NEURUPPIN Der Staatsanwalt ist sehr dafür, den Liedtext öffentlich vorzulesen. Und zwar nicht irgendeinen Text, sondern “Herrenrasse” von der Gruppe “Macht und Ehre”. Solche Musik wird nur in bestimmten Kreisen gehört. Kreise, zu denen die vier Angeklagten gehören sollen.
Wegen gefährlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung müssen sich Sven K., Daniel und Dennis E. sowie Karsten S. seit dem 5. März vor dem Neuruppiner Amtsgericht verantworten.
Die Staatsanwaltschaft hat diesen Sachverhalt ermittelt: Am 20. Mai des vergangenen Jahres hatten sich mehrere junge Männer, darunter die Angeklagten, in der Wohnung von Dennis E. in der Wittstocker Papenbrucher Chaussee getroffen. Es wurde Bier getrunken und rechts orientierte Musik gehört. “Arier, wir sind die Herrenrasse. Nur korrekt, nicht gelb, schwarz, braun gefleckt.” Und da fiel den Feiernden Manuel G. ein.
Der farbige Deutsche war häufig Gast bei Daniel A., der im selben Haus wie Dennis E. wohnte. Die Idee, dem “Neger eins auf die Fresse zu hauen”, kam auf. Sofort rannten sie in die vierte Etage. Der bereits zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilte Dennis Sch. war der Vorreiter. Er stürmte als Erster nach oben. Manuel G. rettete sich durch einen Sprung vom Balkon. Daniel A. wurde auf sein Bett gestoßen und von einem der ungebetenen Besucher mehrfach ins Gesicht geschlagen. Das hatte der junge Mann am vergangenen Verhandlungstag ausgesagt.
Die CD hätte nichts mit der Sache zu tun. Diese Auffassung vertrat einer der Verteidiger. Das sah der Staatsanwalt anders. Natürlich sei diese Musik ein Indiz für Fremdenfeindlichkeit. Das hatte auch der Jugendrichter bei der Verurteilung von Dennis Sch. als Motivation für die Tat strafschärfend gewürdigt.
Die Angeklagten, zwischen 21 und 23 Jahren alt, äußern sich nicht. Mit kurz geschorenen Köpfen sitzen sie in einer Reihe hinter ihren Verteidigern. Sehr interessiert an ihrer eigenen Verhandlung scheinen zumindest zwei von ihnen nicht zu sein. Sie beschäftigen sich lieber mit ihren Handys. Dabei haben alle vier schon Erfahrung mit dem Gericht. Gesessen hat Sven K. jedoch als Einziger: drei Jahre wegen Brandstiftung.
Viel zur Aufklärung der Tat konnten die Zeugen gestern nicht beitragen. Der taubstumme Michael O. war an jenem Abend auch in der Wohnung von Dennis E. Er habe alles vergessen, ließ Michael O. dem Gericht durch den Gebärdendolmetscher sagen. Er wusste nur noch, dass er mit nach oben gerannt war. Und dann nur zuschaute, wie Dennis E. mit der Faust eine Türscheibe durchschlug und Dennis Sch. den Wohnungsinhaber verprügelte.
Da die Anwälte der beiden Opfer gestern verhindert waren, soll am kommenden Montag plädiert und ein Urteil verkündet werden.