Potsdam — Wie wir der Presse entnehmen durften, beklagt die Stadtverwaltung ein „fehlendes Interesse“ der PotsdamerInnen an der Mitwirkung an dem sogenannten Expertengremium Potsdam22. Während sich die Experten noch wundern, warum niemand mit Ihnen reden will erklären die Sprachrohre der Potsdamer Immobilienwirtschaft eil- und leichtfertig, dass dies ja wohl bedeute, dass niemand Probleme mit zu hohen Mieten hätte.
Dabei ist die Lösung doch so einfach. Dass Potsdam22 zur Lösung der Potsdamer Wohnungsnot genauso viel oder wenig beitragen wird, wie sämtliche Workshops, Gesprächsrunden etc. der Stadtverwaltung bisher, also gar nichts, liegt so klar auf der Hand, dass man schon „Potsdamer Demokrat“ oder Mitglied eines Expertengremiums sein muss, um dies nicht zu erkennen,
Bei dem Projekt Potsdam22 ging es von Anfang an darum, das bestehende Elend des Potsdamer Wohnungsmarktes schönzureden und den sich zuspitzenden sozialen Konflikt in dieser Stadt totzuquatschen. Dies machte sich schon in den Fragestellungen deutlich, über die die PotsdamerInnen im Forum von Potsdam22.de, dem Kernbestandteil des Projektes, diskutieren dürfen.
Da wird gefragt, was darf ein Kinderzimmer kosten, wie viel Wohnraum braucht eine Familie etc. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass die Empfehlung der Expertenkommission in Auswertung von Spruchweisheiten wie „Geduldiger Schafe gehen viele in einen Stall“ und „Platz ist in der kleinsten Hütte“ am Ende lauten wird, dass sich die Leute einfach etwas mehr bescheiden sollen, dann gäbe es auch kein Wohnungsproblem.
Perfide ist die Frage „Alleinstehende Rentner in Vier-Raum-Wohnung auf dem Kiewitt, dreiköpfige Familie in drei Zimmern in Drewitz. Ist das gerecht?“ Hier werden Rentner und Familien, also zwei Gruppen, die gleichermaßen von der Potsdamer Wohnungsnot geplagt sind, gegeneinander in Stellung gebracht. Anstatt das extreme soziale Gefälle in dieser Stadt zu thematisieren, sollen hier wohl die ärmeren Bevölkerungsteile gegeneinander aufgehetzt werden.
Das Potsdam22.de dazu dient, die Potsdamer MieterInnen mit dem Verweis auf das Expertengremium ruhig zustellen und nicht dazu, ihnen zu helfen ihre Interessen selbst zu vertreten, wird auch an anderer Stelle offensichtlich. So finden sich in der „Bibliothek“ kaum Materialien, die geeignet sind, von Mieterhöhungen und Vermieterterror betroffenen MieterInnen Ratschläge zu bieten. Gerade die in Potsdam besonders relevante Kategorie „Mieterschutz“ ist mit nur einer Broschüre die am schwächsten bestückte der Bibliothek. Kein Wunder, dass sich MieterInnen nicht für Potsdam22 interessieren.
Stattdessen ist es die Selbstorganisierung, der Zusammenschluss und der gemeinsamen Widerstand aller von Mieterhöhungen und Verdrängung Betroffenen, die Veränderungen erzwingen werden. Dieser Prozess hat angefangen und entwickelt sich mal lauter, mal leiser weiter. In den von Vertreibungssanierung bedrohten Gewoba-Quartieren, in den Semmelhaackschen Schuhkartonbehausungen, in den Vierteln in denen man mit dem Namen Kirsch&Drechsler seine Nachbarn erschrecken kann kommen Menschen zusammen, zum Reden, zum Feiern, zum Diskutieren, zum Planen. Wozu sollen sie da noch Zeit mit Potsdam22 vergeuden?