(Peter Könnicke) Kleinmachnow — Wie nähert man sich Kleinmachnow? Mit dieser Frage beginnt das Kleinmachnower Autorenpaar Jankowiak seine Betrachtungen der “Grünen Oase im märkischen Sand”, die vor zwölf Jahren erschienen sind. “Wie weit reichen die Wurzeln des Ortes zurück? Was ist wichtig?”
Dem hiesigen Schützenverein war zusammen mit dem Heimatverein vor wenigen Tagen ein Datum so wichtig, dass sie es mit einer Ehrung begingen: Zum 64. Todestag des Gutsbesitzers Dietloff von Hake legten sie an dessen Grab an der Dorfkirche einen Kranz nieder. Vor allem die zweibändige Familienchronik, mit der Dietloff von Hake zugleich eine umfangreiche Geschichtsdarstellung über das Rittergut verfasst hat, sieht Heimatvereinschef Rudolf Mach als ein Verdienst des Adligen. “Dietloff von Hake wäre heute sicherlich bei uns im Heimatverein Mitglied”, mutmaßte Mach während der Ehrung.
Vielleicht passt der Adlige aber doch nicht so gut in die Reihen der Kleinmachnower Heimatforscher, die sich in den vergangenen Jahren über die Ortsgrenzen hinaus einen Namen gemacht haben, weil sie – mit Mach an der Spitze – nachhaltig das dunkle Kleinmachnower Kapitel während des Nationalsozialismus aufgearbeitet haben. Dass vor dem Abriss der letzten Baracke eines Fremd- und Zwangsarbeiterlagers eine umfangreiche Dokumentation über die Anlage angefertigt wurde, eine Gedenktafel am einstigen Werktor der Dreilinden Maschinenbauanstalt an KZ- und Fremdarbeiter erinnert und im Mai eine Gedenkstätte am Stahnsdorfer Damm eingeweiht wird, sind Verdienste des Heimatvereins. Um so mehr sollte der Hinweis etlicher Kleinmachnower nachdenklich machen, sich Dietloff von Hake und seiner imposanten Hinterlassenschaft – der von ihm in Auftrag gegebenen Hakeburg – mit Augenmaß zu nähern. Denn Dietloff von Hake war überzeugtes Mitglied der NSDAP.
Der renommierte Kunsthistoriker Hubert Faensen, der in “Hightech für Hitler” die Hakeburg wie kein anderer seziert hat, gibt in diesem Buch einen Brief des Schwiegersohns von Dietloff von Hake wieder, in dem er ihn als “überzeugten PG” (Parteigenossen) beschreibt. Im “Institut für Adelsforschung, einer Internetplattform zum Deutschen Adel, findet sich Dietloff von Hake als stellvertretender Vorsitzender des 1934 gegründeten Adelsgerichtshofes. Dieser hatte zur Aufgabe, den deutschen organisierten Adel von einer Standes- in eine Rassegemeinschaft umzuformen. Von Hake, Rechts- und Staatswissenschaftler, wirkte in der “Abteilung für Rasse- und Abstammungsfragen”, der ein Sachverständiger für Rasseforschung des Reichsministeriums des Innern zur Seite stand. Nach einem Jahr lösten die Behörden des Dritten Reichs den Adelsgerichtshof auf, der als inoffizielle Einrichtung nicht länger geduldet werden sollte. Wie genau von Hake im Adelsgerichtshof wirkte und welche Aktivitäten er in der NSDAP entwickelte, ist bislang weitgehend unbekannt.
Um die Geschichte Kleinmachnows zu beleuchten, komme man an Dietloff von Hake nicht vorbei, so der Historiker Faensen. Er sei für den Ort interessant und wichtig, doch man müsse ihm den richtigen Stellenwert geben. Die “plötzliche Ehrung” des Adligen nennt der geschichtsbewusste CDU-Ortschef Maximilian Tauscher “völlig unnötig”. Solange der Kenntnisstand “unterbelichtet” sei, wäre mehr Zurückhaltung nötig. Der SPD-Orts- und Landespolitiker Jens Klocksin findet es “problematisch, wenn kurz vor dem 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz NSDAP-Mitglieder geehrt werden”. Klocksin, selbst Mitglied im Heimatverein, hält die Hake-Ehrung für “undurchdacht”. “Nicht die gelungenste Form” der Geschichtsarbeit nennt es der Bündnisgrüne Axel Mueller, seit wenigen Tagen Vorstandsmitglied im Heimatverein. Gleichwohl hält er die Auseinandersetzung mit der Frage um Dietloff von Hake für wichtig, “wir können Geschichte nur wahrnehmen, wenn wir darüber reden.” Mit kritischem Rückblick meint Mueller: “Wir hätten im Heimatverein die Quellen besser studieren sollen.”
Vereinschef Mach sieht die Kranzniederlegung inzwischen vor einem “empfindlichen Hintergrund”. Er bemühe derzeit zu Dietloff von Hake verschiedene Archive. Dem Wirken der Hake-Linie in Kleinmachnow, die den Ort über Jahrhunderte dominiert haben, und vor allem dem 100. Jahrestag der Fertigstellung der Hakeburg 2008 könne man sich aber nicht entziehen.
In der Schützengilde kann Vereinschef Bruno Jahre die Aufregung nicht verstehen. Der Verein trägt den Namen “Dietloff von Hake”, woran Jahre auch nach den Hinweisen auf die NSDAP-Mitgliedschaft nichts überdenkenswert findet. “Die Literatur, die mir vorliegt, gibt nichts Negatives über Dietloff von Hake her”, meint Jahre, der zugleich betont, dass es in seiner Familie selbst Opfer der Nazi-Herrschaft gegeben habe und er daher nicht leichtfertig mit dem Thema umgehe. Dass sich mit Professor Hubert Faensen ein äußerst profilierter Historiker mit der Geschichte der Hakeburg und des Adelsgeschlechts beschäftigt hat und auf Dietloff von Hakes Mitgliedschaft in der Partei der Nationalsozialisten hinweist, beeindruckt Jahre kaum: “Da gebe ich wenig drauf.” Ihn würden weniger Meinungen, sondern Fakten und Unterlagen interessieren. Auch dass der Schützenverein mit dem 64. Todestag des Adligen ein ungewöhnliches Datum zum Anlass nahm, eine Ehrung ihres Namenspatrons zu initiieren, hält Jahre für nicht unbegründet: “Irgendwann muss man ja mal anfangen.” Und schließlich sei der im Vorjahr gegründete Schützenverein nicht der einzige, der sich um die Würdigung der Hakes verdient mache, sagt Jahre und verweist auf die Bemühungen eines Fördervereins, die Alte Hakeburg wieder aufzubauen. Untauglich ist der Hinweis, dass die CDU im Ort sich vor Jahren darum bemüht hat, die Thälmannstraße wieder in Hakenheide umzubenennen. Denn der Name hat wenig mit der Gutsherrenfamilie zu tun. Namensgeber ist schlichtweg ein Haken im Straßenverlauf.