DVU-Politiker meiden den Wahlkampf
in Brandenburg — und könnten trotzdem ins Parlament zurückkehren
(Frankfurter Rundschau, Christoph Seils) (BERLIN) In Brandenburg geht der Wahlkampf in die heiße Phase. Weil immer mehr
Wähler sich in letzter Minute entscheiden, mobilisieren die Parteien
noch einmal alle Kräfte. Nur nicht die DVU: Infostände Fehlanzeige,
Veranstaltungen keine. “Wir haben den öffentlichen Wahlkampf
eingestellt”, erklärt Landeschef Sigmar-Peter Schuldt Von wegen. Er hat
nie stattgefunden.
Die DVU, die 1999 mit 5,3 Prozent und fünf Abgeordneten in den Potsdamer
Landtag eingezogen war, ist auch in Brandenburg eine virtuelle Partei,
im Wahlkampf weitgehend ohne personelle Präsenz auf Straßen und Plätzen,
ferngesteuert aus der DVU-Zentrale in München, bevormundet von dem
Verleger und Parteichef Gerhard Frey. Der Wahlkampf ist im wesentlichen
eine anonyme Plakatschlacht. Die 230 Mitglieder weichen der politischen
Auseinandersetzung aus. “Wir haben keine Zeit für Wahlstände und auch
keine Lust, uns von Chaoten bedrohen zu lassen”, sagte der
DVU-Kreistagsabgeordnete Arnold Graf aus Lauchhammer einer Lokalzeitung.
Und doch könnten die Rechtsextremisten in den Landtag einziehen. Laut
Umfragen kann die DVU mit fünf bis sechs Prozent rechnen. Ein Novum.
Sieht man einmal von einem Abgeordneten aus Bremerhaven in der Bremer
Bürgerschaft ab, waren DVU-Gastspiele in Landtagen bislang auf eine
Wahlperiode beschränkt, erwiesen sich die Fraktionen als vollkommen
politikunfähig. Es gab schnell Streit, Schlagzeilen über Inkompetenz und
Selbstbereicherung. In Schleswig-Holstein fiel die Fraktion nach einem
Jahr auseinander. In Sachsen-Anhalt verteilten sich die ursprünglich 16
Abgeordneten zuletzt auf drei Fraktionen, von denen jede das DVU-Erbe
reklamierte.
Anders im Potsdamer Landtag. Dort blieb die Fraktion zusammen, kein
Abgeordneter lehnte sich gegen das autoritäre Frey-Regime auf. Allein
das muss aus Sicht der DVU als Erfolg gelten. Zwar gab es auch in
Brandenburg Ärger mit DVU-Abgeordneten und Mitarbeitern. So wurde der
Abgeordnete und Landeschef Sigmar-Peter Schuldt 2001 vom Amtsgericht
Brandenburg an der Havel wegen Nötigung zu einer Geldstrafe in Höhe von
3400 Euro verurteilt, weil er einen Falschparker mit einer Gaspistole
bedroht hatte. Vorwürfe wegen des Vertriebs von Kinderpornographie gab
es gegen den Fraktionsgeschäftsführer Matthias Canis, das Verfahren
wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Wie in München formuliert
Insgesamt versuchte die DVU-Fraktion unter Führung der Fraktionschefin
Liane Hesselbarth im Landtag nicht aus der Rolle zu fallen. Viele Reden
und Anträge jedoch hörten sich so an, als seien sie nicht in Potsdam,
sondern in München formuliert worden. So beantragte die DVU-Fraktion die
Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz, obwohl es das gar nicht
gibt, der Verfassungsschutz vielmehr als Abteilung ins Innenministerium
integriert ist.
Gegen den Vorwurf der Faulheit wehrt sich die DVU. Sie feiert sich für
259 Anträge, Gesetzentwürfe und Änderungsanträge in fünf Jahren. Viele
dieser Anträge befassen sich mit so unverdächtigen Themen wie der Reform
der Justizausbildung oder dem kostenlosen Schülertransport. Immer wieder
aber entlarvten sie die wahre Gesinnung der Rechtsextremisten. So
beantragte die Fraktion die Einführung des finalen Todesschusses im
Polizeirecht oder sie plädierte für die Todesstrafe für Kinderschänder.
Zudem weigerten sich die DVU-Abgeordneten, am 27. Januar 2000 an einer
Gedenkveranstaltung des Landtages im ehemaligen KZ Sachsenhausen
teilzunehmen. Zugleich protestierten sie gegen “geschichtlich unhaltbare
und sittlich-moralisch verwerfliche Kollektivanklagen”. Für sich spricht
auch die Reise einer Delegation der DVU-Fraktion nach Moskau im Februar
2004. Dort traf sie den Chef der Liberaldemokratischen Partei, Wladimir
Schirinowski, der in Russland offen antisemitisch auftritt.