rap.de Dis­szi­plin verorten wür­den1, sorgte nicht zulet­zt mit einem abge­wan­del­ten Hitler Zitat in Frak­turschrift („Am 1.Mai wird zurück­gschossen“2) für Aufmerk­samkeit. Da hil­ft es auch nichts, wenn Dis­szi­plins Man­ag­er Sven meint, Dis­szi­plin sei nicht rechts, weil er (der Sven) wäre ja selb­st in der Antifa gewe­sen. Abge­se­hen davon, dass sich poli­tis­che Hal­tun­gen auch ändern kön­nen (das promi­nen­teste Beispiel Horst Malh­lers zeigt dies in tragis­ch­er, zuge­spitzter Weise), sprechen die Texte Dis­szi­plins für sich. Mit King Orgas­mus hat sich Dis­szi­plin für den Song „Steh auf“ einen eben­falls nicht über­mäßig begabten Rap­per ins Boot geholt. Ihren Flow ver­gle­ichen sie mit den „Bombem auf Bag­dad“, was auf die Bom­bardierung der irakischen Haupt­stadt 2003 durch die US-Armee anspielt. Im sel­ben Lied, in dem sie sich mit den Bomben Amerikas ver­gle­ichen (was neben­bei bemerkt allein schon selt­sam ist) dis­sen sie jeman­den, der „amerikanisch“ spricht: „Du bist ein Spast, ver­suchst wie Amis zu sprechen“. So lang die „Amis“ für ihre phal­lis­chen Kriegsmeta­phern her­hal­ten, scheinen sie zu genü­gen, anson­sten bedi­enen sich Dis­szi­plin und King Orgas­mus hier ein­er Spielart des Anti-Amerikanis­mus3, der seine his­torischen Ursprünge hat. Worin genau seine Abnei­gung beste­ht, bleibt wieder ein­mal offen – außer, dass Ameri­ka in seinen Songs pauschal für Geld, Gier, schlechte Sprache, „Bomben“, Krieg und „scheiß Sprache“ zu ste­hen scheint. Dieser Anti-Amerikanis­mus, flammte in den let­zten Jahren durch Neo-Nazior­gan­i­sa­tio­nen wie die „Iden­titären“ und die „Pro“ Bewe­gun­gen (Pro, Deutsch­land, Pro Köln, Pro NRW) wieder auf.4 Rechte Partein wie die NPD oder die Repub­likan­er, aber auch autonome Nation­al­is­ten oder selb­st ernan­nte Heimatschützer (HDJ) teilen ihn. Nicht zufäl­lig schlussfol­gern sie aus der amerikanis­chen Poli­tik im Zusam­men­hang mit Israel auch die Macht des jüdis­chen „Finanzkap­i­tals“ und diverse anti­semi­tis­che Verschwörungstheorien.

 

So weit geht Dis­szi­plin nicht. Den­noch benutzt er ent­fer­nte Zitate, bes­timmte Begriffe und set­zt sie in Zusam­men­hänge, für die er ver­ant­wortlich ist. Immer wieder betont er in seinen Raps, dass er es ohne Geld geschafft habe hochzukom­men, dass die Leute mit Geld keine Werte besäßen, von dem­sel­ben kaputt gemacht wür­den usw.: „Ihr seid nichts mehr wert, legt ihre eure Uhren weg, […] alles falsche Werte, echt ist nichts“ (Zwei Män­ner ein Wort, 2012) oder „Das ist mehr wert als die Scheine die du machst am Set“ (Ebd.). Abge­se­hen davon, dass diese Zeile im Orig­i­nal ger­appt klingt wie „Mehrw­ert“ und nicht „mehr wert“ und dies auf die kap­i­tal­is­tis­che Waren­pro­duk­tion hin­weist deren per­ma­nente Pro­duk­tion von Mehrw­ert im anti­semi­tis­chen Klis­chee­bild immer den Jüd*innen zugeschrieben wor­den ist (im Gegen­satz zu den hart arbei­t­en­den Proletarier*innen), ver­weist dies auf ein ein­fach­es Fre­und-Feind Schema vom bösen Kap­i­tal­is­ten und den armen (Ost)Deutschen ohne Geld. Wenn das eine Kri­tik am Finanz-und Wirtschaftssys­tem sein soll, greift sie nicht nur entsch­ieden zu kurz, son­dern bedi­ent sich auch noch des falschen Bildes, Kap­i­tal­is­mus beste­he allein wegen der Gier der raf­fend­en Großkapitalist*innen und wenn nur mehr Men­schen preußis­ch­er, tugend­hafter, stolz­er wären, wäre er als­bald abgeschafft.

 

Neben „Aggro TV“ ist ein weit­er­er Kon­text, in den sich Dis­szi­plin stellt, die „Box­ing Con­nec­tion (Label 23)“. Dies ist ein, vor allem in Kick­box­ingkreisen Bran­den­burgs, bekan­ntes Klei­dungsla­bel, welch­es seine Klei­dung neben Thor Steinar und anderen expliz­it neo-nazis­tisch kodierten Klei­dungs­marken in deutsch­landweit­en (Internet)Shops vertreibt. Mit Slo­gans wie „Ide­ale besiegen das Geld“ oder „Ver­giss nie wo du herkommst“ ste­ht das Label sehr nah bei derzeit bekan­nten neo-nazis­tis­chen Bewe­gun­gen wie z.B. den „Unsterblichen“ die eben­falls mit Slo­gans wie „Werde wer du bist“, oder „Damit die Nach­welt nicht ver­gisst, dass du Deutsch­er gewe­sen bist“ wer­ben. Offiziell demen­tiert das Label diese Zuschrei­bung. Selb­st nach­dem durch die Presse5 bekan­nt wurde, dass der Inhab­er des Labels Markus Walzuck ist, wollen sie „ein­fach nur“ ein Label sein, denen Fre­und­schaft, Liebe Treue, Fam­i­lie und Respekt wichtig ist. Der ehe­ma­li­gen Kick­boxmeis­ter Walzuck stieg zu Recht­srock­songs wie „Blitzkrieg“ in den Ring, bestritt eine Gedenk­fahrt für Adolf Hitler nach Mal­lor­ca, ist in der recht­en Hooli­gan­szene bekan­nt, geri­et mit den „Spreelichtern“ in Verbindung und wurde wegen Volksver­het­zung verurteilt. 

 

Das Label 23 demen­tierte alle Vor­würfe indem sie sagten “Label 23“ sei vol­lkom­men unpoli­tisch“6.

Das Lied „Invic­tus“ von Dis­szi­plin wird neben anderen von eben diesem Label präsen­tiert. Sie präsen­tieren seinen Song mit den Worten „Pro­fes­sion­al­ität und Iden­tität müssen kein Wider­spruch sein, solange man ehrlich bleibt und Ide­ale dem Geld vorzieht […]“.7 Die per­ma­nente Absagen gegen Geld als solch­es die entkop­pelt von den Umstän­den auftritt, hat frag­würdi­ge Kon­no­ta­tio­nen. Bei eben diesen wäre Anti­semitismus kein Vor­wurf, son­dern eine tre­f­fende Analyse. Zudem verdeut­licht sich bei der­ar­ti­gen Aus­sagen, dass ihr Image sehr wohl poli­tisch ist. Die selb­st ernan­nten Ide­ale der Box­ing Con­nec­tion präsen­tiert Dis­szi­plin in seinem Video. Und obwohl er auf „Stal­in­grad scheißen will“ (Ich bin Deutsch­land, 2009) begin­nt er dieses Leid wieder oft­mals mit ein­er kriegerischen Meta­pher, die zeigt, dass „Scheißen aufs Hak­enkreuz“ (Ich bin Deutsch­land, 2009) und der „Fick auf Hitlers Worte“ (Ebd.) nicht so ganz so ein­fach funk­tion­iert, wenn sel­bige Kriege für die Stil­isierung der eige­nen Stärke bemüht wer­den: „Dieser Song marschiert in Deine Stadt wie die Sow­jets“ oder auch „ […] Ich bin der Marsch der die Trup­pen nach vorne peitscht“ (Ich bin Deutsch­land, 2009). „Ich hab es satt mit der Ver­gan­gen­heit“ rappt er im sel­bi­gen Song, oder „scheiß drauf was früher war“. Zum einen gelingt ihm das „drauf scheißen“ nicht, da er sich immer wieder auf die deutsche Geschichte bezieht und beziehen muss, wenn er sich von ihr abgren­zen will. Zum anderen erscheint es mehr als zynisch oder schreck­lich naiv, aus­gerech­net heute im Angesicht nie ver­schwun­de­nen deutschen Rassen­has­s­es auf die Ermor­dung von Mil­lio­nen Jüd*innen zu scheißen. Aus­gerech­net heute, wo in Hellers­dorf Neo-Nazis gegen Asylbewerber*innen het­zen, die Anzahl recht­sradikaler Über­griffe täglich steigt8 und unlängst seit der Finanzkrise weltweit­er Anti­semitismus neuen Auf­schwung erhielt, zele­bri­ert Dis­szi­plin die Mor­gen­röte des unter­drück­ten White-Trash-Ben­gels aus dem Osten. Das „Scheißen-auf-die-Geschichte“ ist nie ein „unschuldiger“ Akt. Vielmehr ist es ein dreifach­er Akt, der zuerst die eine Geschichte als Voraus­set­zung des zu Vergesse­nen festschreibt und die eigene Inter­pre­ta­tion unken­ntlich macht, als­dann ist dieser Akt des „Vergessens“ keine Loslö­sung allein. Er bleibt hierin immer die Ent­ge­genset­zung – die zum Kampf aufgestellte Oppo­si­tion gegen das zu Vergessende. Und zulet­zt ist dies so ver­standene Vergessen der Appell an eine neue Gemein­schaft, die ihre Iden­tität in ein­er neu errichteten Geschichte zu find­en hofft. Sehr neu ist dabei, wenn wir genau hin­schauen, wenig. Denn Dis­szi­plin ver­schleppt unre­flek­tiert Ide­ale und Werte wie Heimat­treue, die heile Fam­i­lie, Nation­al­stolz in die Gegen­wart und das aus ein­er Zeit, von der er sich offiziell gern tren­nen will. In „Ich bin Deutsch­land“ benen­nt er ziem­lich expliz­it, dass die Ver­gan­gen­heit, so sehr er doch auf sie scheißen wolle, bald in neuem Glanz erscheinen werde: „Die Ver­gan­gen­heit ist nur eine Fack­el im Wind. Die langsam erlis­cht, doch bald neu erleuchtet“. Die Meta­pher der Fack­el bere­it­et auch den­jeni­gen ein feucht­es Pläsir, die Jahr für Jahr an Rudolf Hess gedenken, die deutsche Opfer des Zweit­en Weltkrieges ehren, sowie aktuell in Berlin-Bran­den­burg auch die ehe­ma­li­gen „Spreelichter“ dem propagierten „Volk­stod“ mah­nen. Ihre an die NS-Zeit angelehn­ten Fack­elmärsche kon­nten Mil­lio­nen deutsche Zuschauer*innen, aufgepeppt für den Zeit­geist, im Inter­net betra­cht­en9. Hier leuchtet die „Fack­el der Ver­gan­gen­heit“ neu auf.

 

In dem Video zu „Invic­tus“ trägt Ben Arnold natür­lich auch ein passendes T‑shirt mit Adler in schwarz-weiß-rot­er Optik. Woher diese Far­bkom­bi­na­tion stammt ist hin­läglich bekan­nt. Arnold selb­st vertreibt auch Mer­chan­dise-Klei­dung10 und rei­ht sich damit nicht nur optisch (sportliche Klei­dung mit ver­schnörkel­ten Auf­druck­en, hier und da ein Adler) in das Label 23 ein. Auch inhaltlich wirbt er mit ähn­lichen Slo­gans wie „Diese Jugend sucht nach Tugen­den“ oder dem „Preußen-Shirt“. Mit diesem wolle seine Herkun­ft aus Bran­den­burg unter­stre­ichen sagt er der FAZ11. Mit einem solchen Shirt erin­nert er natür­lich weniger an Bran­den­burg, als an das preußis­che König-oder Kaiser­re­ich, was für die meis­ten seit 1945 nicht mehr beste­ht. Offen bleibt, welche preußis­chen Werte er aus dieser Zeit mit­nimmt – Ord­nung, Sauberkeit, Mil­i­taris­mus, einem Platz an der Sonne (vielle­icht ist der Mal­lor­ca-Besuch vor diesem Hin­ter­grund zu betra­cht­en) – die Erwerb­s­frei­heit für Jüdin­nen und Juden ste­ht hier wohl eher hin­ten an.

 

Nun denn, nach eigen­em Bekun­den sei dies natür­lich auch nur eine Pro­voka­tion. Was dieser Pro­voka­tion zugrunde liegt und was sie brin­gen soll, weiß nur Dis­szi­plin selb­st. Aus der Sicht poli­tis­ch­er Kun­st misslingt diese Pro­voka­tion. Als Stilmit­tel wirkt sie abge­halftert und hohl. Solang es unklar bleibt, was er uns mit dem zitierten Adler sagen will, bleibt dieser erst ein­mal eingeschrieben in den Bedeu­tungszusam­men­hang von dem er von jeher zeugte. In gle­ich­er Manier wie die schwarz-rot-gold­e­nen Fah­nen, die fast alle Texte und Videos Dis­szi­plins zieren, sug­gerieren diese Sym­bole den „Stolz“ ein­er Nation, die sich somit aus­drück­lich in der bruchlosen Kon­ti­nu­ität von Reich­sadler und Bun­de­sadler bes­timmt. Alles woge­gen poli­tisch Kri­tik aufkommt mit dem Argu­ment „das sei ja nur Pro­voka­tion“ zu recht­fer­ti­gen, recht­fer­tigt noch lange nicht, dass der Inhalt der Pro­voka­tion poli­tisch vol­lkom­men reak­tionär ist. „Wer mich für einen Nazi hält, hat nicht ver­standen worum es geht“, sagte Arnol in der FAZ. Aber warum geht es nun?

 

Zumin­d­est impliz­it geht es Arnold also um die Schaf­fung ein­er neuen Volks­ge­mein­schaft, die endlich wieder zu ihrem Land, der Kul­tur, der Sprache und den Werten ste­hen solle, die Ver­gan­gen­heit bei­seite zu leg­en habe und einen neuen Gemein­schaftssinn entwick­le. Dieser „neue“ Volks­be­griff zieht sich spätestens seit Erscheinen der drit­ten Plat­te“ durch Dis­szi­plins Texte. Er – der Volks­be­griff – lässt sich nicht mit der Masse der Men­schen, die in diesem Land gemein­sam leben definieren oder mit Bürg­erin­nen und Bürg­ern der BRD, wie es heute offiziell hieße. Volk heißt bei Dis­szi­plin immer mehr als nur Bewohn­er eines Lan­des. Der Volks­be­griff den er für Deutsch­land annimmt, scheint exk­lu­siv­er: „Das ist schwarz-rot-gold. Das ist mein Blut, mein Stolz, mein Volk.“ (Ich bin Deutsch­land, 2009). Deutsch­land ist also nicht allein begrün­det durch die Nation­al­fahne, son­dern auch durch Blut und Stolz.

 

Das deutsche Volk wird zudem als von allen bel­o­genes Volk beschrieben: Es sei „geknebelt von Medi­en und Poli­tik“, ein „gebück­tes Volk“ gewor­den „ohne Stolz“ (Ich bin Deutsch­land). Dieses kul­turelle Gut, den Nation­al­stolz, gelte es wiederzuer­lan­gen, wenn das deutsche Volk nicht ster­ben wolle: „Ich kann ihn sehen, den schwarz-rot-gold­e­nen Grab­stein“ (Ich bin Deutsch­land, 2009), „Unser Land ste­ht so kurz vor dem Suizid“ (Ebd.) oder „Diese Stadt ist am ster­ben ich kann den Grab­stein schon sehn“ (Wörter der Wut, 2009). Fast genau mit den sel­ben Worten, wur­den vor eini­gen Monat­en auf deutschen Schul­höfen von einem blauen Krümel­monster Fly­er an Schüler*innen verteilt und mit dem Ausheben von Gräbern der deutsche „Volk­stod“ verkün­det12.

 

Der Begriff des Volkes ist bei Dis­szi­plin außer­dem mit einem Begriff von Iden­tität verknüpft. Was genau diese Iden­tität aus­macht außer Stolz und Ehre, wird nicht aus­ge­führt. „Ich bin Deutsch­land“ (Ebd.) heißt also „Ich hab Iden­tität. Ich bin schwarz.rot.gold.“ (Ebd.). Die Iden­tität die Dis­szi­plin und somit die ganze deutsche Jugend („Ich bin Rep­re­sen­tant dieser Jugend“) besitze, ermisst sich dem­nach aus seinem Deutsch-Sein. Das heißt Iden­tität ist Nation­al­ität, gepaart mit Blut und Werten (wie z.B. Stolz). Ihm scheint es wichtig zu sein, diese Iden­tität als dauer­hafte, unverän­der­liche zu markieren und klar zu machen: Es gibt nur eine, voll­ständi­ge Iden­tität: „Ich bleibe mir treu man, denn ich bin Deutsch­land. Geb dir meine ersten Tracks und gucke mich heut an. Ich bleibe der selbe man denn ich bleibe mir sel­ber treu“ (Zwei Mann ein Wort, 2012)


Nicht ohne Grund gel­ten Lieder wie „Ich bin Deutsch­land“ als Hymne für die „Iden­titären“, ein­er rechts-kon­ser­v­a­tiv­en Bewe­gung in Deutsch­land. Sie stellen die Textzeile: “Ich lass mich nicht blenden, ich bewahr‘ mein Gesicht meine Iden­tität, meine Far­ben, mein Ich.” in direk­ten Zusam­men­hang mit ihrer poli­tis­chen Hal­tung.13 Auch sie meinen, wed­er rechts noch links zu sein, son­dern iden­titär.14 Diese Konzep­tion von Volk in seinem Rap mag Dis­szi­plin selb­st nicht als nation­al­sozial­is­tisch, kurz: Nazi-Rap anse­hen. Nation­al­sozial­is­tisch ist er vielle­icht auch nicht. Klar ist jedoch, dass die Konzep­tion von Volk über Blut und Boden („Meine Heimat edler Sand, märkische Hei­de“, Zwei Mann ein Wort, 2012) keine neue, aber aktu­al­isierte und gefährliche Form von nation­al­is­tis­chem Volks­denken ist.

 

Neben Fah­nen und Tex­ten sind noch weit­ere Aspek­te inter­es­sant: Zum einen wer­den viele Videos in schwarz-weiß oder sepia Farbtö­nen gefilmt (Bsp.: „Gib mir meine Stadt zurück“ oder „MTV“). Dies erzeugt ein melan­cholis­ches Bild, welch­es sich selb­st­bezüglich zu den nach einem besseren Deutsch­land schreien­den Tex­ten ver­hält. Hinzu kom­men Bilder von Plat­ten­baut­en, tris­ten, trau­ri­gen Wiesen und Tage­baut­en – gle­ichzeit­ig gepaart mit der Hoff­nung auf ein „besseres Deutsch­land“ in Form von Bildern wehen­den Deutsch­land­fah­nen, fröh­lich musizieren­den Jugendlichen („Eine Jugend“, 2012) oder coolen Män­ner­gangs mit Zusam­men­halt (z.B. Dis­szi­plin zusam­men mit Liq­uit Walk­er oder Joe Ril­la). Zum anderen tauchen in den meis­ten Liedern orches­trale Ele­mente auf oder choralar­tige Gesänge zarter Frauen­stim­men. In „Ich bin Deutsch­land“ wird eine blonde Geigen­spielerin gezeigt, deren Haar zart im Wind weht, kurz darauf fol­gen his­torische Kriegs­bilder von Schützen­gräben und Panz­ern, während Ben Arnold heimat­treu vor der Kulisse eines Tage­baubag­gers rappt. Die gesamte Konzep­tion ergibt ein pathetis­ches, kitschiges und verk­lärtes Bild von Deutsch­land ab.

 

Auf Begriffe wie „Bas­tard“, “Spacko“, „Schwuch­tel“, „Fotze“ oder „Spast“ verzichtet der son­st nicht auf den ersten (!) Blick mit sex­is­tis­chen und geschlechtlich und ander­weit­ig diskri­m­inieren­den Begrif­f­en auf­fal­l­ende Dis­szi­plin nicht. Er bestätigt das Vorurteil, das Großteile des (deutschen) Raps vor­rangig in „No-homo“-Manier eine Abgren­zung zu schwul-les­bis­chen-trans* oder anderen Lebensweisen vornehmen – siehe: „das ist nicht so’n schwuler Rap“ im Song „Ste­ht auf“ mit King Orgasmus.

 

Manger Sven sagte ein­mal, indem Dis­szi­plin sich auf deutsche Werte berufe, nehme er den Nazis die Parolen weg. Das stimmt nicht – er treibt diese Parolen vehe­ment voran. Dabei ist es egal, dass er sich selb­st als links beze­ich­net: Diese Art von Empörung über das weltweite Finanzsys­tem, der „lügen­den“ Presse, der Spal­tung in arm und reich, der Benachteili­gung Ost­deutsch­lands, der fehlen­den deutschen Ehre usw. hat nichts mit emanzi­pa­torisch­er, schon gar nicht link­er Kri­tik zu tun. Sie bedi­ent alle Klis­chees anti­semi­tis­ch­er und rechts-kon­ser­v­a­tiv­er „Kri­tik“, und stellt sich somit mit­ten in die Front pop­ulär­er Nation­al­be­we­gun­gen – egal ob Dis­szi­plin das bewusst ist oder nicht.

 

7 Ebd.

8 Z.B. siehe: Es ist wichtig zu erwäh­nen, dass Neo-Nazis­mus, Neo-Faschis­mus usw. selb­stver­ständlich kein rein „ost­deutsches Prob­lem“ sind, son­dern sich durch alle Bun­deslän­der und Gesellschaftss­chicht­en ziehen: http://www.tagesspiegel.de/politik/report-der-amadeu-antonio-stiftung-rechtsextremismus-ist-kein-rein-ostdeutsches-problem/8046854.html,http://www.tagesschau.de/inland/fluechtlinge396.html, http://www.taz.de/!104764/, http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/staatsversagen

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