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Ein Opfer rechter Schläger offenbart seine Gedanken

(LR, 11.12.) “Mein Sohn hat etlich­es ver­drängt, aber vergessen hat er nichts” — Horst
Mar­tin erin­nert sich an den 27. Sep­tem­ber 2003, als er im Bei­sein seines
zehn­jähri­gen Sohnes in ein­er Cott­tbuser Straßen­bahn von drei jungen
Recht­sradikalen zusam­mengeschla­gen wurde. Damals hat­te er sich schützend vor
ein far­biges Pärchen gestellt, das von den Neon­azis angepö­belt wurde. Alle
drei Täter wur­den bestraft. Jet­zt berichtete Horst Mar­tin, zwischenzeitlich
von Bran­den­burgs Min­is­ter­präsi­dent Matthias Platzeck mit dem “Band für Mut
und Ver­ständi­gung” aus­geze­ich­net, vor dem “Cot­tbuser Auf­bruch” über den
Prozessverlauf. 

Einen der Täter, den 17-jähri­gen Pierre S. beze­ich­nete Horst Mar­tin als
“unbelehrbar” . Nach der Prügelei im Sep­tem­ber habe er schon wieder neue
Straftat­en auf dem Kerb­holz, unter anderem eine räu­berische Erpres­sung. Dass
er zu zwei Jahren Jugend­strafe ohne Bewährung verurteilt wurde, hält Martin
für angemessen. Der zweite Schläger, der zur Tatzeit 20 Jahre alte Sebastian
H., der ger­ade als Oberge­fre­it­er die Bun­deswehr ver­lassen hat­te, wurde zu 18
Monat­en Gefäng­nis ohne Bewährung verurteilt, berichtete Horst Mar­tin vor dem
Cot­tbuser Auf­bruch. Er sei mit ein­er Led­er­jacke mit Auf­schrift “Landser” vor
Gericht erschienen und von der Rich­terin vier­mal ver­warnt wor­den. Auch über
Sebas­t­ian H. lautet Mar­tins Bew­er­tung: “Unbelehrbar” .

Anders beim drit­ten Täter, dem 18-jähri­gen Nico F. Er hat sich nach
Schilderung seines Opfers von der recht­en Szene los­ge­sagt. Seine neue
Fre­undin übe offen­sichtlich einen guten Ein­fluss auf ihn aus. Nico F. habe
sich schriftlich bei ihm entschuldigt, berichtete Horst Mar­tin. Allerdings
sei dieser Brief in ein­er anderen Hand­schrift ver­fasst und von dem
18-jähri­gen nur unter­schrieben. “Ich habe diese Entschuldigung nicht
angenom­men” , erk­lärte der 57-Jährige, “wenn der junge Mann bere­it gewesen
wäre, vier Wochen lang ein Asy­lanten­heim zu reini­gen, hätte ich dies als
Entschuldigung akzep­tiert” . Der Vater des Täters habe sich bere­it erklärt,
das geforderte Schmerzens­geld zu begle­ichen, sagte Horst Mar­tin. Doch die
Rich­terin habe zu Recht darauf bestanden, dass dies der junge Täter selbst
tun müsse. So hat Nico F. monatlich 20 Euro von seinem Lehrlingsgehalt
aufzubrin­gen. er wurde zu zwei Jahren Jugend­strafe verurteilt, die auf drei
Jahre zur Bewährung aus­ge­set­zt sind. 

Das Opfer Horst Mar­tin hält die Urteile für angemessen. Er war im September
in der Straßen­bahn mit Faustschlä­gen, Kopf­stößen und Trit­ten ins Gesicht
trak­tiert wor­den. Am meis­ten hat­te ihn die Teil­nahm­slosigkeit der anderen
Fahrgäste geschockt. Kein­er der Anwe­senden hat­te einge­grif­f­en. Später
meldete sich ein Zeuge, dank dessen Hin­weis­es die drei Haupttäter
iden­ti­fiziert wer­den kon­nten. Sie waren teils vorbe­straft wegen
Gewalt­de­lik­ten mit recht­sradikalem Hintergrund. 

Der Zus­pruch von Mit­bürg­ern nach der Tat habe sehr geholfen, sagte Horst
Mar­tin beim Tre­f­fen des Cot­tbuser Auf­bruchs: “Es war gut, dass danach gleich
jemand da war.” 

“Das The­ma Recht­sradikalis­mus ver­lässt uns nicht” , sagte Mar­ti­na Münch,
Vor­sitzende des Cot­tbuser Auf­bruchs. Recht­sex­trem­is­mus nehme drama­tisch zu,
häu­fig auch bei Frauen. 

Die Erfahrun­gen von Horst Mar­tin wer­den in einem Band wiedergegeben, den
Wil­helm Heit­mey­er 2005 in der edi­tion Suhrkamp mit dem Titel “Deutsche
Zustände” veröffentlicht.

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