Potsdam So hatte sich Tobias die vom Bundeskanzler den USA nach den Anschlägen vom 11. September versprochene “uneingeschränkte Solidarität” nicht vorgestellt. Die Universität Potsdam, an der er Politikwissenschaft studiert, informierte ihn Mitte Oktober schriftlich, dass sie seine Personendaten im Rahmen der bundesweiten Rasterfahndung zur Auffindung von Terroristen an das Landeskriminalamt (LKA) auf Anordnung weiter gegeben hatte. Tobias erfüllt Kriterien, nach denen die Polizei in Brandenburg auf Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde fahndet: Er ist männlich, älter als 18 und jünger als 50 Jahre, und er hat die deutsche Staatsangehörigkeit, aber keinen deutschen Geburtsort.
Kurioserweise wurde Tobias in New York geboren und besitzt auch einen amerikanischen Pass.
Dass er zu den Verdächtigen gehört, die ein “terroristisches Gewaltverbrechen” vorbereiten könnten, hält der 27-Jährige für absurd. Er und andere Betroffene der Rasterfahndung an der Uni Potsdam, hätten Angst, nun als Terroristen zu gelten. Doch die Rasterfahndung machte auch vor einem polnischen Studenten der Uni nicht halt. Insgesamt gab die Uni 240 Datensätze weiter, berichtet Rico Janke, Referent des Uni-Rektors. Da Mehrfachnennungen möglich waren, seien etwa 100 Personen betroffen. Der 32-jährige Student M.G., der seinen Namen aus Angst nicht nennen möchte, fühlt sich in seiner Ehre verletzt, weil er, wie er sagt, ohne Verdacht pauschal registriert werde. Der Student der Politikwissenschaft wurde in Ägypten, einem von 30 “verdächtigen” Herkunftsstaaten, geboren und hat die deutsche Staatsangehörigkeit. M.G. hat Angst vor dem, was als nächstes passieren könnte. “Wird vielleicht mein Telefon schon abgehört?” Bei der Polizei habe man ihm erklärt, warum er in das Raster fällt: Das “Problem” sei, dass er im Ausland geboren wurde. Dass diese Tatsache ausreicht, ihn in die Nähe des Terrorismus zu bringen, hält er für eine Frechheit. “Ich habe am 11. September geweint.” Er denke bereits über einen Uni-Wechsel nach.
Denn die Kriterien für die Rasterfahndung sind Ländersache und in Berlin beispielsweise nicht so weit gefasst. So seien an der viel größeren Humboldt-Uni nur 29 Studenten erfasst. Mit der Verdächtigung von Menschen arabischer Herkunft würden Antipathien und Vorurteile geschürt, sagt der Student. Er kenne viele Moslems, die ohnehin Angst hätten, sich in Ostdeutschland aufzuhalten.
“Die Rasterfahndung ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die sich durch ausländerfeindliche Übergriffe hervortun”, kritisierte gestern Falk Richter von der Offenen Linken Liste an der Uni Potsdam. Die Ermittlungsmethode sei rechtsstaatlich zweifelhaft. Betroffene, auf die die Kriterien zuträfen, seien für die Fahnder prinzipiell suspekt. Und für die zugesagte Löschung der Daten gebe es keine Frist. Ob rechtliche Schritte gegen die Fahndung möglich seien, werde geprüft, so Richter. Die Rasterfahndung drücke Hilflosigkeit der Ermittlungsbehörden aus. Die Kriterien zur Erfassung seien willkürlich festgelegt. Immerhin, so Richter, sei die Potsdamer Uni bundesweit die einzige Hochschule, die die betroffenen Studenten über die Herausgabe von deren Daten informiert habe.