Ehemalige Häftlingsfrauen aus Polen erinnern an Warschauer Aufstand
KARSTEN LEWERENZ FÜRSTENBERG
Bevor sich die ehemaligen polnischen Häftlingsfrauen gestern im Zellenblock
der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück mit anderen überlebenden
Ravensbrückerinnen zur Gedenkfeier für den 60. Jahrestag des Warschauer
Aufstands einfinden, kommen sie einer Pflicht nach, die sie ein Leben lang
gern erfüllen werden: An der Mauer der Nationen gedenken sie unter Tränen
der tausenden Frauen, die im früheren Konzentrationslager Ravensbrück
kaltblütig und brutal von den SS-Schergen ermordet worden sind. Blumen legen
die Frauen aus Polen genauso an der Tafel nieder, die vor dem Zellenbau im
Gedenken an die Polinnen angebracht wurde, die die Hölle von Ravensbrück
zwischen 1939 und 1945 ertragen mussten.
Begleitet werden die sieben Frauen während ihres dreitägigen Kurzaufenthalts
in Deutschland von Gisela Multhaupt, Vorstandsmitglied des Internationalen
Freundeskreises der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.
Im Gespräch mit der MAZ erzählt die Kölnerin, dass sie bereits seit 1991
enge und freundschaftliche Kontakte zu den Polinnen pflegt. Daher ist sie
mit den Lebens- und Leidensgeschichten der Frauen sehr gut vertraut.
Leokordia Kaczorowska, Hanna Walczuk, Eugenia Karcz, Marianna Bogusz,
Stanislawa Tkaczyk und Marianna Janowska haben das Grauen des Lagers
überlebt, gedenken heute derer, die in Ravensbrück ihr Leben ließen. Die
Schicksale der Frauen ähneln sich, als 14-jährige Jugendliche, eigentlich
noch Kinder, wurden sie direkt nach dem Warschauer Aufstand aus der Heimat
vertrieben, ins Konzentrationslager verschleppt, hier erniedrigt und
gequält. Hier mussten sie mit ansehen wie Väter, Mütter, Geschwister,
Freundinnen und Leidensgefährtinnen erbarmungslos umgebracht wurden. Heute
halten sie die Erinnerungen an die Gräuel wach, sorgen dafür, dass sich
derartige Barbarei nie, niemals wiederholt. Sigrid Jacobeit, Leiterin der
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, erinnert in ihrer Begrüßung an die
Opfer, die nicht überlebt haben. Sie unterstreicht ihre Freude darüber, dass
die Polinnen gern der Einladung der Gedenkstätte und des Internationalen
Freundeskreises gefolgt sind. Die Frauen hätten sehr viel Leid durchleben
müssen. Dieser Tage aber hätten sie viel Schönes erlebt, sei es in Berlin,
in Fürstenberg oder in Neustrelitz.
Botschaftssekretär Witold Lesniak bedankt sich im Namen von Botschafter
Andrzej Byrt für die Einladung. Besonders froh ist er darüber, dass die
Frauen nicht allein angereist sind. Eugenia Karcz beispielsweise wird von
Vetter Alexander, Marianna Bogusz von Enkel Pawel begleitet. “Das Unrecht,
das Leid darf niemals vergessen werden”, sagt Lesniak. Umso wichtiger sei
es, dass die heutige Jugend die Wahrheit über das Grauen des Faschismus
erfährt. Er erinnert daran, dass der Warschauer Aufstand — eine der größten
Schlachten des Zweiten Weltkrieges — allein auf polnischer Seite etwa 200
000 Menschenleben kostete. Mehr als 40 000 seien anschließend in deutsche
Konzentrationslager — 12 000 nach Ravensbrück — verschleppt worden. Bevor
Hanna Walczuk schließlich an die schreckliche Zeit im Lager erinnert,
bedankt sich Witold Lesniak bei Gedenkstättenleiterin Sigrid Jacobeit und
der Studentin Angela Götz mit Büchern über den Warschauer Aufstand.