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Eine Panzerfaust für den Nazi-Terroristen

(Tagesspiegel, 03.03.04, Frank Jansen) Neu­rup­pin. Der Schreck­en war gewaltig. Im Spät­som­mer kam die Polizei eher
zufäl­lig ein­er Gruppe Neon­azis auf die Spur, die einen Bombe­nan­schlag auf die Baustelle des jüdis­chen Gemein­dezen­trums in München plante — und dabei wom­öglich bei der Grund­stein­le­gung Bun­de­spräsi­dent Johannes Rau, den
bay­erischen Min­is­ter­präsi­den­ten Edmund Stoiber und andere Ehrengäste töten wollte. Am 9. Novem­ber, dem Jahrestag der Pogrom­nacht von 1938. 

Schla­gar­tig wurde die Gefahr recht­sex­tremen Ter­rors sicht­bar, Bay­erns Innen­min­is­ter Gün­ther Beck­stein sprach sog­ar von ein­er “Braunen Armee Frak­tion”. An eine bun­desweite agierende, straff organ­isierte Terrorgruppe
glaubt zwar kaum ein Sicher­heit­sex­perte, doch ent­deck­ten die Fah­n­der Verbindun­gen der poten­ziellen Atten­täter über Bay­ern hin­aus — bis hin nach Meck­len­burg- Vor­pom­mern, Berlin und Bran­den­burg. Zwei Bran­den­burg­er, die als
Sprengstof­fliefer­an­ten der Ter­ror­gruppe um Mar­tin Wiese geholfen haben sollen, müssen sich nun vor dem Landgericht Neu­rup­pin ver­ant­worten. Am heuti­gen Mittwoch begin­nt der Prozess. 

Angeklagt sind Mar­cel K. (25) und Steven Z. (24), bei­de stam­men aus der Umge­bung der uck­er­märkischen Kle­in­stadt Brüs­sow. Steven Z. ist verkrüp­pelt, er ver­lor 1998 bei Bastelei mit Sprengstoff eine Hand und einen Unterarm.
Gen­er­al­bun­de­san­walt Kay Nehm hat das Ver­fahren gegen die bei­den Män­ner vom Münch­n­er Haup­tkom­plex abge­tren­nt und an die Staat­san­waltschaft Neu­rup­pin übergeben, da Mar­cel K. und Steven Z. eine Ken­nt­nis der Anschlagspläne der
Münch­n­er Gruppe nicht nachzuweisen und damit der Ter­ror­is­musvor­wurf hin­fäl­lig war. So lautet die Anklage gegen K. und Z. “nur” noch auf Ver­stoß gegen das Sprengstoffgesetz. 

Die Neu­rup­pin­er Anklage­be­hörde hält K. und Z. vor, sie hät­ten Anfang Mai 2003 nahe Ramin (Vor­pom­mern) eine alte Panz­er­faust gebor­gen, um an den in der Granate steck­enden Sprengstoff her­anzukom­men. Es soll sich um eine Mis­chung aus TNT und Hex­o­gen gehan­delt haben, ins­ge­samt ein Kilo. Die
Granate sei zu dem in Brüs­sow wartenden Neon­azi-Anführer Wiese gebracht wor­den, heißt es in Sicher­heit­skreisen. Wiese und ein Kumpan hät­ten das Geschoss aufgesägt und den Sprengstoff her­aus­ge­holt — der ver­mut­lich für den
geplanten Anschlag auf das jüdis­che Gemein­dezen­trum vorge­se­hen war. 

Mar­cel K. und Steven Z. sollen an diesem Maitag auch nach Polen gefahren sein, um nahe Stet­tin Übungsmu­ni­tion aus ver­rot­ten­den Rest­bestän­den der Armeen des früheren Warschauer Pak­ts aufzuk­lauben. Zwei Panzergranaten,
allerd­ings nicht explo­sion­stauglich, hät­ten die Män­ner auch nach Brüs­sow trans­portiert, sagen Sicherheitsexperten. 

Die Staat­san­waltschaft wirft Mar­cel K. außer­dem vor, er habe vier Pis­tolen, Muni­tion und Sprengstoff besessen. Die Waf­fen seien “Wehrma­chtss­chrott”, ist in Sicher­heit­skreisen zu hören. Den Sprengstoff habe K. eben­falls in der
Land­schaft gefun­den. Die Muni­tion soll er sich in Stet­tin beschafft haben. 

Für den Prozess gegen K. und Z. ist nur ein Ver­hand­lungstag vorge­se­hen. Die Angeklagten sind nach Infor­ma­tio­nen des Tagesspiegel teil­weise geständig. Wann der Prozess gegen die Wiese-Gruppe begin­nt, ist offen. Der Gen­er­al­bun­de­san­walt wird ver­mut­lich im Früh­jahr Anklage erheben. Derzeit sitzen fünf Tatverdächtige in Haft, ermit­telt wird gegen ins­ge­samt 14 Rechtsextremisten.

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