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Drei Jahre Haft nach brutalem Überfall in Sallgast

(LR, 21.1.) Weil er unter anderem im ver­gan­genen Novem­ber einen 62-Jähri­gen Mann aus
Sall­gast in sein­er Woh­nung bru­tal über­fall­en hat­te, hat das Landgericht
Cot­tbus gestern einen 19-Jähri­gen aus Göll­nitz (Elbe-Elster-Kreis) zu einer
drei­jähri­gen Jugend­strafe verurteilt. Die Kam­mer ging damit sog­ar zwei
Monate über das von der Staat­san­waltschaft geforderte Straf­maß hinaus. 

Eigentlich geht es beim Jugend­strafrecht um Per­spek­tiv­en. Junge Menschen,
die Mist gebaut haben, sollen die Strenge des Geset­zes spüren, aber auch die
Möglichkeit haben, sich trotz ihrer Fehltritte eine eigene Zukunft
aufzubauen. Meist brin­gen die Angeklagten auch etwas mit: Einen
Schu­la­b­schluss, eine Lehre, eine Idee. 

David L. (19) brachte gestern zum Cot­tbuser Landgericht nichts außer einen
Haufen Vorstrafen mit. Keine Pläne, nur vage Ideen. Vielle­icht kön­nte er,
wenn er aus dem Gefäng­nis kommt, bei einem Kumpel Bauhelfer wer­den, wenn
dessen Fir­ma dann noch existiert. Vielle­icht was mit Tätowierun­gen machen.
Alles “kein Ansatz, auf den man auf­bauen kön­nte”, so der Vor­sitzende Richter
Chris­t­ian Eicke. Die drei Jahre Jugend­haft, zu der die dritte große
Strafkam­mer David L. verurteilte, kön­nten ihm vielle­icht Per­spek­tiv­en für
das Leben geben. 

Möbelpoli­tur ins Gesicht 

Am 21. Novem­ber 2004, mor­gens gegen 1.30 Uhr, klin­gelt David L. in Sallgast
an der Tür von Man­fred P. (62). Der Autoschloss­er hat die Tür gerade
geöffnet, als der mask­ierte L. auf ihn losstürzt. “Ich habe die Tür
aufgemacht und hat­te schon den Stiefel im Gesicht”, sagte P. während der
Ver­hand­lung. David trat P. mit seinen Springer­stiefeln in den Bauch, schlug
ihm mit der Faust ins Gesicht und sprühte nach Überzeu­gung des Gerichts dem
Opfer abschließend Möbelpoli­tur ins Gesicht. Dazwis­chen durch­suchte L. die
Woh­nung, stahl Handys und Bargeld, mehrere Schlüs­sel­bunde. Auch eine
wertvolle Samm­lung mit DDR-Sil­ber­münzen habe er mitgenom­men, sagt Man­fred P.
David bestre­it­et das. 

Man­fred P. und David L. ken­nen sich. Der Sall­gaster hil­ft Davids Stiefvater,
als der im ver­gan­genen Herb­st mit der Fam­i­lie aus Sach­sen-Anhalt in den
Elbe-Elster-Kreis zieht. David und sein Stief­vater arbeit­en zwischendurch
bei Man­fred P., der hil­ft beim Umzug. Dann der erste Stre­it wegen des
Sprit­geldes für die Umzugs­fahrten. Etwa 50 Euro seien noch offen, sagt P.
Auch David, der in Sall­gast Rasen mäht oder Wagen wäscht, kriegt Ärg­er mit
P. Im Okto­ber ver­schwinden aus dessen Geld­börse “160 bis 180 Euro”, nachdem
David ihm geholfen hat. P. glaubt, dass David es war, und zeigt ihn an. 

Für den 19-Jähri­gen ist das fatal. David L. hat ger­ade erst zwei Jahre auf
Bewährung bekom­men, “mit Bedenken”, wie der Richter in Sachsen-Anhalt
betont. Wird er wieder straf­fäl­lig, geht es defin­i­tiv ins Gefäng­nis. In
Sach­sen-Anhalt hat er sich bere­its eine ganze Lat­te Vorstrafen eingehandelt.
Kör­per­ver­let­zung, Ban­dendieb­stahl, Fahren ohne Führerschein. Mal klaut er
Kan­inchen aus ein­er Kita, mal macht er mit einem gek­nack­ten Wart­burg eine
Spritz­tour und zün­det das Auto anschließend an. Es hagelt Bewährungsstrafen,
let­zte Chan­cen, doch ein halbes Jahr später ste­ht David L. wieder vor dem
Richter. Zur Schule ist er seit der sech­sten Klasse nur noch sporadisch
gegan­gen. Nach der Acht­en Klasse geht er ab, lebt von Sozialhilfe.
Aus­bil­dung, Berufsvor­bere­itung? Nichts. 

“Mein Kampf” als CD-Rom 

Stattdessen gerät er in rechte Kreise. Schon mit elf Jahren nimmt er Kontakt
auf, hat eine “rechte Mei­n­ung”, wie er sagt. Als die Polizei nach dem
Über­fall sein Zim­mer durch­sucht, find­en sie eine komplette
Skin­head-Garder­obe, auch einen Gür­tel und eine Geld­börse mit Hak­enkreuz. Dem
Sall­gaster Man­fred P. borgt David eine CD-Rom mit Hitlers “Mein Kampf”. P.
sagt dem Richter, er habe David etwas daraus aus­druck­en wollen. P. hat­te die
CD in der Haus­bar deponiert. Die CD-Rom nimmt sich der mask­ierte David mit,
als er nach dem Über­fall die Sall­gaster Woh­nung ver­lässt. Das meiste
Diebesgut wirft er an einem Wald­weg weg, den Sil­ber­ling mit der Hetzschrift
legt er in sein Zim­mer. Für die Fin­ster­walder Polizei ein Kinder­spiel, zumal
der Mask­ierte Man­fred P. mit ver­stell­ter Stimme zuflüsterte: “Das ist dafür,
dass du einen angeschwärzt hast, der Bewährung hat.” Die Beamten find­en die
CD, David L. wird dem Haftrichter vorge­führt. Dies­mal wird es ernst. L.
kommt ins Gefäng­nis — Untersuchungshaft. 

Zwei Monate später ste­ht er vor dem Cot­tbuser Landgericht. Geständig, aber
mit keinem Wort der Reue. Das Opfer Man­fred P. humpelt auf Krück­en in den
Saal. An der Kni­escheibe muss er vielle­icht operiert wer­den, sagt er. An der
Brust bes­timmt, bei den Schlä­gen hät­ten sich Nähte ein­er Herzoperation
wieder gelöst. 

“Erhe­blichen Erziehungs­be­darf” sieht Richter Eicke. David sei bish­er “nicht
in der Lage, aus den Sachen, die ihm passieren, zu ler­nen”, sagt der
Richter. Vielle­icht lernt David in den näch­sten drei Jahren in der
Jugend­haft, dass man nicht sofort zuschlägt, wenn einem etwas nicht passt.
Vielle­icht macht er eine Aus­bil­dung und find­et eine Vorstel­lung von Zukunft.
Vielleicht.

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