(MAZ, 17.05., Susanne Wölfle-Fischer) GROßBEEREN Wenn Bücher brennen, brennen immer auch Gedanken und Gefühle. Und
vielleicht erschreckt ihre Vernichtung ja deshalb, weil sie nicht ihnen selbst gilt, sondern den Menschen, die ihre Gedanken- und Gefühlswelt so vertrauensselig offen legten.
Am 10. Mai 1933 wurden auf dem Berliner Opernplatz etwa 20.000 Bücher von 250 Autoren verbrannt. Als Höhepunkt der sogenannten “Aktion wider den undeutschen Geist”, geplant vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, durchgeführt durch die “Deutsche Studentenschaft”, dem
Zusammenschluss der Studentenschaften der deutschen Hochschulen. Bejubelt und geduldet von einer großen Menschenmenge. “250 Schriftsteller! Viele bedeutende und die bedeutendsten, viele berühmte und die weltberühmten
Autoren deutscher Zunge unter ihnen”, um es mit den Worten des Literaturhistorikers Alfred Kantorowicz zu sagen, der selbst zu den Verfemten gehörte. Von den Repräsentanten der deutschen Literatur von Weltruf, waren während des Nationalsozialismus mehr als drei Viertel gezwungen ihre Arbeit einzustellen — einige davon für immer. Die weitaus
meisten dieser öffentlich Geächteten waren jüdischer Herkunft. Viele von ihnen gingen ins Exil, wurden ermordet oder begingen wie Kurt Tucholsky, Stephan Zweig oder Ernst Toller Selbstmord.
Großbeeren gedachte am Samstag mit mehreren Veranstaltungen des nunmehr 71 Jahre zurückliegenden Ereignisses, das zu den Dunkelsten deutscher Geschichte gehört. Der Förderverein der öffentlichen Bibliothek Großbeeren mit seinen Literaturgruppen für Frauen und Jugendliche, der Bürgertisch für lebendige Demokratie und die evangelische Kirchengemeinde hatten sich für die zweitägige Aktion zusammengetan.
Pfarrer Christian Manz eröffnete am Samstag um 14 Uhr die Veranstaltung. “Wir wollten mit dieser Veranstaltung die Wachsamkeit erhalten. Denn wer seine Vergangenheit vergisst, verliert seine Zukunft”, mahnte der Theologe vor den leider nur wenigen Zuhörern, die zur Dorfaue gekommen waren. Manz
zog mit dem Hinweis auf die in der Gesellschaft latent vorhandene Fremdenfeindlichkeit deutliche Parallelen zwischen Geschichte und Gegenwart.
Ein großes rotes Transparent mit den Namen der während des
Nationalsozialismus verfolgten Autoren, machte auf den Veranstaltungsort Bibliothek aufmerksam. Hier informierte eine Ausstellung über die zahlreichen Bücherverbrennungen in der Geschichte mit deutlichem Schwerpunkt auf 1933. Tafeln mit biographischen Angaben der Schriftsteller und
Lesemappen zu ihren Werken, verdeutlichten das Ausmaß an kulturellem Verlust, der mit ihrer Vernichtung und Vertreibung einherging. “Die Ausstellung wurde mit Tafeln und Lesemappen extra als Wanderausstellung vorbereitet und kann so in weiteren Bibliotheken und Schulen gezeigt
werden”, sagte Sigrid Kranich, Leiterin der Bibliothek.
Gleichzeitig mit der Veranstaltung der Bibliothek begann im evangelischen Kirchengemeindesaal ein mehrstündiger Lesemarathon in dem aus den 1933 verbrannten Werken gelesen wurde. Etwa 30 Bürger aus Großbeeren und Diedersdorf hatten sich bereiterklärt daran teilzunehmen.
Den Anfang machte Deborah Rachel, Mitglied der Literaturgruppe Jugend der öffentlichen Bibliothek. “Mir ist es wichtig, an diesen Tag zu erinnern. Zudem möchte ich zeigen, wie gut ich es finde, was hier getan wird. Bücher
sind etwas Kostbares und dürfen nicht einfach verbrannt werden”, nannte die 14-Jährige den persönlichen Beweggrund ihrer Teilnahme.
Den Abschluss der Veranstaltungsreihe, zu der auch der Film “Der Tag als die Bücher brannten” in der DRK-Geschäftsstelle gehörte, bildete am Sonntag eine Lesung mit dem Schauspieler und Regisseur Frank Sommer.