KYRITZ Am 9. August dieses Jahres versammelten sich erstmals Menschen auf dem Kyritzer Marktplatz, um gegen Sozialabbau und die Hartz-IV-Gesetze zu demonstrieren. Heute steht die 20. Montags-Demo an. Veranstalter ist wieder ein Aktionsbündnis. Mit dessen Sprecher Dieter Groß sprach Wolfgang Hörmann.
Frage: Was war damals der Anlass, spontan zu Protesten aufzurufen?
Dieter Groß: Es ging um die Art und Weise, wie nach Hartz IV mit den Menschen umgegangen werden sollte. Unmittelbarer Anlass war die Demonstration, die kurz zuvor in Magdeburg stattgefunden hatte und zu der mehr als 10 000 Jugendliche, Frauen und Männer gekommen waren. In Kyritz zählten wir dann auf Anhieb etwa 250.
Seitdem ist kein Montag vergangen, ohne dass von der Friedenseiche aus protestiert worden ist. Gesetz ist Gesetz. Macht der Aufwand überhaupt noch Sinn?
Auf jeden Fall. Es geht ja nicht nur darum, Unmut zu bekunden. Betroffene sollen vor allem das Gefühl bekommen, nicht alleine gelassen zu werden. Das Herstellen von sozialen Bindungen, das Informieren, das Antworten auf Fragen halte ich für immens wichtig.
Sie sind Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Sozialabbau und Hartz IV, als Parteiloser gleichzeitig Stadtverordneter in der PDS-Fraktion. Gibt es da einen Zusammenhang?
Nein. Mein Engagement rührt wohl vielmehr daher, dass ich von Hause aus erzogen worden bin, gegen Ungerechtigkeit vorzugehen.
Es fällt aber auf, dass sich die PDS bei den Demonstrationen besonders engagiert.
Das mag daran liegen, dass diese Partei von Anfang an Hartz IV konsequent abgelehnt hat. Sollten sie auf das Aktionsbündnis anspielen, das derzeit in Kyritz aus etwa zehn Frauen und Männern besteht, so gibt es hier nur ein PDS-Mitglied. Das ist Holger Kippenhahn, Vorsitzender unserer Fraktion in der Kyritzer Stadtverordnetenversammlung.
Wie fällt ihre persönliche Bilanz vor der heutigen 20. Veranstaltung aus?
Ich denke, wir haben einiges erreicht. Immerhin kamen mehr als 3200 Menschen zu unseren Treffs. In zehn Informationsveranstaltungen bekamen sie Antworten auf ihre Fragen. Zu Gast waren u. a. Sozialamtsleiterin Sabine Schmidt vom Landkreis Ostprignitz-Ruppin und Bernd Lüdemann, Leiter des neugeschaffenen Amtes für Arbeitsmarkt. Solidarisch mit den Demonstrierenden zeigten sich Gregor Gysi, Wolfgang Gehrcke, Dagmar Enkelmann, die Liedermacher Dieter Dehm und Pablo Gordon, um nur einige zu nennen.
Manchmal hatte man den Eindruck, bei einem Happening zu sein. Es wurde schon mal getanzt. Noch in guter Erinnerung ist auch die Feuerperformance von Reinhard Zabka. Ist das Verbreiten guter Laune Absicht?
Das Thema, mit dem wir uns beschäftigen, ist ernst. Das heißt aber nicht, dass Lachen plötzlich verboten wird. Das gilt auch für Demonstranten.
Wie geht es weiter mit den Montagsdemonstrationen in Kyritz? Gibt es einen Zeitplan?
Ich werde dem Aktionsbündnis vorschlagen, dass es am 20. Dezember die letzte Veranstaltung dieser Art in diesem Jahr geben soll, wir dann Neujahr an den Protesten gegen den Bombenabwurfplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide teilnehmen, danach ab 3. Januar 2005 planmäßig weiter machen. Ab Mitte Januar könnten dann immer montags Mahnwachen auf dem Marktplatz stattfinden. Diskussionen mit namhaften Gästen bleiben aktuell. Ich denke da zum Beispiel an eine Aussprache mit Bundestagsabgeordneten über Hartz IV im Kyritzer Kulturhaus. Zusagen von Ernst Bahr (SPD) und Cornelia Behm (Bündnis 90/Die Grünen) liegen bereits vor. Auch Horst Seehofer (CSU) hat Bereitschaft signalisiert.
Gut, dass es jetzt das Kulturhaus gibt. Das Rathaus ist ja wohl immer noch tabu …
Für diese Diskussion wäre der Rathaussaal nicht geeignet. Ansonsten würde ich mir schon wünschen, dass der Kyritzer mehr in sein Rathaus geht. Die Verweigerung vom Bürgermeister verstehe ich nicht. Es gab vom Aktionsbündnis nie den Antrag, im Rathaussaal demonstrieren zu wollen. Aber für Diskussionen mit unseren Gästen wollten wir ein ordentliches Umfeld. Überhaupt wünsche ich mir eine Veranstaltungsreihe, die “Kyritzer Gespräche” heißen könnte — im Rathaus.