Geteiltes Echo auf Vorwürfe des enttarnten Spitzels gegen Geheimdienst
(MAZ) POTSDAM — Die neuen Vorwürfe in der V‑Mann-Affäre des brandenburgischen
Verfassungsschutzes haben unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Das
Innenministerium müsse in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK)
“erneut befragt werden”, forderte gestern PKK-Mitglied Kerstin Kaiser-Nicht
(PDS). Noch in dieser Woche hatte die PKK erklärt, es gebe keinen
V‑Mann-Skandal des Verfassungsschutzes. Vermutlich sei die Polizeirazzia im
Februar 2001 von einem Polizisten verraten worden.
Nach den Angaben des enttarnten Spitzels Christian K. im Gespräch mit der
MAZ muss diese Einschätzung möglicherweise revidiert werden. K. berichtete,
sein V‑Mann-Führer “Max” habe ihm den genauen Termin der Polizeirazzia gegen
die rechtsextreme Terrorgruppe “Nationale Bewegung” mitgeteilt, die den
Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof in Potsdam verübt hatte. Kurz nach
diesem Telefonat mit “Max” habe er das Datum einem befreundeten Neonazi
verraten, so K. Dann habe der V‑Mann-Führer eine “Geschichte erfunden”, in
der die Polizei als Verräter der Razzia erscheinen sollte.
Mehrere V‑Mann-Führer bestreiten diese Behauptungen in dienstlichen
Erklärungen energisch. Auch PKK-Chef Christoph Schulze (SPD) bewertet die
Aussagen des Ex-V-Manns K. “eher skeptisch”.
Der CDU-Vertreter in der PKK, Dierk Homeyer, sieht überhaupt keinen neuen
Aufklärungsbedarf: “Ich verlasse mich darauf, was mir Herr Wegesin gesagt
hat.” Danach seien K.s Vorwürfe “substanzlos”. Die Aussagen des Spitzels K.
interessierten ihn nicht, betonte Homeyer.
Brandenburgs Grünen-Chef Roland Vogt forderte Innenminister Jörg Schönbohm
(CDU) hingegen auf, “endlich Licht in die Affäre zu bringen”. Es deute “viel
darauf hin, dass in der Behörde einiges aus dem Ruder gelaufen ist”. Für
FDP-Landeschef Heinz Lanfermann stellt sich die Frage nach einem
Untersuchungsausschuss.
Die Potsdamer Staatsanwaltschaft ermittelt seit gestern nicht mehr nur gegen
unbekannte Bedienstete des Landes Brandenburg wegen Geheimnisverrats,
sondern auch gegen Christian K.
V‑Mann-Affäre: CDU beschuldigt Staatsanwaltschaft
Schönbohms Stellvertreter Petke behauptet, Ermittlungen würden verzögert — die Justiz widerspricht vehement
(Tagesspiegel) Potsdam. Die seit Wochen schwelende V‑Mann-Affäre macht die CDU nervös. Der
stellvertretende Landeschef und innenpolitische Sprecher der
Landtagsfraktion, Sven Petke, äußerte am Freitag scharfe Kritik an der
Potsdamer Staatsanwaltschaft. Der Politiker behauptete gegenüber der
Nachrichtenagentur dpa, die Staatsanwaltschaft ermittle seit fast zwei
Jahren ergebnislos gegen den früheren Verfassungsschutz-Spitzel Christian K.
Petke liegt aber mit seinen Vorwürfen offenkundig daneben. Die
Staatsanwaltschaft reagierte verärgert und erwiderte, Petkes Anschuldigungen
seien “grob unrichtig”. Die Anklagebehörde hatte, wie berichtet, erst im Mai
dieses Jahres ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eingeleitet,
Beamte der Brandenburger Sicherheitsbehörden hätten Dienstgeheimnisse
verraten. Gestern weitete die Staatsanwaltschaft das Verfahren auch auf den
früheren V‑Mann aus.
Christian K. hatte Anfang 2001 auf noch ungeklärte Weise erfahren, dass die
Potsdamer Polizei für den 17. Februar eine Razzia gegen die rechte Szene
plante. Der Spitzel rief dann den Neonazi Sven S. an. Das Landeskriminalamt
hörte das Telefonat ab und soll, wie es in Sicherheitskreisen heißt, die
Bundesanwaltschaft unterrichtet haben, aber nicht die Potsdamer
Staatsanwaltschaft.
Sven Petke unterstellte der Staatsanwaltschaft auch, ihr zögerliches
Vorgehen sorge “ständig für neue Spekulationen, die vom Verfassungsschutz
und der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) im Landtag dementiert
werden müssen”. Damit sind vermutlich die jüngsten Berichte im Tagesspiegel
und in anderen Zeitungen gemeint. Christian K. hatte kürzlich den
Verfassungsschutz massiv belastet. In einem Gespräch mit dem Tagesspiegel
sagte der Ex-V-Mann, der Anfang 2001 für ihn zuständige Verfassungsschützer
habe ihn vor der für den 17. Februar 2001 geplanten Polizeirazzia gewarnt.
Es sei ungewöhnlich gewesen, dass sein V‑Mann-Führer sogar das genaue Datum
genannt habe, betonte Christian K.
Der frühere Spitzel berichtete auch, der Beamte habe ihn aufgefordert, bei
Befragungen zum Verrat der Razzia ein Märchen zu erzählen. Anstatt zu
berichten, der V‑Mann-Führer habe vor der Razzia gewarnt, sollte Christian
K. behaupten, er selbst habe zufällig in der Kneipe “Pippi Langstrumpf” in
Borgwalde gehört, wie ein Polizist an seinem Handy laut über die Razzia
sprach. Der V‑Mann erzählte diese Geschichte dann auch, als er von einem
Vorgesetzten des V‑Mann-Führers vernommen wurde. Der V‑Mann-Führer selbst
gab nach Informationen des Tagesspiegels in einer dienstlichen Erklärung an,
er habe nur “codiert” und ohne den 17. Februar 2001 zu nennen vor
bevorstehenden Polizeiaktionen gewarnt.
Als jetzt die Vorwürfe des früheren V‑Manns Christian K. bekannt wurden,
reagierte das Innenministerium indirekt mit Medienschelte. “Wiederholte und
nicht überprüfbare Behauptungen dubiosen Ursprungs führen in der Sache nicht
weiter”, sagte Ministeriumssprecher Heiko Homburg. Es sei bekannt, dass die
Sicherheitsbehörden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Potsdam
unterstützen, “um Licht und Klarheit in den Vorgang zu bringen”. Das
Innenministerium hat am 28. Mai der Staatsanwaltschaft eine Ermächtigung für
Ermittlungen in den Sicherheitsbehörden erteilt.
Die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags wird sich vermutlich
demnächst wieder mit der V‑Mann-Affäre befassen. Nach Bekanntwerden der
Vorwürfe des Ex-Spitzels gegen den Verfassungsschutz müsse das
Innenministerium neu befragt werden, sagte die der PKK angehörende
PDS-Abgeordnete Kerstin Kaiser-Nicht. Die Kommission hatte sich bereits
zweimal mit der Affäre beschäftigt. Hinterher verkündete stets der
PKK-Vorsitzende Christoph Schulze (SPD), es gebe gar keine V‑Mann-Affäre.
Scharfe CDU-Kritik an Staatsanwaltschaft
Petke fordert Ergebnisse in V‑Mann-Ermittlungen
In der jüngsten V‑Mann-Affäre hat der CDU-Innenexperte Sven Petke scharfe
Kritik an der Arbeit der Potsdamer Staatsanwaltschaft geübt.
Diese ermittle bereits seit fast zwei Jahren wegen Geheimnisverrats gegen
einen ehemaligen Spitzel des brandenburgischen Verfassungsschutzes, sagte
der CDU-Politiker gestern in Potsdam. Bisher lägen aber immer noch keine
Ergebnisse vor.
Der damalige V‑Mann soll eine im Februar 2001 von der Polizei geplante
Razzia an die rechtsextremistische Szene verraten haben.
Angesichts dieses hoch sensiblen Themas sei von der Staatsanwaltschaft zu
erwarten, dass sie innerhalb eines überschaubaren Zeitraums ihre
Ermittlungen zu Ende führe, betonte Petke. Das zögerliche Vorgehen sorge
ständig für neue Spekulationen, die vom Verfassungsschutz und der
Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) im Landtag dementiert werden
müssten. Die Angelegenheit eigne sich einfach nicht für die öffentliche
Auseinandersetzung.
Nach einem RUNDSCHAU-Bericht belastet der Spitzel massiv den
Verfassungsschutz. Er hatte seinen früheren V‑Mann- Führer beschuldigt, die
Informationen über die geplante Razzia von ihm erhalten zu haben. Der
PKK-Vorsitzende Christoph Schulze (SPD) hatte dagegen in dieser Woche
erklärt, es gebe keinerlei Verdacht auf einen Verrat durch den Geheimdienst.
Der Informant müsse aus der Polizei stammen.