POTSDAM. Ausgerechnet hier an der Potsdamer Max-Dortu-Grundschule sollen erstmals im Land Brandenburg Schuluniformen eingeführt werden. Draußen vor der Tür spielt das wieder hergestellte Glockenspiel der zerstörten Garnisonkirche den alten Preußenchoral “Üb immer Treu und Redlichkeit”. Und die Schulleiterin Gudrun Wurzler sitzt mit Kolleginnen vor ihrem Büro und sagt: “In Preußisch-Blau sollen die Kleidungsstücke sein.” Dunkelblau also für 281 Grundschüler.
Doch die zupackende Schulleiterin, selbst eher schlicht gewandet, ist keine Anhängerin von altpreußischer Zucht und Ordnung. “Die Schüler sollen sich über die Schulkleidung stärker mit der Schule identifizieren”, sagt Gudrun Wurzler. Die Schüler toben derweil über den braunen Linoleumboden des alten Barockbaus. “Außerdem könnten so soziale Unterschiede innerhalb der Schülerschaft verwischt werden”, sagt sie. Schließlich gebe es an ihrer Schule auch einen höheren Anteil nichtdeutschsprachiger Kinder.
Zunächst geht es nur um eine Art Einheitskleidung, bestehend aus T‑Shirt, Pullover und Allwetterjacke samt Schullogo. “Später wollen wir die ganze Palette anbieten”, sagt die Rektorin. “Schuhe, Strümpfe und so weiter.” Die Idee der einheitlichen Oberbekleidung entstand beim Sport. Die Schüler tragen seit einiger Zeit bei städtischen Wettkämpfen dunkelblaue Hemden mit einem Schullogo. Das motivierte die Kinder zusätzlich, stellten die Lehrer fest. Und die Schüler redeten nicht mehr ständig über Markenklamotten. Keine Vergleiche mehr, wer die teurere, schickere Trainingsjacke an hat. “Sonst spielt das Markenbewusstsein gerade im Sport eine große Rolle”, sagt die Schuldirektorin.
Nun will die Mehrzahl der Lehrer diesen Teamgeist auch im Schulalltag beschwören. “Es geht um das Gefühl, hier in der Schule eine Heimat zu haben”, nennt es die Vize-Rektorin Ute Freibrodt. An eine Einführung der kompletten Schulkleidung sei aber erst Anfang 2006 zu denken. “Zunächst müssen wir einen Designer für die Kleidung finden”, sagt die Rektorin.
Bekanntlich hatte der Potsdamer Designer Wolfgang Joop kurzfristig abgesagt. Daraufhin haben sich aber bereits fünf Modedesigner gemeldet, die an Joops Stelle die Schulkleidung entwerfen wollen — darunter auch die Berliner Modeschöpferin Ute Lindner. Im Januar will sich die Schulleitung mit diesen Interessierten zusammensetzen und entscheiden, wer den Zuschlag bekommt. “Ein Modedesigner soll die Kleidungsstücke dann gemeinsam mit den Schülern entwickeln”, sagt Vize-Rektorin Freibrodt. Ein Logo gibt es bereits, im satten Gelbton. Darauf ist ein großer Notenschlüssel zu sehen, der zu einem Pinsel wird. “Wir sind eben eine musisch-künstlerische Grundschule”, sagt Rektorin Wurzler. Sie rechnet aber damit, dass etwa 20 Prozent der Eltern an ihrer Schule gegen die Einheitskleidung ist. Auch der kleine Max aus der dritten Klasse sagt: “Ich will mich kleiden, wie ich bin.” Die Rektorin verspricht “einen behutsamen Übergang zur Schulkleidung”.
Auch SPD und PDS lehnen die Pläne in ersten Reaktionen ab. Schüler sollten die Möglichkeit haben, ihre Individualität auch durch Kleidung zu zeigen, meint die SPD-Bildungspolitikerin Ingrid Siebke. Und PDS-Bildungsexpertin Gerrit Große sagt, die Schulen sollten doch lieber erst einmal gegen die Benachteiligung sozial schwächer gestellter Schüler vorgehen.
Die CDU hingegen bekennt sich zur Schuluniform. Denn Markenkleidung stifte sozialen Unfrieden, sagt Ingo Senftleben, der bildungspolitische Sprecher der Union, und wird philosophisch: “Mit Schuluniformen können Kinder frühzeitig lernen, dass nicht der Schein, sondern das Sein unser Leben bestimmt.” Auch das Potsdamer Bildungsministerium steht dem Projekt der Max-Dortu-Grundschule wohlwollend gegenüber. “Für uns ist so ein Versuch von Interesse, weil wir prüfen können, ob das Sozialklima durch solche Kleidung tatsächlich verbessert wird”, sagte Ministeriumssprecher Thomas Hainz. Es werde geprüft, ob für die Finanzierung der Kleidung Lottomittel bereit gestellt werden können.