Als »ein Haus mit sonnigen Zimmern und einem größeren abgeschlossenen Garten, in dem ich spazieren, humpeln und eingepackt liegen kann«, beschrieb die KPD-Reichstagsabgeordnete Clara Zetkin das Domizil in Birkenwerder. 1929 hatte der Sohn Konstantin das Haus in der damaligen Bahnhofsallee 14 für die Mutter gekauft. Der alten Frau sollte die beschwerliche Anfahrt aus Sillenbuch bei Stuttgart erspart bleiben, wenn sie ins Parlament wollte. Heute befindet sich in dem Haus eine kleine Gedenkstätte, eingerichtet 1957 zum 100. Geburtstag der Politikerin.
Früher belegte die Gedenkstätte das gesamte Gebäude. Nach dem Ende der DDR schmolz die Ausstellung auf zwei Räume im Obergeschoss – der größere ist ein Veranstaltungssaal mit Schautafeln an den Wänden. Möbel und persönliche Gegenstände finden sich in der Kammer daneben.
In einer Vitrine liegen ein Spazierstock, eine Präsentmappe und ein Tuch. Zwei Regale sind vollgestopft mit deutscher, englischer und russischer Literatur, darunter August Bebels »Die Frau und der Sozialismus«. Auf dem Tisch steht ein Samowar, der ebenso eine kyrillische Inschrift trägt wie ein Teller mit einem Porträt Clara Zetkins. An der Wand hängt ein von Friedrich Zundel gemaltes Bild. Zetkin war mit dem Künstler verheiratet. Auf dem Schreibtisch liegt ein Schreiben aus dem Jahr 1927. Darin gratuliert die Belegschaft einer Berliner Zigarettenfabrik zum 70. Geburtstag. Es ist nicht gerade viel, was von der Gedenkstätte übrig blieb. Und doch ist der Einzug der Gemeindebibliothek 1992 auch ein Glücksfall. Das Bibliothekspersonal schließt oben auf, wenn sich jemand für Zetkin interessiert – während der Öffnungszeiten und auf Anfrage auch außerhalb, für Gruppen sogar am Wochenende. Für einen extra Betreuer gab es schon seit Jahren kein Geld mehr. Am besten kauft man sich für 1,50 Euro unten in der Bibliothek die schmale Broschüre »Clara Zetkin – eine Annäherung«.
Von 1926 bis 1929 und dann wieder ab 1932 bis zu ihrem Tod 1933 lebte Zetkin im Erholungsheim des russischen Ministerrates in Archangelskoje und auch in der Zeit dazwischen reiste sie viel. Selbst als sie 1932 aus der Sowjet- union nach Berlin fuhr, um als Alterspräsidentin den Reichstag zu eröffnen und zur Einheitsfront gegen die Faschisten aufzurufen, nächtigte Zetkin nicht in ihrem Haus in Birkenwerder. Aus Sicherheitsgründen sollte nur ein kleiner Kreis von ihrer Ankunft wissen. Zetkin kam bei Genossen unter.
Wegen der kurzen Aufenthalte hält mancher im Ort die Gedenkstätte für überflüssig. Es gab Bestrebungen, sie aufzulösen. Dabei spielt wohl eine Rolle, dass Zetkin die Oktoberrevolution begrüßte. Nicht einmal 27 Jahre an der Spitze der sozialdemokratischen Frauenzeitschrift »Die Gleichheit« machen diesen angeblichen Makel wett. Fast entschuldigend wirkt vor diesem Hintergrund die Formulierung auf einer Tafel an der Treppe: »Bis heute muss man nicht mit ihrer Überzeugung übereinstimmen oder kann zu dem Schluss kommen, dass ihr Ansinnen historisch falsch war. Anzuerkennen bleibt aber ihr Engagement für sozial Benachteiligte und vor allem für die Rechte der Frauen.«
Das Haus entstand 1911/12 für den Maler Kurt Drabig. Kurz nach der Machtübernahme der Faschisten wurde es durchsucht. In der Bodenkammer liegende Druckschriften und Briefe wurde beschlagnahmt und an die Gestapo übergeben. Der Staat riss das Anwesen an sich. Ein Verkauf an den Reichsluftschutzbund scheiterte an den Kosten. 1949 bekam der Sohn Maxim Zetkin das Haus.
Am 5. Juli wäre der 150. Geburtstag von Clara Zetkin. Aus diesem Anlass gibt es das ganze Jahr über Veranstaltungen in Birkenwerder. Höhepunkt ist das Wochenende 7./8. Juli. Dann stehen zum Beispiel Lesungen auf dem Programm. Ein Märchenerzähler trägt aus der Kinderbeilage der »Gleichheit« vor, informiert Manuela Dörnenburg vom Förderverein der Gedenkstätte.
Clara-Zetkin-Gedenkstätte Birkenwerder, Summter Str. 4, Tel.: (033 03) 40 27 09, Mo. und Fr. 11–16 Uhr, Di. und Do. 11–18 Uhr, Eintritt: 1,25 Euro, Kinder 0,75 Cent