ZEHDENICK — Die Kamera schweift über die Zehdenicker Schleuse. Sonnenschein. Der Kommentator beginnt mit den Worten: “Zehdenick, eine ganz normale Kleinstadt mit allen Schwächen und Stärken. Eine große Schweinerei ist dort geschehen.” Die Zehdenickerin Christa-Maria Rahner bringt es auf den Punkt: “Wie gehen die Zehdenicker mit ihrer Geschichte um.” Eine Arbeiterstadt mit ihrer Nazi-Vergangenheit. Und plötzlich Zeitlupenbilder von Grabsteinen, der jüdische Friedhof. Nazis demolieren am 12./13. Februar 2001 die rekonstruierte Gedenkstätte, sagt der Kommentator. Und eine Stadt hüllt sich in Schweigen.
Dienstagabend hatte der Dokumentarfilm “Zehdenick — Schöne Stadt mit Nazis” Premiere in der Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam. Hans-Dieter Rutsch hat in einer aufwändigen Recherche versucht, die Hintergründe dieses Ereignisses zu ergründen. Es kommen Polizeibeamte zu Wort, der Bürgermeister, ein Schuldirektor, eine örtliche Journalistin, eine Sozialarbeiterin, das Ehepaar Rahner sowie der 16-jährige Schüler Christian Ahlrep. Sie alle versuchen im Film, die Ereignisse zu erklären, jeder auf seine Weise, mit seiner Sicht. Ein differenziertes Bild entsteht dabei. Und es bleiben Fragen, die nicht geklärt werden. Bürgermeister Werner Witte kommt im Film die Rolle des Relativierers zu, des Entschärfers und meistens sogar des Verharmlosers.
In der Diskussion nach der Vorführung fragen sich deshalb die meisten der etwa 60 Gäste, warum in Zehdenick eine solche Angst herrscht, sich klar zu äußern. Diesen Eindruck vermittelt zunächst etwa die Befragung des Bürgermeisters. Doch es wird vielen der Anwesenden erst im Gespräch klar, wie die Stimmung in Zehdenick ist. Es ist nicht unbedingt die Angst vor einer Horde Skinheads, die einige nur zögerlich antworten lässt, sondern schlicht Unsensibilität, Desinteresse gegenüber der eigenen Geschichte.
Wilfried Rahner beschreibt die Stille während einer Stadtverordnetenversammlung, als er den Vorschlag macht, dass die Stadt mit einer Kundgebung Stellung beziehen müsse. “Keine Reaktion.” Schlimm auch das Feilschen um Worte bei der Resolution. Auf die Frage, warum die politischen Spitzen nur zögerlich Stellung beziehen, gibt Christa-Maria Rahner eine Antwort, die viele verblüfft: Es sei ständig die Angst vorhanden, Investoren zu verprellen. Das Erscheinungsbild des Ortes soll in der Öffentlichkeit nicht beschmutzt werden.
Der Film soll auch in Zehdenick gezeigt werden. Er ist, so die Meinung vieler Premierengäste, eine gelungene Darstellung der vielerorts herrschenden Verharmlosung rechtsextremer Gewalt. Eine Dokumentation des Alltags.