Potsdam — Auch, wenn er Angst hatte. Obwohl er brutal zusammengeschlagen
worden ist. Er würde es jedes Mal wieder tun. Horst Martin aus Cottbus hat
Zivilcourage gezeigt und einem dunkelhäutigen Paar, das in der Straßenbahn
von Rechtsradikalen bedrängt wurde, geholfen. Als einziger in dem Abteil. Am
Mittwoch wurde er dafür — wie zwei andere Brandenburger und eine
Berlinerin — in Potsdam von Ministerpräsident Matthias Platzek (SPD) mit dem
“Band für Mut und Verständigung 2003” ausgezeichnet.
Jedes Detail des Geschehens vom 27. September vergangenen Jahres kann Horst
Martin auch heute noch wie einen Film in seinem Kopf abspulen. Gegen 20 Uhr
hat er mit seinem zehnjährigen Sohn Steve eine Gartenparty in Cottbus
verlassen. Er will Steve zu den Großeltern bringen. Sie steigen an der
Haltestelle Neu-Schmellwitz in die Straßenbahn. Im hinteren Waggon bemerkt
Martin eine Gruppe Jugendlicher. “Die hatten Bomberjacken an. Sie haben im
Abteil geraucht und Bier getrunken”, schildert er. An der nächsten
Haltestelle steigt ein dunkelhäutiges Paar zu und setzt sich schräg
gegenüber von Martin und seinem Sohn. Aus der Gruppe der Jugendlichen kommen
drei herüber und pöbeln das Paar an: “Was sucht das Pack hier? Die haben
hier nichts zu suchen.”
Horst Martin reagiert: “Könnt ihr die Leute nicht in Ruhe lassen?!” Da gehen
die Jugendlichen auf ihn los, schlagen mit Fäusten auf ihn ein, versetzen
ihm Kopfstöße. Einer tritt ihm ins Gesicht. Martin schützt seinen
geschockten Sohn unter seinem Oberkörper und versucht, weitere Schläge
abzuwehren.
Der dunkelhäutige Mann will ihm helfen. “Ich habe ihm gesagt, er soll das
nicht tun.” Der Rest der Fahrgäste im Abteil schaut nur zu. “Geholfen hat
von den anderen keiner”, sagt Martin. Dreimal geht der dunkelhäutige Mann
zum Fahrer, schildert, was passiert ist, und lässt ihn die Polizei rufen.
An der nächsten Haltestelle öffnet der Fahrer die Türen. Die Polizei eilt
herbei. Doch die Täter können flüchten. “Der Fahrer hätte die Türen nicht
öffnen dürfen. Er ist außerdem nicht aus seiner Kabine gekommen, um zu
helfen. Das verstehe ich nicht”, sagt Martin. Er muss im Krankenhaus
ärztlich behandelt werden. Die drei Täter werden wenig später gefasst: Ein
Zeuge aus dem Waggon kannte einen von ihnen und konnte der Polizei dessen
Vornamen und Wohngegend nennen.
Horst Martins Sohn hat seinen Schock in einem selbst gemalten Bild
verarbeitet. Es heißt “Wenn Rassisten deprimiert sind” und zeigt einen
Rechtsradikalen, der seinen eigenen Schatten sieht und sich fragt: “Warum,
warum nur ist mein Schatten schwarz?”