„Das Gegenteil von Mut in unserer Gesellschaft ist nicht Feigheit, sondern Anpassung!“ Beginner
Am 24. April 1945 begann der Todesmarsch von 600 Häftlingen vom KZ-Außenlager Belzig-Roederhof aus. Sie mussten sich in Bewegung setzen, während 72 Kranke im Lager zurückgelassen wurden. Im Lager starben noch 9 Menschen bis zur
Selbstbefreiung einige Tage später, am 1. Mai 1945. Auf dem Todesmarsch wurde jede/r die/der nicht weiter laufen konnte gnadenlos von der SS-Wachmannschaft getötet. Die lebensgefährliche Tortur für die Häftlinge endete erst in
Altengrabow, nachdem sich Teile der SS-Wachmannschaft abgesetzt hatten. Warum?
Die Rote Armee kam schnell vorwärts…
Das KZ-Außenlager Roederhof wurde schon 1934 von den Nazis errichtet. Seit 1942 wurden im Außenlager Menschen aus den besetzten Ost-Gebieten eingesetzt, später kamen auch KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene dazu. Ungefähr 750 KZ-
Häftlinge, sowie 1500 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene mussten unter menschenunwürdigen Bedingungen Munition für den deutschen Vernichtungskrieg herstellen. Bedingungslose Ausbeutung und Schikanen waren für die Häftlinge
tagtäglicher Alltag.
Am 3. Mai 1945 rückte die Rote Armee endlich auch in Belzig kampflos ein…
Tolerantes Brandenburg? Schon Preußen war Scheiße!
In Abgrenzung zu den deutschen Verbrechen in der Vergangenheit, aber auch angesichts der neueren deutschen Realität betonen offizielle Verlautbarungen
gerne die lange währende Tradition der Toleranz in Brandenburg. Das aus den Landesministerien entstammende Konzept „Tolerantes Brandenburg“ sieht sich
genau in dieser Tradition.
Meist wird in diesem Zusammenhang mit dem ‘Toleranz-Edikt’ von Potsdam (1685) versucht zu argumentieren, dass ja schon der Große Kurfürst ein vorbildlicher Antirassist und Multikulturalist war, weil er zuließ das sich einige verfolgte französische Hugenotten in der Mark Brandenburg ansiedeln konnten. In Vergessenheit gerät dabei dem toleranten Brandenburg aber völlig, dass schon
damals nicht die Humanität ihres Herrschers ausschlaggebend für die Ansiedlung der Hugenotten war, sondern die ökonomischen Interessen. Erinnernd an die derzeitige Debatte um Zuwanderung war das politische Kalkül dabei aber
durchaus unterschiedlich geprägt. Nur einige Jahre vor dem “Toleranz-Edikt” von Potsdam erließ der Kurfürst 1671 ein Edikt zur Aufnahme von 50 aus Österreich vertriebenen jüdischen Familien. Doch den Juden wurden deutlich
weniger Rechte als kurze Zeit später den Hugenotten eingeräumt. So war den jüdischen Familien nicht erlaubt eine Synagoge zu halten, daß heißt ihren
Gottesdienst öffentlich abzuhalten.
Toleranz, sprich einer der Mindeststandard des menschliches Zusammenleben, waren weder in Preußen, noch ist sie derzeit in Brandenburg eine Selbstverständlichkeit. Der ehemalige Ministerpräsident und derzeitige “Reichsmautbeauftragte” Manfred Stolpe legte im Dezember 2001 dem Bundesrat
einen Forderungskatalog vor, in dem er vier Kriterien nannte, die erfüllt werden müssten, damit die Brandenburger Landesregierung dem Zuwanderungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung zur nötigen Stimmenmehrheit verhelfen könnte.
„Das Ziel der Zuwanderungsbegrenzung müsse klarer formuliert werden; das Auswahlverfahren für ausländische Arbeitskräfte müsse stärker am nationalen Bedarf ausgerichtet werden; die Regelung über die nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung müssten gestrichen und das Nachzugsalter für
ausländische von 14 auf mindestens zwölf Jahre gesenkt werden.“
Da fragt sich doch, ob es sich hier um einen Stoiber aus den blühenden Landschaften im Osten handelt, oder doch nur der gesunde Brandenburger Volkswille da aus Stolpe sprach? Nur ein kleiner Blick auf den exemplarischen
Fall der Stadt Belzig verrät doch schon recht schnell die Lösung. Die Belziger
Kameraden marschieren, nachdem ihr Chef ein wenig Verschnaufpause im Knast
einlegen musste, in die gleiche Richtung wie ihr ehemaliger Landesvater. Zum 8. November (sic!) 2003 mobilisierten sie nach Belzig unter dem Motto: „Keine EU-Osterweiterung! 6 Millionen auf dem Sprung nach Deutschland: Stoppt den
Zuwanderungswahn!“. Mit rund 100 Kameraden aus dem ganzen Land Brandenburg liefen sie in Belzig auf.
In einem wenig später in ganz Belzig verteilten Positionspapier der erst vor kurzem gegründeten Bewegung Neue Ordnung (BNO) als zweiten Punkt drohen sie:
„Das deutsche Volk steht über dem Staat. Alle Maßnahmen des deutschen Staates haben dem deutschen Volk zu dienen.“ Natürlich soll auch die „deutsche Wirtschaft“ nur dem Volke dienen und die „künstlerische Freiheit darf nur in
soweit gelten, daß dadurch die Ehre und das Ansehen des deutschen Volkes nicht
berührt wird.“
Neue Ordnung? Ne, wir wollen Kommunismus!
Die Verfasser dieser deutsch-völkischen Träume sind neben den Belziger Kameraden auch die Aktivisten um den ehemaligen Landesvorsitzenden der Brandenburger NPD, Mario Schulz, aus der Prignitz. Zusammen wollen sie mit der Bewegung Neue Ordnung (BNO) wieder einmal neue Wege innerhalb der extremen
Rechten gehen. Doch ganz so neu sind diese nun auch nicht. Wenn die Programmpunkte der BNO dem Parteiprogramm der NSDAP sehr ähneln, dann ist dies wohl kaum Zufall. Auch der Fackelzug der braunen Konsorten am 30. Januar 2004
in Anlehnung an die Machtübergabe an Adolf Hitler im Jahre 1933 zeigt deutlich die ideologische Richtung auf. Wieder rund 100 Neonazis forderten damals „Arbeit, Freiheit und Brot durch nationalen Sozialismus“ zu schaffen und
demonstrierten recht ungestört durch Belzig.
Die Erkenntnis dass alle Verhältnisse, vor allem die deutschen, schonungslos umzuwerfen sind, bedeutet für uns nicht die derzeitigen regressiven Entwicklungen innerhalb dieser zu ignorieren und die reaktionären Teile der
Gesellschaft gewähren zu lassen. Antifa bedeutet für uns, in einer Zeit, in der die Toleranz als eine der wichtigsten preußischen Tugenden genauso oft in der Öffentlichkeit beschworen wird, wie die Übergriffe auf MigrantInnen, Linke
und jüdische Einrichtungen im Land Brandenburg zum Alltag geworden sind, den deutschen Mordbrennern praktisch das Handwerk zu legen und die “Toleranten” wenigstens theoretisch als das zu denunzieren, was sie sind: völkische
Deutsche die ihr Blut und den dazugehörigen Boden gegen alles Fremde verteidigen, aber einige wenige nützliche nichtdeutsche Arbeitskräfte dulden.
„Doch Licht an man, jetzt wird ins deutsche Scheißhaus getaggt!“ Beginner
Am 24. April 2004 werden wir gemeinsam mit der Jugendantifa Belzig und weiteren antifaschistischen Gruppen aus Berlin und Brandenburg den deutschen Zuständen beispielhaft in Belzig auf die Pelle rücken. Damit wollen wir die
progressive antifaschistische Jugendkultur vor Ort unterstützen und unsere Forderungen gemeinsam mit Ihnen auf die Straße tragen.
Im großen Gegensatz zu den nationalen Sozialisten wollen wir eine Assoziation freier Individuen, keine wie auch immer nationale, ethnische oder religiöse Zwangsgemeinschaft. Wir fordern eine, an den Bedürfnissen der Menschen,
orientierte Produktion, niemals Arbeit nur um der Arbeit willen. Wir wollen eine sinnliche Bedürfnisbefriedigung und Luxus auf höchstmöglicher Ebene, und dies natürlich für Alle. Endlich Urlaub auf den Bahamas! Kurz gesagt wollen
wir Alles für Alle und zwar Umsonst, den kosmopolitischen Kommunismus!
Deutschland in den Rücken fallen!
Kosmopolitischen Kommunismus erkämpfen!
Autonome Antifa Nordost [AANO] Berlin im April 2004