(MAZ, Marion Bergsdorf) HENNIGSDORF Mit glänzenden Augen schauen die Kinder im Asylbewerberheim in Stolpe-Süd
auf das Fahrradmeer zwischen den Wohnblöcken. Zuerst seien die Kinder dran,
heißt es. Zwei kleine Mädchen laufen zu Kinderfahrrädern und jedes hält
eines fest. Denn die Räder und künftigen Nutzer werden notiert. Und klar ist
auch, dass nicht jeder Heimbewohner ein Fahrrad erhalten wird.
Doch immerhin sind gestern 64 Fahrräder für Kinder und Erwachsene an
Asylbewerber übergeben worden — als Geschenk. Und das wollten die
Beschenkten gar nicht glauben. Wo sie doch sonst mit jedem Cent rechnen
müssen, erhalten sie ein Geschenk. Und was für eines. Denn die Wege zwischen
Heim und Schule oder Heim und Supermarkt sind lang und die Schultaschen oder
Einkaufstüten schwer.
Gerührt waren gestern auch die Initiatoren der Fahrradaktion — Hans Welzel
und Uta Sachse vom Hennigsdorfer Ratschlag. Gerührt über die Freude der
Beschenkten und die spontane Hilfe aus der Bevölkerung.
Das Paar, das sich auch als Lernpate für Kinder aus dem Asylbewerberheim
engagiert, hatte den Fahrradbedarf erkannt. Einen weiteren Anstoß erhielten
beide während der Mixed-Pickels-Woche 2003, als aufgearbeitete Fahrräder
verlost worden waren. Ihr Patenkind Mattina aus Sierra Leone hatte sich
gemeinsam mit vielen anderen Kindern um die Fahrräder beworben. Auch ein
Veltener Junge beteiligte sich an der Verlosung. Wenn er ein Fahrrad
ergattert hätte, erzählte er danach, hätte er es Mattina gegeben. Die beiden
Kinder hatten sich während der Mixed-Pickels-Ferienwoche kennen gelernt.
Diese Solidarität hat nun auch in großem Umfang funktioniert. Denn Hans
Welzel und Uta Sachse hatten aufgerufen, Fahrräder, Ersatzteile und Geld zu
spenden. Verwandte, Bekannte, Einwohner aus ganz Oberhavel, der Jugendklub
Konradsberg, die PuR, der Verein Internationaler Solidaritätsdienst (Sodi),
der Material für die ganze Welt sammelt — von überall kam Unterstützung.
Bald hatte sich der Hof von Hans Welzel und Uta Sachse in ein Fahrradlager
verwandelt. Und das gemeinnützige WIBZ (Wartenberger Innovations- und
Bildungszentrum) aus Berlin wird die Wartung der Fahrräder übernehmen. Der
Hennigsdorfer Fahrradladen Ebert bot Fahrradschlösser zu einem Preis an, der es den Organisatoren ermöglichte, für jedes
Fahrrad auch ein Schloss zu kaufen.
Revierpolizist Wolfgang Klinkers war ebenfalls mit vor Ort und gab
Fahrradpässe aus, damit die Kinder die Codierungsnummern der Räder dort
eintragen konnten. Damit finde man die Räder bei Diebstahl wieder, sagte
Klinkers.
64 Fahrräder sind verteilt, alle Kinder erhielten gestern eines, doch für
die Erwachsenen werden weitere benötigt. Als zusätzliches Ziel will Hans
Welzel die Fahrradständer im Asylbewerberheim verbessern. Außerdem soll
Werkzeug angeschafft und die radelnden Heimbewohner sollen angeleitet
werden, ihr Fahrrad selbst zu reparieren.
Wer die Fahrradaktion unterstützen möchte, sollte Kontakt mit Hans Welzel
aufnehmen, 03302/22 53 30.