(Berliner Zeitung, 6.4., Katrin Bischoff) EBERSWALDE. Aus dem kleinen Büro von Björn K. dringt Musik. Nichts
Besonderes, doch der Text dazu lässt innehalten: “Es kommt die Zeit — Sieg
heil — in der sich das Volk wieder wehrt” — ist zu hören. Doch keiner der
auf dem Gang vorbei eilenden Polizisten scheint sich an diesem Text zu
stören. Björn K. ist selbst Polizist. Und die Art von Musik, wie sie gerade
zu hören ist, ist seine tägliche Arbeit. Der 27-jährige Kriminalkommissar
vom Landeskriminalamt in Eberswalde (Barnim) ist seit zwei Jahren beim
Staatsschutz für Musik der rechtsextremen Szene zuständig.
Gerade hat Björn K. einen Karton auf den Tisch bekommen: 80 CDs sind darin.
Vor kurzem sichergestellt bei einem 21-Jährigen aus Eisenhüttenstadt. Gegen
diesen Mann läuft ein Verfahren wegen Verdachts des Verwendens von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. “Etwa zwei Drittel der CDs
sind schwarz gebrannt”, sagt der junge Kriminalist nach einem Blick in die
Kiste. Das bedeutet für ihn viel Arbeit. Muss er doch CD für CD abhören und
Textzeile für Textzeile mitschreiben. Manchmal, bei englischen Texten, muss
er sie auch erst übersetzen. Und dann beurteilen, ob die Lieder
gewaltverherrlichende Passagen tragen, die zur Anzeige gebracht werden
müssen, oder aber jugendgefährdend sind. “Bei CDs, die vorher noch nirgends
in Deutschland ausgewertet wurden, schaffe ich höchstens zwei am Tag”, sagt
K. Nur im günstigsten Fall werden CDs samt Booklet entdeckt, in dem die
Songtexte abgedruckt sind. Insgesamt kommt Björn K. auf 1 000 CDs im Jahr.
Eine nicht gerade hochmoderne Musikanlage steht dem jungen Fahnder zur
Verfügung. Auch ein Computer — und damit eine Datenbank des
Bundeskriminalamtes, in der alle bereits auf dem Index stehenden Songs oder
Bands gespeichert sind. Gespeist wird sie von allen Landeskriminalämtern.
Björn K. kann in ihr nach Titeln, Interpreten, Teilen von Liedern fahnden.
Rund 2 050 Tonträger sind derzeit in der Datenbank zu finden. Gruppen wie
“Zillertaler Türkenjäger”, “Stahlgewitter” oder “Rassenhass” sind darin
aufgeführt. Bands, die in ihren Songs zu Mord an Juden oder anders Denkenden
aufrufen, die die Gewalt verherrlichen. Bei denen muss Björn K. ein
Verfahren gegen Hersteller und Interpreten der CDs einleiten. Bei
jugendgefährdenden Inhalten meldet der Kriminalist die Songs an die
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Die entscheidet, ob die CD
auf den Index kommt und nicht mehr an Jugendliche vertrieben werden darf.
Björn K. hört gerade eine Kassette von “Frontalkraft” ab. “Wir bekennen uns”
heißt der Song, der seine Aufmerksamkeit erregt. Er lässt den Song immer
wieder ablaufen. Dann geht er an den Computer. “Noch nicht in der
Datenbank”, stellt der Ermittler fest. Das müsse aber nicht bedeuten, dass
der Song noch nicht erfasst worden sei. “Vielleicht ist er unter einer
anderen Textzeile abgelegt”, sagt Björn K., und sucht weiter.
Björn K. weiß, welche Wirkung Songs mit rechtsextremem Inhalt haben. Gerade
bei Jugendlichen. “Musik sagt mehr als 1 000 Worte”, erklärt er. Eltern
wüssten manchmal gar nicht, welche Musik ihre Kinder hören. “Von den Bands
werden alle Musikrichtungen bedient”, sagt er und spielt einen scheinbaren
Schmusesong an, der in der Zeile gipfelt: “Wir werden wieder auferstehen”.
“Eltern sollten mehr auf Texte hören”, sagt K. Und auch Lehrer. Darum
spricht der junge Mann auch oftmals vor Pädagogen.
Übrigens: Nach der Arbeit hört Björn K. keinerlei Musik mehr.