Agathe (Name geändert) war wütend: “Wir haben schon Probleme, wenn wir in dieses Land kommen. Aber die hören hier nicht auf.” Bis vor Kurzem hatte sie noch in der “Zentralen Aufnahmestelle” (ZAST) in Eisenhüttenstadt gelebt. Die Zustände dort beschrieb sie so: “Du lebst hier wie ein Hund, der immer seine Hundemarke tragen muss, weil er sonst von der Polizei eingefangen wird.”
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Am ist Freitag sie wieder nach Eisenhüttenstadt gekommen.
Diesmal freiwillig, denn die Brandenburger JungdemokratInnen/Jungen Linken (JDJL) veranstalten dort ihr diesjähriges Pfingstcamp unter dem Motto “Risse in die Festung”. Die rund 70 TeilnehmerInnen — unter denen sich auch viele Flüchtlinge befinden, die derzeit in der ZAST leben müssen — setzen sich für die Abschaffung der ZAST als staatliche, rassistische Repression gegen MigrantInnen ein. Schlechtes Essen, enge Zimmer und eine unzureichende ärztliche Versorgung seien an der Tagesordnung. Agathe nannte das Beispiel einer Freundin, die schwanger in der ZAST gelebt hat. Ihrer wurde sich erst medizinisch angenommen, als das Kind zur Welt kam — keinerlei Beratung, keine Versorgung während der Schwangerschaft. Auch werde vielen Flüchtlingen bei Befragungen gar nicht mitgeteilt, dass diese ein entscheidender Teil ihres Asylverfahrens sind. All dies bringe Menschen zur Verzweiflung. Aber Agathe war nicht verzweifelt. Sie klatschte mehrmals in die Hände, forderte alle auf, das auch zu tun. Und sie freute sich auf die Aktion, die für Sonnabend in der Innenstadt geplant war.
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Die fand unter dem Motto “Abschiebung zuerst für Deutsche” statt. PassantInnen konnten einen Parcours absolvieren, und so eine Flucht nach Deutschland von Anfang bis Ende miterleben. Wer sich an den Grenzposten vorbei schmuggeln konnte, landete erst einmal in der ZAST. Dort wurde ihm/ihr nach jedem Satz ein unfreundliches “Du lügst doch” zugerufen. Weiter ging es zur Station Flüchtlingsheim, wo der Parcours-TeilnehmerInnen erst einmal heftig beschimpft wurde. Es folgt die Isolation in der Abschiebehaft und eine Deportation im Polizeigriff. Beim Parcours ersetzte ein Bierkasten übers Pflaster gezogen das Flugzeug. Agathe und andere gingen derweil in ein nahe gelegenes Cafe und gaben den Gästen dort Flugblätter. Schon kurz darauf stand sie wieder inmitten der Campteilnehmer, hielt ein Schild hoch: “Deport germans first”. Sie wippte zur Hip-Hop-Musik, die aus dem Boxen kam. Sie sei froh, hier auf Deutsche zu treffen, die sich für das Schicksal der Flüchtlinge interessieren und sich solidarisieren. Agathe hatte Spaß, auch wenn sie wusste, dass sie eigentlich gar nicht in Eisenhüttenstadt sein darf und gegen die Residenzpflicht verstößt.
Leider gab es an der Aktion wenig Interesse — Eisenhüttenstadt war wie leer gefegt, kein Mensch auf der Straße. Warum also nicht ein wenig herumziehen? Eine Spontandemonstration wurde angemeldet. “No border, no nation, stop deportation!”, rief Agathe. “No border, no nation, stop deportation”, stimmten die anderen ein. Immer mehr Polizisten formierten sich um die Protestierenden. Es gab keine Übergriffe, aber die Botschaft war klar: Wir haben euch im Blick. Agathe ließ sich nicht irritieren. In dieser Stadt, die sie nur “Eisen” nennt, musste sie schon so manche Polizeischikane erdulden. Was sonst hingenommen wurde, stieß auf Widerstand, ein kraftvoller Moment.
(Inforiot) Das Camp dauert noch bis einschließlich Montag. Das Programm ist hier einzusehen. Weitere Infos zur Zast findest du im Inforiot-Archiv. Fotos und weitere Berichte folgen in den nächsten Tagen.