RHEINSBERG/NEURUPPIN Gestern Vormittag verhandelte das Amtsgericht Neuruppin einen der versuchten Anschläge gegen den Rheinsberger Döner-Imbiss von Mehmet Cimendag. Nach zwei Stunden hatten Richter, Staatsanwalt und Verteidiger große Zweifel an der Schuldfähigkeit des Angeklagten.
Der Angeklagte Frank M. wurde 1982 geboren, er ist ledig und wohnt allein in Rheinsberg. Er ist Vater eines dreijährigen Kindes, das bei der Mutter lebt. Unterhalt hat er noch nie gezahlt, da er selbst nur Sozialhilfe bezieht. Die Förderschule schloß er mit der zehnten Klasse ab. Eine Mahlerlehre beendete er nicht. Richter Gerhard Pries fragt ihn, weshalb. Er will konkret wisse: „Können Sie sich einen anderen, besseren Beruf für sich vorstellen? Was hat Ihnen nicht gefallen?“ Der Angeklagte antwortet: „Nein.“ Beim Ein-Wort-Satz bleibt es.
Der Staatsanwalt trägt die beiden Anklageschriften zu zwei unterschiedlichen Tatvorwürfen vor, beide denen es aber jeweils um Mehmet Cimendag als Geschädigten geht. Am Abend des 11.August 2003 soll Frank M. mit seinem Bekannten Ron W. unterwegs gewesen sein. Dabei soll Frank M. eines der Rücklichter des Imbisswagens eingetreten haben Außerdem soll er gemeinsam mit Ron W. eine Plastetüte unter den Wagen gelegt haben, die jeder der beiden Kumpels zuvor an einer Enke anzündete. Eine Passantin meldete den entstehenden Brand. Der Wagen des Kurden blieb bis auf das Rücklicht unversehrt. Die zweite Anklageschrift befasst sich mit einem Vorfall wenige Tage zuvor. Die beiden Freunde sollen am 7. August am Imbiss vorbei gegangen sein. Dabei soll Frank M. den Betreiber beschimpft haben: „Scheiß Memo-Grill, scheiß Döner.“
In der Befragung erinnert sich Frank M., gegen das Rücklicht getreten zu haben, doch er habe nur „geguckt, was Ron da mit der Tüte macht“. Außerdem will er gesagt haben: „Laß die Scheiße sein.“ Die Tat von Ron W. wurde bereits gesondert im Schnellverfahren verhandelt. Der 18-Jährige erhielt einen vierwöchigen Jugendarrest.
Richter Pries will von Frank M. wissen, ob sie den Anschlag zuvor geplant hatten. Die Antwort: „Wir wollten nur in die Stadt gucken.“ Pries erinnerte an die Protokolle vom Sommer : „ Da steht, dass sie eine Rudolf-Hess-Fahne um den Oberkörper gebunden hatten“ Die Antwort, wie alle anderen auch leise und undeutlich vorgetragen: „ Kann sein, kann nicht sein.“
Nach einiger Zeit und mehreren Nachfragen erinnert er sich, wohl mal so eine Fahne gehabt zu haben. Doch es stimme nicht, was Ron W. damals über ihn zu Protokoll gab. Pries: „Haben sie die Tüte mit angezündet?“ Der Angeklagte: „Das kann nicht sein.“ Die Frage nach den angeblichen Beschimpfungen beantwortet Frank M. dann wieder mit: „Kann sein, kann nicht sein.“
Zeuge Ron W. sagt zunächst, der Angeklagte habe die Tüte nicht mit angesteckt. Und von den Beschimpfungen wisse er überhaupt nichts. Erst nach Vorhaltungen der alten Aussagen sagt er: „Wenn es da drin steht, dann stimmt das.“
Frank M. lebte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs im Kinderheim. Seitdem kümmert sich ein Betreuer um seine Finanzen, schreibt Briefe für ihn und erledigt vieles andere mehr. Als gutmütig schätzt der Betreuer ihn ein. Und als leicht verleitbar: „Wenn einer zu ihm sagt, dass er springen soll, dann springt er.“ Die Frage des Richters, welche Haltung er gegenüber Ausländern habe, hatte Frank M. zuvor beantwortet: „Jetzt gar keine mehr.“ Und früher? „Früher hatte ich eine.“ Welche? Keine Antwort.
Schließlich stellt der Betreuer fest, dass Frank M schon mehrfach das weitere Leben und Arbeiten in einer geschützten Werkstatt für Menschen mit Behinderungen angeboten wurde. Doch sein Schützling meine dann stets, dort einfach hin zu gehören.
Richter, Staatsanwalt und Verteidiger sehen sich außer Stande, die Sache weiter ohne psychiatrisches Gutachten zu behandeln. Denn es gehe in jedem Fall um ein Verbrechen, für das mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe anstünde. Vor allem könne man sich aber nicht sicher sein, dass Frank M. danach nicht doch bald wieder als Angeklagter vor Gericht sitzt, weil er womöglich wirklich vieles vergisst und ihm die Einsicht in die Notwendigkeit fehlt. Das Gutachten soll klären, ob Frank M. nur bedingt oder nicht schuldfähig ist. Da die Erstellung einer solchen Expertise aber einige Wochen dauert, wird dann eine neue Hauptverhandlung beginnen.