Die neue Ausgabe der ravensbrückblätter befaßt sich mit der Zukunft der Mahn- und Gedenkstätte
(jW, Cristina Fischer) Die geplante Umgehungsstraße um Fürstenberg wird nicht über das Gelände des ehemaligen Frauen- KZ Ravensbrück oder am Jugendlager Uckermark vorbei geführt, berichten die von der Lagergemeinschaft Ravensbrück/ Freundeskreis e.V. herausgegebenen ravensbrückblätter in ihrer Herbstausgabe. Die Entscheidung des Bundesministeriums für Verkehr wird von der Lagergemeinschaft, die seit Jahren gegen entsprechende Pläne der Kommune gekämpft hat, begrüßt.
Zur Zukunft der Gedenkstätte befragte die Redaktion überlebende Ravensbrückerinnen wie Esther Bejarano, Lisl Jäger, Charlotte Kroll, Elisabeth Kunesch und Annette Chalut (Frankreich). Im Gegensatz zur Gedenkstättenleitung hofft Lisl Jäger, »daß die von den Nationen gestalteten Gedenkräume im Zellenbau erhalten bleiben«. Barbara Reimann fürchtet um den Bestand der zum Teil aus DDR-Zeiten stammenden Ausstellungen. Sie meint, diese würden »nur so lange noch bestehen« bleiben, »wie wir noch leben«. Von mehreren Zeitzeuginnen wird der von den Verantwortlichen ebenfalls abgelehnte Wiederaufbau einer KZ-Baracke gefordert, um Besuchern die Lebensbedingungen der Inhaftierten zu veranschaulichen.
Zur Entwicklung der Gedenkstätte seit 1992 und zukünftigen Planungen äußert sich die derzeitige Direktorin Sigrid Jacobeit, wobei sie den Eindruck vermittelt, als habe die Arbeit der Gedenkstätte erst nach dem Ende der DDR begonnen. Nicht erwähnt wird, daß die neue Gedenkstättenkonzeption eine harsche ideologische Abrechnung mit der DDR-Geschichte und dem »verordneten Antifaschismus« beinhaltet. Jacobeits Statements lassen auf eine geplante Entpolitisierung der Gedenkstätte schließen. Psychologisierende Ansätze sollen offenbar in der Auseinandersetzung mit dem Faschismus breiten Raum erhalten: »Das Handeln hier mit seinen Spielräumen ist mehr als gut und böse, mehr als Mensch und Unmensch.« Der Mensch werde »mit seinen lustvoll ausgeübten Unzulänglichkeiten bis zu den kannibalischen Anlagen auf der einen Seite und den vielfältigen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Menschlichseins (…) auf der anderen Seite« vorgestellt. Das empathische Nachdenken über dieses Dr.-Jekyll-und-Mr.-Hyde-Syndrom solle »Bestandteil eines Konzepts der Menschenrechtsbildung/ Menschenrechtserziehung« in Ravensbrück werden, so Jacobeit. In diesem Sinn sei die Kooperation mit dem Berliner Institut für Menschenrechte geplant. Die zukünftige Konzeption der Gedenkstätte enthält offensichtlich nicht einmal mehr das Wort Antifaschismus: Es gehe darum, »daß Menschenwürde und Menschenrechte als Grundwerte des Zusammenlebens im €päischen Deutschland vermittelt und geachtet werden«.
Weitere Beiträge erinnern an den 60. Todestag der in Ravensbrück ermordeten kommunistischen Widerstandskämpferin Katja Niederkirchner und stellen die in Berlin lebende österreichische Antifaschistin Lisl Jäger vor, die dieser Tage 80 Jahre alt geworden ist.
ravensbrückblätter Nr. 120 (Sept. 2004) zu beziehen über Lagergemeinschaft Ravensbrück, Postfach 360349, 10973 Berlin, bzw. per E‑Mail.