Die deutsche Opfermythologie entzaubern!
»> Mi 14.4. Kundgebung
17:30 Uhr Potsdam, Am Alten Markt
anläßlich des 59. jahrestages der Bombardierung Potsdams
»> Mi 14.4. Veranstaltung
“Von Bränden, Krebsgängen, Vertreibungen …
Die Selbstinszenierung der Deutschen als Opfer”
mit Erich Später (u.a. Konkret) und Martin Blumentritt
19:30 Uhr FH Potsdam, Am Alten Markt
»> Do 15.4. Ausstellungseröffnung
“Alliierte Flugblätter über Potsdam”
18 Uhr im “Chamäleon e.V.”, ab 19 Uhr Film
Hermann-Elflein-Str. 32, Potsdam
Ausstellung ist bis 24.4. Do-So 14–18 Uhr geöffnet
Organisiert von Antifa Aktion Potsdam in Kooperation mit
AG Antirassismus an der Universität Potsdam.
Nähere Informationen ab demnächst unter
Aufruf
Keine Träne für Potsdam!
Die deutsche Opfermythologie entzaubern!
In der Nacht vom 14. auf den 15. April jährt sich zum 59. Mal die
Bombardierung Potsdams durch die britischen Royal Air Force. Innerhalb
von zwanzig Minuten wurden etwa 4.000 Bomben abgeworfen.
Über diesen Angriff wie über alle anderen tatkräftigen Beiträge zum Sieg
über Deutschland freuten sich die dort eingesetzten Sklavenarbeiter, die
wenigen versteckten Juden und alle Antifaschisten weltweit. Nicht
gefreut hat sich die deutsche Durchhaltegemeinschaft, und auch die
Zivilgesellschaft der Berliner Republik mag zu den Jahrestagen der
Bombardierungen keine Feierstunden abhalten, sondern trauert. Und das
ist aus ihrer Perspektive auch folgerichtig, denn die völkische
Korporation, mit der sie sich identisch fühlt, „die Deutschen“, sind
einige Wochen später nicht vom Nationalsozialismus befreit, sondern mit
diesem militärisch besiegt worden.
german angst
Leidvoll mussten die alliierten Truppen feststellen, dass die deutsche
Bevölkerung und ihr selbstgewähltes Regime bis zum Schluss und darüber
hinaus unverbrüchlich zusammenhielten. Das Bindemittel, das sich so
resistent gegen Bomben und Granaten zeigte, ist der kollektive Affekt
gegen Aufklärung und Liberalismus, bürgerliche Freiheit und
Individualität, und der Hass gegen deren vermeintliche Repräsentanten,
die Juden. Diese Abwehr hat ihren Grund nicht in der Einsicht darin,
dass der Warentausch die Freiheit, deren Möglichkeit er in die Welt
gesetzt hat, gleichzeitig an ihrer Entfaltung hindert, sondern in der
„german angst“ vor der Freiheit des Subjekts und der damit verbundenen
Eigenverantwortung überhaupt.
Vor die Wahl gestellt zwischen der halben Freiheit und totaler
Unfreiheit entschieden sich die Deutschen immer spontan für die
irgendwie sicherere Seite der Unfreiheit. So wundert es nicht, dass sie
sich historisch stets als Opfer der ihnen aufgedrängten Freiheit
wahrnahmen. Napoleon brachte ihnen den code civile, die Alliierten nach
dem I. Weltkrieg den Frieden und nach dem II. die Demokratie, die man
bis heute nicht als Geschenk, sondern als Strafe empfindet.
Revoltieren die Deutschen, dann gegen das durch den aktuellen Stand der
Produktivkräfte jeweils ermöglichte Maß an individueller Autonomie. In
den „Befreiungskriegen“ vereinte sie mit dem preußischen Obrigkeitsstaat
der Einsatz gegen Napoleon und die von ihm in den besetzten Ländern
eingeführten bürgerlichen Reformen. Selbst die soziale Homogenisierung,
für die man 1918 kämpfte, war nur die gesellschaftliche Einforderung
dessen, was das alliierte Trommelfeuer an den Deutschen durch die
faktische Ineinssetzung von Blut und Boden in den Schützengräben schon
gewaltsam vollzogen hatte.
Der Realitätsverweigerung nach dem Ersten Weltkrieg folgten
Unverständnis, Verleugnung und Verdrängung nach dem Zweiten. Die
Deutschen begriffen gerade noch, dass er verloren und unter der
Meinungshoheit der Besatzer erst mal der Mund zu halten war. Schnell
wurde jedoch klar, dass Deutschland nicht von der Karte verschwinden und
stattdessen nation building betrieben würde. Rückblickend kann dies nur
bedingt als gelungen bezeichnet werden, denn der Bedarf nach Volksstaat
ist den demokratischen Formen offensichtlich nicht gewichen.
Gelernt hat man aus dem Krieg, dass er ein verabscheuungswürdiges
Verbrechen gewesen war und meinte damit, was man — als Opfer — ganz
unmittelbar von ihm mitbekommen hatte: Bombennacht und Vertreibung.
german frieden
Mit dieser pazifistischen deutschen Lehre aus dem „dunkelsten Kapitel“
ging es während des letzten Irakkrieges abermals gegen die USA und ihre
Verbündeten zu Felde: Nie wieder Krieg gegen Faschismus! Mit dem
kollektiven Hass auf die Beseitiger des antisemitischen Killerregimes im
Irak und der gleichzeitigen Verehrung islamistischer Werwolfkommandos
als „irakische Widerstandskämpfer“ korrespondieren im Land der besiegten
Täter die Weigerung, den antifaschistischen Sieg in Stalingrad oder den
D‑Day zu feiern, und die Bejammerung der vermeintlich unschuldigen Opfer
von Bombenkrieg und Vertreibung sowie die Bewunderung der eigenen
Resistenz gegen den „Westen“. Der blutrünstigen Beschwörung einer
Massenabschlachtung der irakischen Zivilbevölkerung stand ihr
projektiver Charakter deutlich auf den Luftballon geschrieben. In ihr
drückte sich die Aggression aus, die linke und rechte Friedensfreunde
sowie ihre rotgrüne Regierung gegen den „Weltfeind“ umtreibt. Günther
Grass, Bauchredner der Schicksalsgemeinschaft, formuliert es so: „[Es
zeigt sich] in dieser Kriegsfrage, dass die deutsche Erinnerung an den
letzten Weltkrieg, bei den ganz alten sogar Kindheitserinnerungen — der
Vater — an den Ersten Weltkrieg, … all das kommt zusammen. In solchen
Situationen überträgt sich das auch auf die jüngere Generation und hier
ist eine deutsche Einheit gegeben. Während wir in anderen Fragen …
verschiedene Voten in Ost- und Westdeutschland haben, ist hier die
Bevölkerung einer Meinung. Und warum soll es das nicht geben, einen
Einklang zwischen Regierung und Intellektuellen und der Masse der
Bevölkerung, der Mehrheit der Bevölkerung? Das ist ja in solchen Fragen
auch wünschenswert.“ Ja, warum sollte es das eigentlich nicht geben?
Vielleicht ja deshalb, weil zur Konstituierung genau dieses Bündnisses
schon zwei Weltkriege entfesselt und sechs Millionen Juden ermordet
worden sind.
german gedenken
Fast sechzig Jahre nach der militärischen Zerschlagung des deutschen
Faschismus ist es in Deutschland üblich, nur noch der „eigenen“ Toten zu
gedenken. Seit die Rote Armee nicht mehr an der Elbe und die GI´s nicht
mehr am Rhein stehen und damit der Blackout des Erinnerns ein Ende hat,
wird in Deutschland erinnert, was das Zeug hält. Allerdings gedenken die
Deutschen nicht ihren Opfern, sondern sich selbst. Im TV laufen die
Dokumentationen des Jammers rauf und runter, alle dürfen von ihren
Leiden berichten; der Landser von der „Hölle im Osten“, die ehemalige
KZ-Aufseherin von der nächtlichen Schiesserei im Lager. Die Täter dürfen
unkommentiert gleichberechtigt Zeitzeugenschaft ablegen neben ihren
Opfern. Der Krieg wird zur Naturkatastrophe, das Leid ein allgemeines.
Kausalität und Verantwortung verschwinden oder sind bestenfalls noch
Inhalt eines Randkommentars. Zur Beschreibung „deutschen Leids“ werden
zynisch jene Metaphern missbraucht, mit denen die Überlebenden
versuchten, das Grauen der Vernichtungslager in Worte zu fassen.
Dasselbe geschieht auf einem anderen Schauplatz selbstmitleidiger
Geschichtsfälschung,
der deutschen Gedenkpolitik in den ehemaligen
Konzentrationslagern. Gegen den erklärten Willen der überlebenden
Häftlinge wird den Opfern des NS und den Speziallagerhäftlingen der
sowjetischen Besatzungsmacht, von denen nicht wenige dort wegen ihrer
Verbrechen im NS interniert waren, praktisch im Kombipack „gedacht“.
Neben der totalitarismustheoretischen Gleichsetzung von Stalinismus und
Nationalsozialismus ist der intendierte Erfolg das wundersame
Verschwinden der Täter.
Gleichzeitig wird mehr und mehr das „andere Deutschland“ entdeckt.
Dessen Gründervater, den Nazi und Antisemiten Stauffenberg, wird man in
diesem Jahr zu seinem 60. Todestag kontrafaktisch zum antifaschistischen
Widerstandskämpfer erklären und damit schlagend beweisen, dass es ein
anderes Deutschland nie gegeben hat.
Die Stadt Potsdam möchte ganz vorn mitmischen im Wettstreit der
Unverschämtheiten. Die Lautstärke der Selbstbeweinung wird dabei
offenbar nach der Größe der eigenen Schuldverstrickung bemessen. Lebhaft
engagiert sie sich für die Vertriebenenverbände, die seit einigen
Monaten ihren völkischen Irrsinn in Stein gemeißelt auf dem Alten Markt
öffentlichen präsentieren dürfen, betrauert jährlich die Bombardierung
der Stadt und wird die antifaschistische Zerstörung der Garnisonskirche,
des Symbols des preußisch-faschistischen Bündnisses, wieder rückgängig
machen.
Aber gerade Potsdam und dessen Einwohner profitierten maßgeblich von der
Machtübergabe an die Nationalsozialisten. Nicht nur die wichtige
Funktion der ehemaligen Kaiserresidenz für propagandistische Zwecke
(z.B. den Handschlag Hindenburgs mit Hitler vor der Garnisonskirche
anlässlich der Einweihung des neugewählten Reichstages am “Tag von
Potsdam”) und die Rolle der UFA als Hauptproduktionsort der
menschenverachtenden NS-Hetze zahlten sich für den Standort aus. Die in
den Jahren der Weltwirtschaftskrise fast vollständig zum Erliegen
gekommene Industrie vor allem im damaligen Nowawes sanierte sich bereits
in der Weimarer Republik aus geheimen Rüstungssubventionen z.B. an den
Flugzeugkonzern “Arado”. Zum Zeitpunkt der Bombardierung gab es in
Potsdam keinen einzigen Betrieb, der nicht zur Rüstungsindustrie
gehörte. Produziert wurden Waffen und Waffenzubehör, Munition und
Fallschirmseide, Feldlazarette, Flugzeuge, Messinstrumente und vieles
mehr. Zur Aufrechterhaltung der Produktion und des öffentlichen Lebens
sind Zwangsarbeiter/innen eingesetzt worden, die in über 50 kleineren
Lagern in der Stadt untergebracht waren. Dass die Potsdamer auch nach
der Niederlage Deutschlands von der Arisierung jüdischer Immobilien
profitierten, lässt sich an den vielen Häusern und Grundstücken ablesen,
um die zum Zwecke der Rückübertragung immer noch prozessiert wird.
Opfermythos im Dienste der Gegenaufklärung
Die Sehnsucht derer, die je individuell an den Verhältnissen
verzweifeln, die sie doch selbst herstellen, jemanden für ihr Scheitern
verantwortlich zu machen, Namen und Adresse zu benennen und schließlich
das kollektive Strafbedürfnis an ihm zu exekutieren ist genuin
antisemitisch. Der Selbstwahrnehmung als Opfer, das für sein
höchsteigenes Handeln nicht verantwortlich zu machen ist, entspricht die
Fahndung nach den intentional handelnden, verschworenen Weltenlenkern,
die noch stets mit untrüglichem Instinkt in den USA und Israel
ausgemacht wurden. Ist die Frage der Verantwortlichkeit für das Böse in
der Welt derart geklärt, sind die Mörder aller couleur exkulpiert: am
II. Weltkrieg war Versailles schuld, am Mord des Neonazis die
Arbeitslosigkeit und am Selbstmordattentat das Elend in der Dritten
Welt. Wer aber hinter dem „Schandvertrag“, der Arbeitslosigkeit und dem
Elend der Dritten Welt steckt ist antisemitisches „Allgemeinwissen“.
Diese Art idealisierter Verantwortungslosigkeit des Subjekts ist
zutiefst konformistisch und damit gegenaufklärerisch und
antirevolutionär. Sie ebnet den Widerspruch zwischen dem
Emanzipationsstreben des Individuums und seiner faktischen Unfreiheit
ein und nimmt ihm damit sein revolutionäres Potential. Wer es mit der
Freiheit hält, muss die fatalistische Selbststilisierung der Menschen zu
ohnmächtigen Objekten der Verhältnisse, deren Unwahrheit die Deutschen
nun schon mit mehreren Vernichtungsräuschen bewiesen, rigoros
zurückweisen. Dass sie der verwalteten Welt des Kapitalismus in
Wirklichkeit zunehmend ausgeliefert sind, entbindet die Menschen nicht
von der Verantwortung für eben diesen Zustand und die Verbrechen, die
sie in ihm begehen.
Der völkisch-revanchistischen Besinnung auf den selbstverliehenen
Opferstatus ist ein aufgeklärtes Geschichtsbild entgegenzusetzen, das
sich auszeichnet durch einen antifaschistisch motivierten, negativen
Bezug auf deutsche Leidkultur und antimoderne Volkstümelei.
Es ist trotz völkischem backlash und zunehmendem Antisemitismus
festzuhalten an der Möglichkeit und dem Ziel einer emanzipierten
Gesellschaft, dem Kommunismus. Dieser allein wäre die praktische
Konsequenz des zivilisatorischen Imperativs, dass sich der
Nationalsozialismus und Auschwitz nie wiederholen dürfen. Seine
Voraussetzung ist in der Tat das autonome Subjekt, dass sich des
Zusammenhangs seiner Unfreiheit bewusst wäre und Anspruch erhöbe auf die
Herrschaft über seine Geschicke. Solange dieses jedoch auf sich warten
lässt, ist das Glück zu preisen, dass es inzwischen in Gestalt des
jüdischen Staates einen bewaffneten Zufluchtsort für die prospektiven
Opfer paranoider Killervereine gibt: Israel.
Die Alliierten haben nicht den Kommunismus herbeigebombt, jedoch
zumindest seine Denkbarkeit und die objektiven Voraussetzungen zur
Emanzipation in den von Deutschen bewohnten und besetzten Gebieten
wiederhergestellt. Einen Beitrag dazu leistete die Bombardierung
Potsdams. Diesen Anlass wollen wir auf unserer Kundgebung gemeinsam mit
all jenen feiern, für die die militärische Zerschlagung des
Nationalsozialismus keine Niederlage war, sondern Befreiung.
Für den globalisierten Kommunismus!