«Eine Pumpgun ist keine Sportwaffe»
Interview mit Innenminister Jörg Schönbohm über die Folgen von Erfurt und seine politischen Ambitionen auf Bundesebene
Potsdam — Nach dem Massaker in Erfurt fordert Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) die weitere Verschärfung des Waffenrechts. Künftig soll festgeschrieben werden, wer welche Waffen besitzen darf. Auch die rechtliche Regelung, wonach Eltern nur mit Genehmigung ihrer volljährigen Kinder über die Schulnoten informiert werden dürfen, gehöre überprüft. Mit Jörg Schönbohm sprachen Gudrun Mallwitz und Hans-Erich Bilges.
Was muss nach dem Amoklauf von Erfurt passieren? Wo sollte das Waffenrecht verschärft werden?
Jörg Schönbohm: Da ist noch einiges zu klären: Zum Beispiel, wo die Waffen aufbewahrt werden sollen. Zu Hause oder in den Schützenvereinen. Wir sollten auch festschreiben, wer unter welcher Voraussetzung wie viele und welche Waffen besitzen darf. Nehmen Sie die Pumpgun, das ist doch keine Sportwaffe! Geprüft gehört, ob der Waffenbesitz ab 18 oder 21 Jahre erlaubt sein soll. Auch im Melderecht ist einiges zu verbessern.
Die Eltern des Täters wussten nicht, daß er der Schule verwiesen war…
… ja. Hier müssen wir die geltenden Regelungen überprüfen. Es kann überhaupt nicht angehen, dass Eltern nur mit Genehmigung ihrer Kinder über die Schulnoten oder den Versetzungszustand informiert werden dürfen. So lange die Eltern unterhaltspflichtig sind, sollten sie solche Informationsbefugnisse haben. Ich bin aber nicht dafür, die Volljährigkeit auf 21 Jahre hochzu setzen. Mich wundert es, dass der Vorschlag von der SPD kommt, wo sie doch gleichzeitig das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre senken will.
Welche Rolle werden Sie im Bundestagswahlkampf einnehmen?
Die endgültige Entscheidung über die Zusammensetzung des Teams wird erst in den nächsten vier Wochen fallen. Ich finde es gut, dass Edmund Stoiber sich für den Kollegen Beckstein entschieden hat. Er ist ein erfolgreicher Innenminister und deckt dieses Kompetenzfeld im Wahlkampf gut ab. Ich werde mich auf dem gleichen Feld einsetzen, auf dem ich als Minister aktiv bin: Innenpolitik. Auch zur äußeren Sicherheit werde ich mich äußern. Schon jetzt habe ich eine Menge Wahlkampftermine in Bayern und in Mecklenburg-Vorpommern. Dafür ist es nicht zwingend erforderlich, ins Kompetenzteam einzutreten. So erhält auch die Spekulation über meinen möglichen Wechsel nach Berlin keine neue Nahrung. Meine Aufgabe in Brandenburg erfordert den ganzen Mann.
Schließen Sie im Falle eines Wahlsiegs Stoibers ein Ministeramt im Bundeskabinett aus?
Die Frage stellt sich nicht. Ich möchte, dass Stoiber die Wahlen gewinnt und Bundeskanzler wird. Für eine gute Regierung gibt es in der CDU viele gute Leute. Und mein Platz ist hier in Brandenburg. Hier werde ich 2004 auch als Spitzenkandidat wieder antreten, wenn meine Partei das will.
Was hat Sie bewogen, trotz des Vertragsbruches durch Ministerpräsident Stolpe die große Koalition fortzusetzen?
Wir wussten, dass starke Kräfte in der SPD die Chance nutzen wollten, ein rot-rotes Bündnis zu installieren. Ein bedrückender Gedanke: nach Berlin auch noch Brandenburg in roten Händen — mit verheerenden Folgen für das Land Brandenburg. Ein moralisch ganz gewichtiger weiterer Grund war ein Erlebnis, das mich tief berührt hat. Einer meiner engsten Mitarbeiter, ein Mann Mitte 30, der 1989 über Ungarn aus der DDR geflohen ist, ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Einheit, beschwor mich am Vorabend der Bundesratsentscheidung: «Herr Minister, ich habe zwei kleine Kinder. Jetzt haben wir auch in Berlin die Kommunisten an der Macht. Wenn die in Brandenburg mit an die Macht kommen, wo soll ich dann hin?»
Und dann?
Vor der Entscheidung habe ich mit Freunden zusammengesessen und zum Schluss gesagt: «Wenn ich morgen die Regierung schmeiße, werde ich 14 Tage lang gefeiert als der den Werten Verpflichtete, Konsequente, Charakterfeste — und danach kommt der Katzenjammer. Dann wird es heißen: Wegen seines persönlichen Egos, Sehnsucht nach Märtyrertum und Demonstration seiner Charakterfestigkeit hat er uns geopfert, geht in die Bundespolitik und liefert Brandenburg den Rot-Roten aus. Glaubwürdigkeit ist das eine, Verantwortung tragen gehört aber auch dazu. Ich weiss, dass einige meine Haltung, weiterzumachen, nur schwer nachvollziehen konnten. Doch ich denke, dass es für Brandenburg das Richtige ist. Zudem stehen die Aussichten gut, dass entweder der Bundespräsident oder spätestens das Bundesverfassungsgericht das Gesetz kassieren werden.
Woher dieser Optimismus?
Das Gesetz in der vorliegenden Form hat nicht die Mehrheit der entscheidenden Kammer, nämlich des Bundesrates. Das ist unter den führenden Juristen nicht umstritten — nur bei den Politologen.