POTSDAM. Die fünf jungen Männer, die im August vergangenen Jahres den Obdachlosen Dieter Manzke in Dahlewitz zu Tode prügelten, hatten offenbar einen Anführer: den 21-jährigen Dirk R. Dies ergibt sich aus dem psychiatrischen Gutachten über den mutmaßlichen Haupttäter, das am Mittwoch im Mordprozess vor dem Potsdamer Landgericht vorgestellt wurde. Gutachter Alexander Böhle bescheinigte dem Angeklagten einen starken Hang zur Aggressivität. Seine zahlreichen Gewalterfahrungen — er wurde bereits mehrmals wegen Körperverletzung angezeigt — hätten die Gruppe offenbar fasziniert. “Sein Selbstgefühl war an die Fäuste gebunden”, sagte der Psychiater. Gewalt spiele eine zentrale Rolle in seinem Weltbild.
Laut Gutachten ist Dirk R. aber auch psychisch krank. Er fühle sich oft von allen Seiten angegriffen, leide unter Verfolgungswahn, hieß es. Der 21-Jährige habe eine “tiefe Persönlichkeitsstörung” nah an der Psychose, sagte Gutachter Böhle. Dies äußere sich nicht nur in der Gewaltneigung, sondern auch in starken Stimmungsschwankungen und dem Alkoholmissbrauch kurz vor der Abhängigkeit.
Ob diese Diagnose allerdings Folgen für das zu erwartende Urteil hat, blieb am Mittwoch offen. Dirk R. droht, ebenso wie dem 22-jährigen Mitangeklagten Dirk B., im Höchstfall eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes. Gutachter Böhle bezweifelte dabei, dass Dirk R. nicht zurechnungsfähig gewesen sei. Die festgestellte “schwere seelische Abartigkeit” sei für die eigentliche Tat, den brutalen Überfall auf Dieter Manzke, nicht unbedingt von erheblicher Bedeutung, argumentierte der Psychiater. Schließlich habe Dirk R. durchaus überlegt gehandelt, indem er etwa plante, noch eine zweites Opfer zu suchen und zusammenzuschlagen. Dies hatte der Angeklagte sogar selbst vor Gericht eingeräumt.
Starke Gruppendynamik
Die anderen Angeklagten seien dagegen leicht beeinflussbar gewesen, sagte der Gutachter: “Die Gruppendynamik spielt bei dieser Tat sicher eine große Rolle.” Die “starke charismatische Wirkung” von Dirk R. habe vor allem bei den drei jüngeren Tätern Begeisterung ausgelöst — während der Älteste, Dirk B., mit seinem 21-jährigen Rivalen konkurrierte und dadurch auch bei Gewalttaten mithalten wollte. Das entspricht auch den Ermittlungen. So hatte der Jüngste, der 17-jährige Uwe R., nach eigenen Angaben erst dann das wehrlose Opfer traktiert, als Dirk R. ihm dies mit den Worten anbot: “Du kannst ihn ruhig schlagen, der tut nichts mehr.” Und Dirk B., der Älteste, der eher als ängstlich galt, habe nach der Tat gesagt: “Jetzt haben wir endlich mal jemanden zusammengeschlagen.”
Die Jugendgerichtshilfe empfahl am Mittwoch bei den drei jüngeren Tätern eine Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht. Die Höchststrafe wären in diesem Fall zehn Jahre Gefängnis. Das Urteil soll am 3. April fallen.