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Hassgesänge im Internet

(MAZ, 6.4., Ralf Stork) POTSDAM Zehdenick (Ober­hav­el), Ende Feb­ru­ar: Ein 20-Jähriger hält kurz vor
Mit­ter­nacht mit seinem Wagen an ein­er Tankstelle an, steigt aus, brüllt
“Heil Hitler” und fährt weit­er. Der Tankstel­len­pächter ver­ständigt die
Polizei, die das Auto kurze Zeit später stop­pen kann. Der Fahrer und die
bei­den Beifahrer sind betrunk­en. Die Anlage ist bis zum Anschlag aufgedreht.
Es läuft aggres­sive Skin­head­musik, Has­s­gesänge, in denen zu Gewalt gegen
Aus­län­der und Linke aufgerufen wird. 30 selb­st­ge­bran­nte CDs stellen die
Polizis­ten in dem Auto sich­er. Gegen die drei jun­gen Män­ner wird Anklage
wegen Volksver­het­zung erhoben. 

Recht­sex­treme Musik zu beschlagnah­men gehört für die Brandenburger
Polizis­ten zum All­t­ags­geschäft. Vor allem am Woch­enende wer­den die Beamten
in Pri­vat­woh­nun­gen und Autos fündig. “Die meis­ten Hin­weise erhal­ten wir aus
der Bevölkerung”, sagt Rudi Son­ntag, Sprech­er des Potsdamer
Polizeiprä­sid­i­ums: Nach­barn rufen die Polizei, weil aus der Woh­nung oder vom
Park­platz nebe­nan infer­nalisch laute Musik mit wum­mern­den Bässen dröh­nt. Die
Beamten rück­en aus, um die nächtliche Ruhe wieder her­stellen und stoßen
dabei immer wieder auf Ton­träger, die auf dem Index des Verfassungsschutzes
oder der Bun­de­sprüf­stelle für jugendge­fährdende Schriften stehen. 

Musikalisch deck­en die Neon­az­ibands das gesamte Spek­trum ab, vom braunen
Lie­der­ma­ch­er Frank Ren­nicke bis hin zur Heavy-Met­al-Musik der Gruppen
“Landser” oder “Störkraft”. Obwohl die Pro­duk­tion recht­sex­tremer Musik seit
Jahren rück­läu­fig ist, wer­den die Ton­träger in immer größer­er Zahl über
Tausch­por­tale im Inter­net unter das Gesin­nungsvolk gebracht. Konkrete Zahlen
über die Häu­figkeit der Tauschak­tiv­ität und der Menge der beschlagnahmten
Ton­träger liegen nicht vor, weil die Funde nicht zen­tral gesam­melt werden. 

Das Grund­prinzip der Inter­net­tauschbörsen ist sim­pel: Jed­er Nutzer stellt
Dateien auf sein­er eige­nen Fest­plat­te zur Ver­fü­gung, andere Nutzer können
auf diese Dateien zugreifen und sie direkt von PC zu PC herun­ter­laden. Da
die großen Tauschbörsen jede Woche von eini­gen Mil­lio­nen Men­schen genutzt
wer­den, ist es sehr schwierig, die recht­en Nutzer auszufiltern. 

Erst vor eini­gen Tagen waren bei ein­er bun­desweit­en Razz­ia auch zehn
Bran­den­burg­er festgenom­men wor­den, denen vorge­wor­fen wird, auf der
Inter­net­tauschbörse “Kazaa” unter Rubrik “Nation­al Folk” ver­botene Titel
unter anderem von der Band “Zillerthaler Türken­jäger” zum Run­ter­laden bereit
gestellt haben. 

Mit Hil­fe eines speziellen Com­put­er­pro­gramms war es Kriminalbeamten
gelun­gen, bun­desweit 360 Daten­verbindun­gen zu Anbietern
recht­sex­trem­istis­ch­er Musik­ti­tel im Inter­net zu ver­fol­gen. Einige
Verbindun­gen führten nach Bran­den­burg. “Bei den Haus­durch­suchun­gen in
Briese­lang, Mahlow, Zehdenick, Fin­ster­walde, Cot­tbus und Lübben wur­den 13
Com­put­er, ein Lap­top, zwei Fest­plat­ten und zahlre­iche CDs sichergestellt”,
sagte ein Sprech­er der Staat­san­waltschaft Cot­tbus. Gegen die zehn
Bran­den­burg­er wird wegen Volksver­het­zung ermit­telt. Im Falle einer
Verurteilung müssen sie wegen der Ver­bre­itung ras­sis­tis­ch­er Schriften mit
ein­er Frei­heitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. 

Im Jugend­min­is­teri­um ken­nt man die Gefahr, die von dem neuen Vertriebsweg
für Naz­imusik resul­tiert. “Dieser Ver­bre­itungsweg hat sich in den letzten
Jahren enorm entwick­elt”, sagt der Sprech­er des Min­is­teri­ums Thomas Hainz.
Eine vol­lkommene Kon­trolle könne es nicht geben. Die erfol­gre­iche Razzia
zeige den Nutzern aber, dass auch das Inter­net kein rechts­freier Raum ist
und der Ver­fol­gungs­druck steige. 

Im Kampf gegen recht­sex­treme Musik im Inter­net set­zt das Land vor allem auf
die Zusam­me­nar­beit mit dem “jugendschutz.net”. Die bun­desweite Organisation
wird von den Jugend­min­is­te­rien der Län­der finanziert und hat zu den
Ermit­tlungser­fol­gen der jüng­sten Razz­ia mit beige­tra­gen. Unter der
E‑Mail-Adresse hotline@jugendschutz.net kön­nen Inter­net-Nutzer Beschwerden
über ver­fas­sungs­feindliche oder pornografis­che Inhalte im Inter­net aufgeben.

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