(mak., Berliner Zeitung) ORANIENBURG. Eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des sowjetischen Speziallagers Sachsenhausen sorgt für Streit innerhalb der Opferverbände. Denn der konservative Publizist Ulrich Schacht hatte während seiner fast einstündigen Gedenkrede am Wochenende das linksliberale Establishment der Bundesrepublik scharf angegriffen. Er kritisierte insbesondere die so genannten Alt-68er, die das Gedenken an die NS-Opfer hoch hielten, aber das Gedenken an die Opfer kommunistischer Herrschaft zu kurz kommen ließen. Der Publizist griff auch Bundesaußenminister Joschka Fischer an, der das NS-Vernichtungslager Auschwitz als “Gründungsmythos der Bundesrepublik” bezeichnet habe. Schacht, einst in der DDR inhaftiert, sagte: “Im Kern ist das der Ausfluss eines sadistischen Charakters.” Viele Altlinke hätten etwa den Umerziehungsterror des Kommunistenherrschers Mao in China seinerzeit als “guten Terror” verklärt.
Günter Morsch, Direktor der Gedenkstättenstiftung, kritisierte Schachts Rede: “Es ist unmöglich, politische Kampfreden auf Gräbern zu halten.” Schacht habe zudem “eine ganze Generation” angegriffen und auf höchst fragwürdige Art diskreditiert. Auch Horst Jänichen, einst selbst im sowjetischen Speziallager Sachsenhausen inhaftiert, übte Kritik an Schacht: “Das war die falsche Rede am falschen Ort”, sagte er. Hintergrund des Konflikts ist ein Streit zwischen der Gedenkstättenleitung und der Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen (ALS). “Wir fühlen uns als Opfer zweiter Klasse”, sagt etwa die Speziallager-Überlebende Gisela Gneist von der ALS. Deshalb hat sich die Organisation auch nicht an der zentralen Gedenkfeier für die Opfer des Stalinismus beteiligt.
Die Nationalsozialisten hatten ab 1936 in Sachsenhausen ein Konzentrationslager errichtet. Dort kamen Zehntausende Häftlinge um, während des Krieges unternahmen Mediziner grausame Experimente an Gefangenen. Nach Kriegsende nutzten die Sowjets das Areal dann als Speziallager. 60 000 wurden hier inhaftiert, rund 12 000 davon kamen um.