Das Fußball-Bundesligaspiel des FC Energie Cottbus vergangenen Freitag in Aue wirft noch immer seine Schatten. Die Fans streiten über Schuld und
Unschuld an den Zuschauerausschreitungen im Cottbuser Fan-Block. Derweil
ermittelt die Deutsche Fußball-Liga (DFL). Auch der FCE musste berichten.
«Katze» , der Anheizer mit Megafon im Energie-Block I, wird morgen im
Stadion der Freundschaft den Energie-Fans im Spiel gegen Greuther Fürth
seine Anfeuerungsrufe nicht entgegenschreien. Der 18-jährige Gymnasiast hat
Stadionverbot. Es ist nicht die Konsequenz aus dem Aue-Skandal, aber dennoch
bezeichnend für eine kleine Fan-Gruppierung. Eingehandelt hat sich «Katze»
seine Strafe nämlich vor Wochen auf einer Fahrt zum Auswärtsspiel nach
Ahlen. Über 400 Kilometer vor dem Spielort soll ein Ausländer von einer
Gruppe Hooligans angegriffen worden sein. «Katze» und sechs andere
«Anhänger» aus Cottbus sollen beteiligt gewesen sein. Sie sind seitdem im
Visier der Polizei und haben deshalb kurz nach Ostern ein bundesweit
geltendes Stadionverbot erhalten.
Verbotener «Lautsprecher»
Der «Lautsprecher mit dem Megafon» , wie Anfang März ein Bericht über den
jungen Mann in der RUNDSCHAU überschrieben war, bestreitet jegliche Schuld.
Im Gegenteil: Er und seine Freunde seien provoziert worden, behauptet er.
Gegen das Stadionverbot für ihren Freund «Katze» und die anderen wollen die
Fans im Block I morgen protestieren, weil es ihrer Meinung nach ungerecht
ist. Es entspricht allerdings den Richtlinien des deutschen Fußball-Bundes
(DFB). Danach erhalten Personen, gegen die im Zusammenhang mit
Fußballspielen der DFL oder des DFB ermittelt wird, ein solches Verbot, das
bundesweit bis zu fünf Jahre gelten kann.
«Katze» wird der Cottbuser Fan-gruppierung «Inferno» zugeordnet. Er war
trotz des Stadionverbots in Aue. «Das war heikel» , gibt er zu. «Inferno»
feierte genau an diesem Wochenende sein fünfjähriges Bestehen. Dass sie das
Aue-Spiel für «Geburtstags-Randale» nutzen wollten, bestreiten
«Inferno» ‑Leute. Nach Erkenntnissen der Cottbuser Polizei zeigt die Gruppe
allerdings «bei Auswärtsspielen immer wieder mal Flagge» , wie der
szenekundige Beamte Knut Eltfeld einschätzt. Ihr Verhalten ähnelt dabei nach
Polizeiangaben dem aggressiven Auftreten von Hooligans. Nach Ausschreitungen
beim Bundesligaspiel gegen Hertha BSC im Februar 2002 darf «Inferno» im
Stadion der Freundschaft in Cottbus keine Gruppensymbole mehr zeigen,
«Wirklich geholfen hat das nicht» , meint Polizist Eitfeld. Auch die
Stadionverbote für rund 60 Pseudo-Anhänger im Energie-Umfeld sind in
auswärtigen Stadien kaum durchzusetzen, schätzt die Polizei ein. Die
Gastgeber erhalten zwar stets die Informationen über die Gesperrten, die
Ordnungskräfte dürfen allerdings keine Personaldokumente kontrollieren. Und
bei 3000 Energie-Anhängern, wie jüngst in Aue, können auch die szenekundigen
Beamten nicht alles im Blick haben. Bei der Kontrolle von drei Bussen
vergangenen Freitag vor der Abfahrt in Cottbus wurde zwar ein junger Mann
mit Stadionverbot und Rauschgift aus dem Verkehr gezogen, andere bekamen
aber kurz vor dem Polizeieinsatz noch die Kurve und machten sich auf eigene
Faust auf die Reise ins Erzgebirge.
Für den Energie-Fanbeauftragten Gerhard Kaiser hat ein Teil der Fans zwei
Gesichter. «Zuschauer, die sich zu Hause friedlich geben, gesellen sich
auswärts zu den Chaoten.» Für Kaiser waren die Randale im Erzgebirge «straff
organisiert» .
«Spiel wie in alten Tagen»
Diesen Verdacht erhärtet ein Flugblatt von «Inferno» . Da wird unter dem
Motto «Patriotisch, unbelehrbar, extrem» für das Ostduell in Aue und das
«Hammerspiel» der Energie-Amateure einen Tag später in Cottbus gegen Zwickau
die «Inferno» ‑Klientel in die Pflicht genommen. «Es könnte ein Spiel wie in
alten Tagen werden» , wird angedeutet. Verhaltensregeln fehlen dafür
selbstverständlich nicht: «Zu den Spielen fordern wir alle auf, sich schwarz
zu kleiden, um bei eventuellen Ermittlungen der Miliz nicht unbedingt
Mithilfe zu leisten.»
Für Markus, im Flugblatt als Organisator benannt, ist die Verbindung von
«Inferno» mit den Ausschreitungen dennoch ein Missverständnis. Die Einladung
sei «persönlich» gewesen, der Text «auf ironischer Basis» verfasst. «Bei
Derbys schlagen die Emotionen hoch» , meint Markus, räumt aber zumindest
ein, dass man «nicht komplett unschuldig» sei.
Die Ermittlungen der Polizei laufen noch. Auffällig ist nach Ansicht der
Cottbuser Experten, dass sehr viele schwarz gekleidete junge Leute im
Brennpunkt des Auer Geschehens standen. Zudem sei beim Spiel der Amateure
gegen Zwickau am nächsten Tag erneut provoziert worden. Auch zeitliche
Bezüge sind unübersehbar. Genau vor einem Jahr, als «Inferno» vierjähriges
Bestehen feierte, war es im Leipziger Bruno-Plache-Stadion zu ähnlichen
Randalen gekommen. Die Videoaufzeichnungen von damals und von Aue gleichen
sich in vielen Szenen.
Für Sven Graupner vom Cottbuser Fan-Projekt ist dennoch unklar, aus welchem
Umfeld die Ausschreitungen angezettelt wurden. Bei Gesprächen im Vorfeld mit
«Inferno» habe es keine Anzeichen für Aktionen wie in Aue gegeben, so
Graupner. «Wir würden Straftaten nie begünstigen oder verschleiern» ,
versichert er, fügt aber hinzu: «Support ist für die Jungs wichtig.»
Die ganze Woche lang stritten die Fans hitzig und emotional über die
Ausschreitungen im Erzgebirgsstadion von Aue. Schuld wird hin- und
hergeschoben. Im Internet-Gästebuch des FC Energie fordert ein Anhänger
«Stadionverbot nicht nur für die, die uns den ganzen Mist eingebrockt haben,
sondern auch für die, die das noch geil fanden» . Für einen anderen ist
sonnenklar: «Die Bullen pöbelten uns schon vor dem Spiel an. Die Polizei ist
Schuld an den chaotischen Verhältnissen.» Ein Dritter schiebt dem Verein den
schwarzen Peter zu, der nur «Alibierscheinungsverbote» erlasse und durch
einige Aussagen «Leute zu Antifans» erziehe.
Energie-Manager Klaus Stabach fordert, dass Stadionverbote überall
durchgesetzt werden. Leider stünden sie oft nur auf dem Papier. «Wir
übergeben der Polizei immer wieder Listen, doch nichts passiert» , schimpfte
Energie-Präsident Dieter Krein nach dem Aue-Zwischenfall. Die Polizei müsse
noch viel rigoroser durchgreifen, ist die Auffassung von Stabach. Seitens
der DFL rechne er nicht mit Konsequenzen, schließlich hätten Präsident
Krein, Trainer Geyer und auch er versucht, die Gemüter zu beruhigen, was im
Schiedsrichterbericht vermerkt sei.
Die DFL werde Anfang der Woche über Konsequenzen aus den Vorfällen in Aue
entscheiden, kündigte DFL-Sprecher Tom Bender an. «Wir haben alle
Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert.» Erst, wenn alle Fakten auf dem
Tisch liegen, wird sich die DFL äußern, so Bender.