Potsdam - Nach dem brutalen Überfall rechtsextremer Jugendlicher auf zwei Linke in Potsdam in der Nacht zum Sonntag sind bislang acht Haftbefehle erlassen worden. Drei Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft, gegen die anderen fünf, darunter auch Berliner, wurden die Haftbefehle vom Haftrichter unter teils strengen Auflagen außer Vollzug gesetzt, teilte die Staatsanwaltschaft gestern mit. Bei den Inhaftierten handelt es sich nach PNN-Informationen um Potsdamer. Nach mindestens sechs weiteren Tatbeteiligten wird nach PNN-Informationen derzeit noch gesucht. Drei Tatverdächtige hatten sich am Dienstagnachmittag gestellt, einer gestern. Nach PNN-Informationen hat die Berliner Polizei gestern im Zusammenhang mit den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Gruppen in Potsdam in der Bundeshauptstadt Wohnungen durchsucht. Die Ermittler wollten dazu gestern keine näheren Angaben machen. Der Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft, Jörg Wagner, stellte gestern gegenüber den PNN klar, dass die Staatsanwaltschaft gegen die Rechtsextremen wegen „versuchten gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung“ ermittelt. Der zuständige Haftrichter sei dem bei den Haftbefehlen jedoch nicht gefolgt. Die Haftbefehle lauten nur auf Verdacht der „gefährlich Körperverletzung“. Gegen vier Potsdamer Linke, denen vorgeworfen wird, zwei Wochen zuvor einen rechtsextremen Jugendlichen in der Innenstadt gejagt und niedergeschlagen zu haben, waren hingegen Haftbefehle wegen „versuchten Mordes“ erlassen worden. An der unterschiedlichen Einstufung der linken und rechten Taten durch die Haftrichter gab es gestern massive Kritik aus der Stadt-Politik. Oberbürgermeister Jann Jakobs sagte, er „appelliere besonders an die Justiz, ihrer Verantwortung gerecht zu werden“. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Straftaten von rechten und linken Jugendlichen „mit zweierlei Maß beurteilt werden“. Jakobs weiter: „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass die Haftbefehle gegen die Täter vom Sonntag, die der Polizei schon lange bekannt sind, vom zuständigen Richter am Amtsgericht Potsdam außer Vollzug gesetzt wurden.” Ähnlich äußerte sich auch die SPD-Stadtfraktion. Entsetzt reagierten auch Vertreter von PDS und CDU. Brandenburgs CDU-Generalsekretär Sven Petke nahm Polizei, Staatsanwaltschaft und Amtsgericht in Schutz. „Die an ihnen aufkommende Kritik ist unverantwortlich“, so Petke gestern. „Verantwortung für die Taten haben die Täter und nicht die Ermittler. Justiz und Polizei arbeiten hoch engagiert und sehr professionell.“ Wer „Polizei und Justiz zum Spielball“ von „politischen Interessen macht“, so Petke weiter, handele „unverantwortlich“. Polizei und Staatsanwaltschaft waren besonders von linken Gruppen wegen ihrer Informationspolitik kritisiert worden. So war ihnen vorgeworfen worden, Übergriffe von Rechten auf Linke in Potsdam nicht zu veröffentlichen. Der aktuelle Vorfall war erst zwei Tage nach der Tat bekannt gemacht worden. „Das geschah aus ermittlungstaktischen Gründen“, so Staatsanwalt Wagner gestern. Man habe die Tatverdächtigen, die noch nicht alle ermittelt waren, nicht über die Medien warnen wollen, dass sie per Haftbefehl gesucht werden. Wagner: „Manchmal ist das nötig.“ Auch der Überfall auf den rechtsextremen Jugendlichen zwei Wochen zuvor, war aus den selben Gründen erst zwei Tage später veröffentlicht worden. Frauke Postel vom Mobilen Beratungsteam (MBT) Brandenburg warnte gestern davor, die zunehmend gewalttätigen Konflikte in Potsdam als „bloße Scharmützel zwischen rechtsextremistischen und linken Jugendgruppen im regionalen Kontext zu bagatellisieren“. „Nicht nur in Potsdam ist das Klima gereizt“, betonte sie. Landesweit sei die Gewalt gegen Einrichtungen und Jugendliche gerichtet, die zum linken Milieu zählten. Nach Ansicht der Polizei sind in Potsdam die Rechtsextremen deutlich gewaltbereiter als die linken Gruppen. „Die meisten politisch motivierten Straf- und Gewalttaten verüben die Rechten“, hieß es. Im Vorjahr war landesweit die Zahl der rechten Straftaten auf 1046 Delikte gestiegen (2003: 982), die linksmotivierten auf 56 (2003: 39). Im Jahr 2004 war bei beiden Szenen die Zahl der Gewaltdelikte gestiegen: bei den Rechten auf 105 (87), bei den Linken auf 22 (14). An dem Überfall vom vergangenen Sonntag, bei dem zwei Linke im Alter von 24 und 25 Jahren mit Flaschen und Fußtritten krankenhausreif geschlagen worden waren, waren mindestens 15 Rechtsextreme aus Potsdam und Berlin beteiligt.
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