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Antifaschismus

Ein Neonazi als Kickboxtrainer

Tom Willy Fis­ch­er: Kick­box­train­er an der Uni­ver­sität Pots­dam und Neonazi

Ein­drück­lich beschreibt die aktuelle Kam­pagne „Runter von der Mat­te – Kein Hand­shake mit Nazis“, wie die neon­azis­tis­che Kampf­s­port­szene aufgestellt ist und wie wichtig es ist, wach­sam zu bleiben, wenn Rassist_innen und Neon­azis Kampf­s­port betreiben. Vorstel­lun­gen wehrhafter Männlichkeit und völkisch-ras­sis­tisch imag­iniert­er Kör­perkult – so kön­nen Neon­azis ihre sportlichen Aktiv­itäten ide­ol­o­gisch aufladen und sich einen „tief­er­en“ Sinn einreden.
Ger­ade Kampf­s­port oder Kampfkün­ste sowie Selb­stvertei­di­gung­stech­niken kön­nen, durch die Propagierung ein­er ver­meintlichen „Über­frem­dung“, dem „Schutz des eige­nen Volkes“ oder der „Vertei­di­gung“ wahlweise Deutsch­lands oder Europas, pop­kul­turell und niedrigschwellig poli­tisch instru­men­tal­isiert wer­den. Unter dem Deck­man­tel des Sportes kön­nen so neon­azis­tis­che Mod­e­la­bels Geld ver­di­enen und auf Kampf­s­portevents der Neon­azi- Szene wird sich vernetzt.
Auch in Pots­dam sind Aus­prä­gun­gen dieser Szene, oft gemis­cht aus Neon­azis, Sicher­heits­gewerbe und Rock­er-Struk­turen, zu beobacht­en. In der Ver­gan­gen­heit fan­den in der Stadt mehrere Events mit Beteili­gung dieser Mis­chszene statt. Aber auch in einem ver­meintlich ser­iöseren Milieu, dem uni­ver­sitären Kon­text, ist es Neon­azis möglich, sich entsprechend zu betäti­gen – als Train­er ist beispiel­sweise der langjährige Neon­azi Tom Fis­ch­er im Zen­trum für Hochschul­sport der Uni­ver­sität Pots­dam engagiert. Hier leit­et er jeden Dien­stag und Fre­itag Kickbox-Kurse.
Schon 2015 wurde durch Antifaschist_innen die (uni­ver­sitäre) Öffentlichkeit über den neon­azis­tis­chen Hin­ter­grund von Tom Willy Fis­ch­er informiert. [1] Nach seinem Schulbe­such am Leib­niz-Gym­na­si­um und der Steuben-Gesamtschule sowie Zivil­dienst am Klinikum „Ernst von Bergmann“ studiert er seit vier Jahren an der Uni­ver­sität Pots­dam u.a. Philoso­phie. Mit­tler­weile ist Fis­ch­er nicht nur Teil­nehmer an Vor­lesun­gen und Sem­i­naren, son­dern als Train­er mit Studieren­den betraut und damit auch Repräsen­tant für den Hochschul­sport und die Uni­ver­sität Pots­dam. [2] Dabei ist davon auszuge­hen, dass er nicht lediglich sportliche Inhalte ver­mit­telt, son­dern auch ver­sucht, das ein­gangs genan­nte ide­ol­o­gis­che Fram­ing sub­til ein­fließen zu lassen. Er selb­st ist durch seine Erfahrung im Kick­box­en poten­ziell hochge­fährlich für Per­so­n­en, die nicht in sein men­schen­feindlich­es Welt­bild passen.
Sportliche Betä­ti­gung ist in der Pots­damer Neon­aziszene nichts Neues.
Sie spie­len in Fußbal­lvere­inen wie Ein­tra­cht Babels­berg 90, For­tu­na Babels­berg, SG Töplitz oder SG Born­im, sie trainieren als Neon­azi-Hooli­gans Judo oder tur­nen als Cheer­leader. Aber auch als poli­tis­ches Event nutzt die hiesige Szene den Sport, um sich ken­nen­zuler­nen und des Grup­penge­fühl zu stärken. Die Pots­damer Neon­aziszene ver­anstal­tete beispiel­sweise 2009 ein so genan­ntes nationales Fußball­turnier in Neu-Fahrland. Das Turnier fungierte damals, neben der Glo­ri­fizierung ihrer NS-Kör­peride­alvorstel­lung, auch als Ver­net­zungstr­e­f­fen. Über 70 Neon­azis aus ganz Bran­den­burg beteiligten sich. Bere­its bei diesem Fußball­turnier war Tom Fis­ch­er Mannschaftsmitglied.
Still aus dem Video von „Der III. Weg“ über ihr Zelt­lager 2016; rechts Tom Fischer

Dass Fis­ch­er nicht nur „harm­los­er“ Mitläufer ist, was an sich in sein­er Posi­tion als Train­er eben­falls nicht trag­bar wäre, zeigt sein Engage­ment für die neon­azis­tis­che Partei „Der III. Weg“. Im August 2016 war er Anleit­er für die kampf­s­portliche „Weit­er­bil­dung“ bei einem Zelt­lager des „Stützpunk­tes Mit­tel­mark (Hav­el)“ der Partei. An diesem nah­men neben Fis­ch­er u.a. auch sein guter Fre­und Mar­tin Klahr, der eben­falls interne Schu­lun­gen für die Partei hält, und Christin Bathe teil. In einem Bericht schreiben die Neon­azis: „Wir wis­sen jedoch, dass ein gesun­der Geist in einem gesun­den Kör­p­er lebt, daher ist neben der geisti­gen Gesun­der­hal­tung auch der kör­per­lichen Ertüch­ti­gung nachzuge­hen.“ Außer­dem fer­tigten sie ein Video an, um ihre Aktiv­itäten zu doku­men­tieren und szenein­tern zu demon­stri­eren, wie umfassend sie sich durch Erler­nen von Kno­ten­tech­niken und Feuer­lehre geschult haben. Tom Fis­ch­er zeigte den anderen Neon­azis, wie Pratzen gehal­ten wer­den, wie ges­par­rt wird sowie diverse „Schlag‑, Tritt- und Grifftech­niken“ – vorge­blich als „Selb­stvertei­di­gungs­maß­nah­men“. [3]

Tom Fis­ch­er (l.) mit seinem Fre­und Mar­tin Klahr

Dass „Selb­stvertei­di­gung“ im Kon­text stramm nation­al­sozial­is­tis­ch­er Ide­olo­gie etwas anderes bedeutet – näm­lich die Recht­fer­ti­gung und Ausübung von Gewalt gegenüber peo­ple of colour, Antifaschist_innen und Men­schen, die nicht in ihr völkisch-ras­sis­tis­ches Welt­bild passen – wird umso klar­er, wenn die Inhalte und Aktio­nen der Partei „Der III. Weg“ vor Augen geführt wer­den. So machte die Neon­azi­partei am 1. Mai 2016 bun­desweit Schlagzeilen, als es auf ihrer Demon­stra­tion in Plauen zu hefti­gen gewalt­täti­gen Angrif­f­en aus dem Demon­stra­tionszug her­aus kam. Aggres­siv ging es auch the­ma­tisch weit­er. So forderten die anwe­senden Neon­azis einen „Deutschen Sozial­is­mus“, wom­it, ergänzt mit der Parole „Nationaler Sozial­is­mus jet­zt“, immer wieder der his­torische Nation­al­sozial­is­mus her­auf­beschworen wird.
Einige Neon­azis des Pots­damer „Stützpunk­tes“ fie­len in der Ver­gan­gen­heit mit Bedro­hun­gen und Gewalt­tat­en auf.
Tom Fis­ch­er (rechts am Trans­par­ent) auf ein­er Neon­azi-Demon­stra­tion am 7. Juni 2008 in Gen­thin; im Vorder­grund mit blauem Cap Mirko Kubeler

Vor seinen Aktiv­itäten bei „Der III. Weg“ nahm Tom Fis­ch­er nur vere­inzelt an Aufmärschen teil und ver­suchte sich bedeckt zu hal­ten, u.a. weil er bedacht darauf ist, seinen Aktivis­mus und poli­tis­ches Welt­bild nicht allzu offen zu präsen­tieren, um möglichen Anfein­dun­gen und Nachteilen vorzubeu­gen. Lediglich in jün­geren Jahren war er als Mit­glied der „Freien Kräfte Pots­dam“ Teil­nehmer bei neon­azis­tis­chen Demon­stra­tio­nen, beispiel­sweise am 7. Juni 2008 in Gen­thin an der Demon­stra­tion „Nationale Zen­tren erkämpfen – Polizeis­taat abschal­ten“ der „Jun­gen Nationaldemokraten“.
An dieser Demon­stra­tion nahm er zusam­men mit anderen Pots­damer Neon­azis, u.a. Gabor Grett, Mirko Kubel­er, Mar­tin Klahr, Chris­t­ian Bushardt, Sebas­t­ian Glaser, Patrick Bün­sch, Den­nis Helm­st­edt und Nino Sch­neck­en­berg teil. Sie forderten auf zwei mit­ge­bracht­en Trans­par­enten „Nationale Jugendzen­tren“ und „Nationaler Sozial­is­mus Jetzt!“.

Pots­damer Neon­azis am 7. Juni 2008 auf einem Auf­marsch in Gen­thin; Chris­t­ian Bushardt und Sebas­t­ian Glaser (3. & 4. v. l.), Tom Fis­ch­er und Gabor Grett (Bild­mitte, Fis­ch­er im Hin­ter­grund), Mirko Kubel­er und Patrick Bün­sch (5. & 4. v. r.) sowie ganz rechts Den­nis Helm­st­edt (Hin­ter­grund) und Nino Sch­neck­en­berg (Vorder­grund)

Auch zu dem dama­li­gen Szenekad­er Mar­cel Guse, mit Mirko Kubel­er ein­er der Köpfe hin­ter „Info­por­tal Pots­dam“ und ver­ant­wortlich für mehrere „spon­tane“ Aktio­nen und Aufmärsche im Stil der „Spreelichter“, hielt Fis­ch­er Kontakt.
Dass Tom Fis­ch­er dur­chaus gewalt­tätig wer­den kann, darauf weist eine Aus­sage vor dem Amts­gericht Pots­dam im Som­mer 2014 hin: Er wird als Mit­täter eines ras­sis­tis­chen Über­griffs am Mor­gen des 20. Okto­ber 2013 am Pots­damer Haupt­bahn­hof genan­nt. Durch die schlampige Arbeit der Polizei, die fälschlicher­weise den Neon­azi Nino Sch­neck­en­berg als Täter pro­duzierte, der let­z­tendlich frei gesprochen wurde, kon­nte Fis­ch­er so nicht als mut­maßlich tat­säch­lich­er Täter vor Gericht gestellt werden.
Als Train­er ist Tom Fis­ch­er im Hochschul­sport nicht halt­bar. Aus ein­fach­sten poli­tis­chen Erwä­gun­gen und mit Rück­sicht auf andere Studierende ist den Ver­ant­wortlichen drin­gendst nahegelegt, das Ver­hält­nis mit Fis­ch­er umge­hend zu beenden.
[1] https://linksunten.indymedia.org/ – nicht mehr abrufbar
[2] https://buchung.hochschulsport-potsdam.de/angebote/aktueller_zeitraum/_Kickboxen.html
[3] Video „Zelt­lager 2016 an der Hav­el“ unter https://www.youtube.com/watch?v=MHbX7fKISBQ

 
unsere bish­eri­gen Texte über Neon­azis in Pots­damer Sportvereinen:
Cheer for NS – Pots­damer Neon­azi: Mario Schober – Feb­ru­ar 2012
Still cheer­ing: Mario Schober mehr als unglaub­würdig, Vere­in ver­harm­losend – Feb­ru­ar 2012
Thomas Pecht: Volkss­port für die Volks­ge­mein­schaft? – März 2012
Gewal­tro­man­tik trifft auf Neon­azi­denken – „Crimark“ – Neon­azi-Hools in Rot-Weiß – Mai 2012
Schober und Pecht noch immer etabliert – Vere­ine hofieren Neon­azis – Juni 2012
Pots­damer Neon­azis auch 2013 sportlich? – April 2013
Stadt­sport­bund unter­stre­icht seine Ohn­mächtigkeit gegen Neon­azis in den eige­nen Rei­hen – April 2013
„Pots­dam bewegt“ sich nicht – Pots­damer Sportvere­ine und ihre Neon­azis – Novem­ber 2014
Lukas Franz: Organ­isiert­er Neon­azi in der „Sport­ge­mein­schaft Töplitz 1922 e.V.“ – Feb­ru­ar 2015
Ver­strick­un­gen ins neon­azis­tis­che Milieu – For­tu­na Babels­berg bewegt sich nicht – Okto­ber 2015
Reak­tion von For­tu­na Babels­berg ist symp­to­ma­tisch – Okto­ber 2015

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